N wie Nathan statt Nordpol: Blume macht Buchstabier-Vorstoß

dpa/lsw Stuttgart. Buchstabieren wie die Nazis? Judenfeindlichkeit wirkt in der Sprache nach, kritisiert Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Blume. Er will, dass der Name Nathan wieder für den Buchstaben „N“ steht.

N wie Nathan statt Nordpol: Blume macht Buchstabier-Vorstoß

Michael Blume bei einem Gespräch mit Journalisten. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume will „N wie Nathan“ wieder in die offizielle deutsche Buchstabiertafel zurückholen. Das fordert er in einem Brief an das Deutsche Institut für Normung (DIN), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Derzeit heißt es offiziell „N wie Nordpol“. Blume fordert eine entsprechende Überarbeitung der sogenannten Norm DIN 5009, die Diktierregeln festlegt. Zur Eröffnung der jüdischen Kulturwochen in Stuttgart am Montagabend wollte Blume sich auch öffentlich für die Änderung aussprechen. Der Zentralrat der Juden unterstützt die Initiative und fordert eine Befreiung von „der Nazi-Sprache und ihren Relikten“. Das Normungsinstitut teilte mit, dass man die Sache prüfen wolle.

Die mörderische Menschenverachtung werde oft vorbewusst in Begriffen, Bildern und Verschwörungsmythen tradiert, kritisiert Blume in dem Brief an das Institut, das sich um Normen und Standards kümmert. „Wir sollten tatsächlich Antisemitismus auch in vorbewussten Traditionen und Begriffen aufspüren und dekonstruieren.“

Die Nationalsozialisten hätten „unter grober Verletzung und Missachtung liberaler und demokratischer Standards“ alle hebräischen Namen aus der bis dahin üblichen Buchstabiertabelle getilgt, kritisiert Blume. Aus „D wie David“ wurde etwa „D wie Dora“. Aus „S wie Samuel“ wurde „S wie Siegfried“. Und aus „N wie Nathan“ wurde „N wie Nordpol“. Die damals eingeführten Neuerungen würden sich bis heute im Sprachgebrauch niederschlagen.

Manche Änderungen seien nach der NS-Zeit zwar zurückgenommen worden - so wurde Siegfried wieder durch Samuel ersetzt und Zeppelin durch Zacharias. „Doch ausgerechnet „N wie Nathan“ findet sich nicht in der heutigen gültigen DIN 5009. Es blieb bei dem 1934 eingeführten „N wie Nordpol“.“ Blume sagt, er könne sich kaum einen stärkeren deutsch-jüdischen Namen als Nathan vorstellen. Er käme schon in Verbform in der biblischen Noah-Geschichte vor. Auch in einem der bedeutendsten Werke von Gotthold Ephraim Lessing und der deutschen Literaturgeschichte drehe sich alles um „Nathan der Weise“.

„Dagegen bezeichnet „Nordpol“ noch nicht mal einen Personennamen, sondern in der pseudowissenschaftlichen NS-Ideologie die Herkunft der sog. „Arier““, schreibt Blume. Auch kritisiert er, dass weiterhin Dora für D stehe statt wie einst der Name David. Man könne auch überlegen, ob man den Namen Debora für D verwende, da es kaum weibliche Namen auf der Liste gebe, sagte Blume der dpa.

Der Zentralrat der Juden findet den Vorstoß gut. „Auch wenn es sicherlich schwer sein wird, jahrzehntealte Gewohnheiten zu ändern, begrüße ich die Initiative von Herrn Blume“, sagte Präsident Josef Schuster. „Wenn wir dieses Kapitel angehen, sollten wir uns aber auch für die anderen Namen stark machen, die die Nazis einst aus der Buchstabiertafel gestrichen haben: David, Jacob und Samuel. Auch wenn Samuel offiziell wieder aufgenommen wurde, sagen doch landläufig viele weiterhin Siegfried.“ Sprache präge das Bewusstsein, betonte Schuster. „Zum 75. Jahrestags der Befreiung sollten wir uns auch von der Nazi-Sprache und ihren Relikten befreien.“