München hat die Wiesn, Bad Cannstatt das Volksfest. Und der Wasen? So heißt nur der Platz, sagen die Traditionalisten. Emotionen kochen hoch, weil vom „Stuttgarter Wasen“ die Rede ist. Für dicke Luft sorgt außerdem, dass die Verbraucherzentrale fünf Wirte verklagt.
Die Dirndl-Zeit beginnt.
Von Uwe Bogen
Stuttgart - Während in München längst alle Welt „auf die Wiesn“ geht, stößt eine ähnliche Sprachgewohnheit am Neckar sauer auf. „Auf den Wasen“ – so sagen zwar viele Besucher, aber für eingefleischte Cannstatter ist das ein rotes Tuch. „Der Wasen ist ein Platz, kein Fest“, sagen die Bewahrer der Tradition und erklären mit Nachdruck: „Wir feiern das Volksfest, nicht den Wasen!“
Wenn gar vom „Stuttgarter Wasen“ die Rede ist, erhebt sich Widerstand. Barbara Zander, Ur-Cannstatterin, kann es nicht fassen. Als ihr die Werbezeitung von Krüger Dirndl und der Schwabenwelt in die Hände fiel, die den Titel „Stuttgarter Wasenpost“ trägt, sträubte sich bei ihr „jedes einzelne Nackenhaar“, wie sie sagt.
„Ohne Cannstatt kein Volksfest“ – dieser Ruf hallt seit vielen Jahren am Neckar. Denn ein „Stuttgarter Volksfest“ hat es nie gegeben. Als König Wilhelm 1818 nach dem „Jahr ohne Sommer“ das Fest ins Leben rief, tat er dies auf den Neckarwiesen in Cannstatt – lange bevor die stolze „Kannstadt“ im Jahr 1905 Teil von Stuttgart wurde.
Schwabenwelt-Chef Michael Wilhelmer räumt den Fauxpas ein. Nicht er, sondern eine Agentur habe die Zeitung erstellt. Zugleich wirbt er um Verständnis: Immer mehr internationale Gäste kämen gezielt nach Stuttgart, von Cannstatt wüssten viele nichts. Wenn im Titel „Stuttgart“ stehe, punkte er besser im Ausland.
Was verwirrend ist: Während es „Cannstatter Volksfest“ heißt, sagt man „Stuttgarter Frühlingsfest“. Dies liegt daran, dass die „kleiner Schwester“ des Rummels entstand, nachdem Cannstatt eingemeindet war.
Kommt im neu entflammten Streit gar ein unterschwelliges Konkurrenzgefühl gegenüber München hinzu? Dort hat sich „Wiesn“ längst als liebevolles Synonym fürs Oktoberfest etabliert. In Stuttgart sehen viele die Gefahr, dass ihr Volksfest durch die Abkürzung „Wasen“ auf eine reine Kopie der Wiesn reduziert wird. Wenn in den Nachrichten verkündet wird, „der Wasen geht los“, schüttelt man in Cannstatt den Kopf. „Wohin soll der Wasen gehen?“, fragt man sich dann.
Michael Wilhelmer plädiert für eine Anpassung der Sprache: „Der Wasen ist zu einer Marke geworden wie die Wiesn.“ Eine Marke, die auch im Ausland funktioniere. Nur auf die Vergangenheit zu pochen, sei nicht zeitgemäß, findet er. Die „Stuttgarter Wasenpost“ wird trotz der Proteste nicht eingestampft. Die Zeitung liegt seit dem Weindorf an vielen Orten aus. Wilhelmer findet, dasss man auch an die Zukunft denken müsse: „Die Sprache entwickelt sich weiter – und da ist der Name Wasen ein guter Begriff.“
Die Aufregung zeigt vor allem eines: Das Volksfest ist weit mehr als ein Rummel. Es steht für die enge Verbindung der Menschen zu ihrer Geschichte – und dafür, wie sensibel sie reagieren, wenn diese infrage gestellt wird. Gleichzeitig wird deutlich: Trotz der Tradition denken viele an die Zukunft und wollen Sprache weiterentwickeln. Ob man nun „Volksfest“ oder „Wasen“ sagt – am Ende bleibt es ein Fest, das für 17 Tage Millionen von Menschen zusammenführt.
Aufregung ist vor dem Fassanstich von OB Frank Nopper außerdem entstanden, weil die Verbraucherzentrale fünf Festwirte verklagt. Bei einer umfassenden Überprüfung – der ersten seit zehn Jahren in diesem Umfang – habe man „überhöhte Kosten“ bei Reservierungen und „rechtswidrige Gutscheinregelungen“ festgestellt, sagt Projektleiterin Sabine Holzäpfel. Für den Versand von Unterlagen wie Bändel verlangten die Wirte zwischen 10 und 18 Euro extra, mitunter käme eine Bearbeitungsgebühr von 5 bis 15 Euro hinzu. „Anbieterinnen und Anbieter dürfen nur die tatsächlichen Kosten weitergeben“, sagt sie.
Zunächst waren alle acht Festzelte abgemahnt worden, erklärt Sabine Holzäpfel. Drei Wirte – Marcel Benz, Nina Renoldi sowie Klauss & Klauss – hätten sich daraufhin in einer Unterlassungserklärung bereit erklärt, die Verstöße zu beseitigen. Gegen fünf Zeltbetreiber wurde nun Klage eingereicht.
Die Wirte sind verärgert darüber, dass die Verbraucherzentrale ein noch laufendes Verfahren öffentlich gemacht hat, bevor ein Urteil vorliegt. Dies käme einer Vorverurteilung gleich, ist zu hören. „Hier verdienen vor allem Abmahnanwälte, die auf Kosten der Wirte Geld kassieren“, wird kritisiert. Die Verbraucherzentrale widerspricht: „Wir sind gemeinnützig, nicht gewinnorientiert.“