Musikgenuss-Hunger trifft Dankbarkeit

Beim Backnanger Kultursommer zeigt sich auch am zweiten konzertbestückten Wochenende, wie Künstler und Publikum sich aneinander freuen. Das ist für Kulturamtsleiter Johannes Ellrott und die vielen Mitstreiter eine echte Bestätigung.

Musikgenuss-Hunger trifft Dankbarkeit

Traumhafte Kulisse: Das Publikum genießt die Hommage an Simon&Garfunkel von Thomas Wacker und Thorsten Gary (von links) mit ihrer Band auf dem Marktplatz vor dem Stadtturm. Foto: A. Becher

Von Christine Schick

BACKNANG. In der Backnanger Innenstadt ist es Samstagabend vor Konzertbeginn zwar vergleichsweise ruhig, aber die Außentische der Cafés und Restaurants sind gut besetzt. Nach und nach finden sich die Konzertgäste auf dem Marktplatz ein. Sind Reihe und Plätzchen ausgemacht, pilgern die Getränkebeauftragten der Besucher an die Theke des Restaurants Kunberger, um sich und ihre Lieben mit Sekt, Wein, Bier oder etwas Nichtalkoholischem zu versorgen. Manche lassen sich noch ein Eis schmecken, das sie unterwegs ergattert haben. Zwischendurch sind immer wieder freudig-überraschte Begegnungen zu beobachten. Einzelne studieren das Programm des Backnanger Kultursommers, das an den Plätzen ausliegt.

Johannes Ellrott, Leiter des Backnanger Kultur- und Sportamts, begrüßt die Gäste, erläutert kurz die Regeln – am Platz kann die Maske abgesetzt werden – und Möglichkeiten – die vielen folgenden Veranstaltungen bis Anfang August – und freut sich über die aktuelle Bestätigung, nämlich die ausverkaufte Vorstellung des ersten Konzerts am Abend. Das Publikum erwartet das Duo „Graceland“, das seine sechsköpfige Band mit vier Streichern, Bassgitarristin und Schlagzeuger mitgebracht hat. Der Programmauftrag: „A Tribute to Simon&Garfunkel“. Die beiden Frontmänner Thomas Wacker, der die Stimme von Paul Simon übernimmt, und Thorsten Gary, der die Stimme von Art Garfunkel repräsentiert, und die Band empfehlen sich mit einem kraftvollen, vielversprechenden Auftakt.

Die Hommage mit eigenen Akzenten findet gute Resonanz im Publikum.

Der Abend ist eine Hommage an das legendäre amerikanische Duo, den die beiden und ihre Mitstreiter mit fetzig-klassischen Einlagen würzen, gekonnt akzentuieren und so die Lieder in ihrer Lesart wieder aufleben lassen. Thomas Wacker stellt zu Anfang fest, dass er das erste Mal in seinem Leben in Backnang vor Publikum spielen darf und das auch noch vor ausverkauften Rängen. „Das ist unser siebtes Konzert dieses Jahr, in so großem Rahmen haben wir bisher noch nicht gespielt“, sagt er und schiebt nach dem einen oder anderen wohl zweifelnden Blick hinterher: „Das ist kein Witz!“. Thorsten Gary und er ergänzen sich nicht nur bei den kurzen Anmoderationen, sondern vor allem auch von ihren Stimmen her wunderbar. Hinzu kommt die Band. Beim Song „America“, der von der Reise Paul Simons mit seiner späteren Frau Kathy durch die USA erzählt, wird das genauso deutlich wie bei weiteren Klassikern wie „Homeward bound“, „El cóndor pasa“ oder „The Boxer“.

