Murr-Forellen waren die allerersten Backnanger

Hegegemeinschaft und Landesfischereiverband arbeiten aktiv an Renaturierung der Murr – Insgesamt um die hundert Weiden am Flussufer gepflanzt

Weiden am Ufer der Murr sorgen für Flussbeschattung und Kühle im Sommer. Zudem dient das Wurzelwerk Kleintieren als Rückzugsort. Die Hegegemeinschaft Murr und Umgebung hat bei einer Pflanzaktion rund hundert junge Weiden in Backnang gesetzt. Unterstützung gab es von verschiedenen Vereinen und politischen Vertretern.

Murr-Forellen waren die allerersten Backnanger

Die Mitglieder der Hegegemeinschaft und ihre prominenten Helfer Richard Sigel und Frank Nopper setzten gestern zahlreiche Stecklinge. Foto: T. Sellmaier

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG.„Die Murr ist unsere Lebensader“, bekennt Oberbürgermeister Frank Nopper. Somit ist es selbstverständlich, dass sich an einem kühlen und nebligen Novembermorgen nicht nur Dutzende Helfer verschiedener Angelvereine, sondern auch Backnangs Stadtoberhaupt, Landrat Richard Sigel und weitere politische Vertreter verschiedener Murr-Kommunen auf der Bleichwiese zusammenfinden, um gemeinsam ein neues Kapitel im Leben des Flusses aufzuschlagen. Knapp 52 Kilometer lang ist der Fluss, für dessen Renaturierung sich die Hegegemeinschaft Murr und Umgebung in diesem Jahr zusammengeschlossen hat. Bei der jüngsten Aktion am gestrigen Sonntag wurden an verschiedenen Niedrigwasserstellen mehrere Hundert Weidenstecklinge gesetzt.

„Der heutige Tag steht im Zeichen der Murr“, so Nopper, der zu Beginn der Pflanzaktion noch weitere Erkenntnisse in Bezug auf den Fluss zutage förderte. So etwa, dass bereits vor über 15000 Jahren die Murr-Forelle hier heimisch war und somit als Ur-Backnanger gelten könne. Dank der Unterstützung von Hegegemeinschaft und Landesfischereiverband werde es gelingen, die Ufer ökologisch aufzuwerten und das Leben im Wasser vielfältiger zu gestalten. Landrat Sigel konnte sich dem nur anschließen und sagte der Hegegemeinschaft eine finanzielle Beteiligung des Kreises bei der Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen zu. Auf den Umweltschutzgedanken der Angelvereine wies Reinhart Sosat, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes, hin: „Angeln war schon immer mehr als Fische fangen.“ Bei einem Gespräch zwischen Regierungspräsidium Stuttgart und dem Vorstand der Hegegemeinschaft im Sommer hatte sich ebenfalls eine fruchtbare Zusammenarbeit in Bezug auf zukünftige Renaturierungsmaßnahmen abgezeichnet. So gab bei diesem Gespräch der zuständige Flussmeister an, dass von den 480 Flusskilometern unter seiner Obhut die 52 Kilometer der Murr die bedürftigsten seien, berichtete Justin Guest, beratender Biologe der Hegegemeinschaft. „Nur wenn die Umwelt intakt ist, gedeihen Fische“, erklärte er. Angler und Flussmeister wollen hierbei Hand in Hand zusammenarbeiten, um der Murr ihre Vielfalt zurückzugeben und das Ökosystem zu verbessern.

Im Backnanger Gebiet werden am „Tag der Murr“ insgesamt um die hundert Weiden gepflanzt. Allein unterhalb des Backnanger Viadukts setzen zahlreiche Helfer Dutzende. Tatkräftig mit dabei sind Sigel und Nopper. Zunächst wird mit Eisenpflock und Hammer ein Loch geschlagen, in den die Setzlinge, die eigentlich wie einfache Zweige aussehen, gepflanzt und danach gut gewässert werden. Manche finden ihre neue Heimat im Fluss nah am Ufer, andere ein Stückchen landeinwärts. Das Geheimnis der Weiden: Sie bilden unzählige Knospen aus, die sich sowohl als Wurzeln wie auch als Zweige ausbilden können, was das Einpflanzen sehr erleichtert. Das Wurzelwerk später ist sehr dicht. Im Wasser wird durch sie das Feinsediment gefiltert und es ändert sich die Strömung des Flusses, was der Unterspülung des Ufers entgegenwirkt, wie Alexander Schaal vom Anglerverein Backnang und Umgebung erläutert. Das dichte Wurzelsystem an Land stärkt die Uferbefestigung. Zudem belasten die abgeworfenen Blätter das Wasser kaum. Da die Weiden außerhalb des Backnanger Stadtgebiets gepflanzt werden, ist keine Kollision mit dem Hochwasserschutz zu befürchten.

Weitere Pflanzaktionen in den kommenden Jahren geplant

Bei der konzertierten Weidenpflanzaktion am Sonntag setzten die Mitglieder der Hegegemeinschaft entlang des kompletten Murrverlaufs von Quelle bis Mündung in den Neckar an verschiedenen Stellen mit Niedrigwasserpegel zahlreiche Stecklinge. Neben der Befestigung üben die Bäume weitere wichtige Funktionen aus. Das dichte Blattwerk der schnell wachsenden Laubgehölze dient der Flussbeschattung und somit der Kühlung des Wassers. Im vergangenen Sommer war etwa in Oberschöntal eine erschreckend hohe Wassertemperatur von 25 Grad gemessen worden. Das dicht verzweigte Wurzelwerk wird ferner Kleintieren und Nährfischen Lebensraum bieten, und zugleich als Rückzugsmöglichkeit für größere Fische dienen. Die bepflanzten Gebiete werden in einer Onlinekarte eingetragen, sodass nicht nur die beteiligten Vereine, sondern auch der Flussmeister einen Überblick hat. Er wiederum wird, neben weiteren Renaturierungsmaßnahmen, an verschiedenen Stellen im Fluss Kies und Störsteine einbringen, um Verwirbelungen zu schaffen, was ebenfalls der Wasserkühlung dient.

Die Pflanzaktion ist nicht als einmalige Sache geplant. In den kommenden Jahren soll sie regelmäßig wiederholt werden, bis schließlich, wie in der Vision des Backnanger Stadtoberhaupts, Tausende von Weiden die Ufer des eigenwilligen und dann auch von Leben wimmelnden Flusses säumen.