Das belohnt das Publikum nicht nur mit deutlichem Applaus, sondern geht bei den Liedern auch mit, wenn es sich anbietet, ob durch Klatschen oder Mitsummen und Mitsingen. Genauso ist Raum für kleine Soli der Musikerformation, die Thomas Wacker später als „hervorragende Band“ vorstellt: Steffen Liede (Schlagzeug/Percussion), Martina Berenz (Bassgitarre), Andrea Barla und Hiroko Tamaki (beide Geige), Vadim Razzumnyy (Bratsche) und Vasily Bystroff (Cello). Deren einzelne Instrumentalstimmen und das Potenzial der Musiker werden erlebbar, ohne dass sie den Gesamtauftrag aus den Augen verlieren. Thomas Wacker und Thorsten Gary lassen sich auf ähnliche Weise gegenseitig Raum, machen die musikalische Verbeugung vor Simon&Garfunkel zu einem Konzertgenuss, ohne sich und ihre Interpretation dabei zu vergessen.

Bei „50 Ways to Leave Your Lover“ und „I am a Rock“ angekommen, ziehen sie nochmals ordentlich die Register, dann versuchen sie das Publikum auf das Konzertende vorzubereiten – es steht ja noch eine zweite Vorstellung am Abend auf dem Programm. „Wir möchten uns bei Ihnen bedanken, weil wir es auch als Unterstützung verstehen, dass Sie heute hier sind“, sagt Thomas Wacker. Alle Musiker stehen auf und verneigen sich vor ihren Zuhörern. Prompt kommt dann auch schon die Aufforderung „Zugabe!“, und die Musikgenuss-Hungrigen werden nach weiteren Interventionen noch mit „Sound of Silence“, „Mrs. Robinson“ und „Bridge Over Troubled Water“ belohnt.

Rückmeldungen, Zuspruch und Teamleistung freuen Ellrott sehr.

Am Sonntagabend stehen die beiden letzten Marktplatzkonzerte mit der All-Star-Band „Soul Diamonds“ (Bericht folgt) des Programms an, bei dem Johannes Ellrott und sein städtisches Team die Regie übernommen haben. Der neue Kultur- und Sportamtsleiter ist in Bezug auf die bisherigen Rückmeldungen und den Zuspruch sehr zufrieden. Mit den insgesamt zwölf Konzerten hat er sich auch ein Stück weit empfohlen, sprich sie stehen für die neue Richtung, in die er das städtische Kulturprogramm weiterentwickeln will. Und das möchte er neben dem classic-ope(r)n-air auch für weitere Musikgenres öffnen. Seinem Eindruck nach hat das Publikum die künstlerische Qualität der Gruppen überzeugt.

Die Entscheidung, ein Zweischichtsystem mit einem früheren und einem späteren Konzert zu fahren, war für ihn die richtige, um mehr als 250 Plätze an einem Abend anbieten und gleichzeitig in puncto Hygienekonzept auf der sicheren Seite sein zu können. Die frühen Vorstellungen waren meist ausverkauft, bei den späteren schaffte man das nicht, aber angesichts des sehr kurzen Vorlaufs für Werbung und Organisation sagt er auch: „Wir hoffen, dass wir die Menschen, die kommen wollten, erreicht haben.“ Im Rems-Murr-Kreis sei man in Bezug auf eine Kulturveranstaltung in solch einem Rahmen einer der Vorreiter und habe für die Backnanger ein Zeichen gesetzt. Letztlich auch ein Stück weit mit Blick auf das entfallene Straßenfest. „Am schlimmsten hätte ich es gefunden, wenn wir gar nichts hätten anbieten können.“

Nicht ganz unwesentlich bei Open-Air-Konzerten ist das Wetter und da habe man – am Sonntag vor einer Woche mit kleinen Einbußen – richtig Glück gehabt. „Für mein Team war das an den sechs Abenden mit je zwei Konzerten ein Marathon, umso mehr freuen einen die positiven Rückmeldungen. Das gibt einem viel zurück.“ Die kämen auch von den Künstlern, die sich über die Auftrittsmöglichkeit sehr gefreut hätten, trotz der fordernden zwei Vorstellungen. Zudem geht es mit vielen spannenden Events weiter. „Der Kultursommer ist ein ganz tolles Gemeinschaftsprojekt“, sagt Ellrott auch an die Adresse der Initiatorinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann vom Bandhaus-Theater und all die vielen, vielen weiteren Mitstreiter.