Narren stürmen erstmals seit 2019 wieder das Backnanger Rathaus

Zwei Jahre war coronabedingt Pause, jetzt hat der Backnanger Karnevals-Club erstmals wieder das Rathaus gestürmt. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich gibt den Schlüssel zu seiner Arbeitsstätte aber nicht kampflos her. Er wird von den Narren zu einem Sportquiz herausgefordert. Trotz seines beeindruckenden Wissens zieht er am Ende den Kürzeren.

Narren stürmen erstmals seit 2019 wieder das Backnanger Rathaus

OB Maximilian Friedrich überreicht BKC-Präsidentin Gabi Kallfaß den Schlüssel zum historischen Rathaus. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Einen „Rathaussturm im Kleinformat“ hat der Backnanger Karnevals-Club (BKC) im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt. Davon kann in diesem Jahr nicht die Rede sein. Um 17 Uhr ist der Andrang auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus bereits riesengroß. Kinder stehen auf dem Gänsebrunnen, um die Menge zu überblicken, der Glühweinstand, den der BKC in weiser Voraussicht aufgebaut hat, ist gut besucht.

Elf Minuten später, um Punkt 17.11 Uhr, beginnt das Spektakel. Drei Böllerschüsse ertönen, und während die Lohkäs-Trampler „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd spielen, marschiert der Rest der Narren die Marktstraße hinunter. „Isch des schee, so viele Zuschauer und Gastvereine bei uns zu haben“, begrüßt BKC-Präsidentin Gabi Kallfaß die Anwesenden. Die Murreder Henderwäldler sind etwa gekommen, die Reichenberger Burghexen aus Oppenweiler, die Carnevalsfreunde Württemberg aus Rudersberg und die integrative Musikgruppe Elefantis. Der Faschingsverein Burgstetten ist da, genauso wie die Narrenzunft Althütte, der Unterweissacher Carnevals-Club und der Sulzbacher Carnevalsverein. Und auch Daniel Arnold, Vorstand des 1. Fasnetsvereins Steinheim und Schatzmeister beim Landesverband Württembergischer Karnevalvereine, gibt sich die Ehre. Niemand möchte den ersten regulären Rathaussturm in Backnang seit dem Beginn der Coronapandemie verpassen.

Eine Verkleidung hat Friedrich nicht angezogen

Mit einem dreifachen „Backana Ha-No“ und einem dreimaligen „Narri-Narro“ für alle Hästräger stimmt Gabi Kallfaß die Menge ein. „I kann’s no, sowas verlernt mer nedda“, kommentiert sie zufrieden. Dann richtet sie das Wort an Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, den sie „in einem Sessel schlofend irgendwo im Rathaus“ vermutet. „Ich habe nicht vor zu kapitulieren“, entgegnet der Angesprochene aus einem der Rathausfenster, mit Mikrofon und mit Krawatte. Eine Verkleidung, wie ehedem sein Vorgänger Frank Nopper, hat der OB nicht angezogen. Das könnte allerdings auch mit der Auftaktveranstaltung der Backnanger Kinder- und Jugendbuchwoche Literatour zusammenhängen, die Friedrich im Anschluss noch besuchen wird.

„Was haben Sie in dena anderthalb Johr überhaupt schon g’schafft?“, will Kallfaß von Friedrich wissen. Der erinnert an das 50. Straßenfest, den Bau am Hochwasserrückhaltebecken in Oppenweiler, den bevorstehenden barrierefreien Umbau des Backnanger Bahnhofs und daran, dass Verwaltung und Gemeinderat erst in dieser Woche beschlossen haben, dass die Förderung für die Sport- und Kulturvereine erhöht werden. Dafür gibt’s Applaus.

Um die Verdienste des OBs soll es aber nicht gehen an diesem Abend. Da der Rathauschef den Schlüssel zu seiner Arbeitsstätte schon nicht freiwillig herausgeben möchte, fordern die Narren ihn zu einem Sport-Quiz heraus. Sieben Fragen müsse Friedrich richtig beantworten, kündigt Quizmasterin Sara Bay vom Elferrat des BKC an: „Wenn Sie es schaffen, muss der BKC das Rathaus räumen.“ „Ja, gibt’s denn au Joker?“, erkundigt sich Friedrich. „Bei Günther Jauch hätte ich ja vier bekommen.“ Bei den Backnanger Narren muss er ohne auskommen. Während einige Fragen etwas leichter sind („Welche Kategorien gehören zu einem Triathlon?“), sind andere nicht ganz so leicht zu erraten („In welchem Jahr ging die Tour de France durch Backnang?“). Doch auch letztere kann Friedrich souverän beantworten – nicht zuletzt, weil sich dies in seinem Geburtsjahr 1987 ereignete.

Von den Mädels der Roten Garde wird Friedrich vor das Rathaus geführt

Erst auf die letzte Frage antwortet der OB nicht sofort. „Ja gut, wenn wir so eifrige Besserwisser haben, dann kommt doch hoch!“ Das lassen sich die Mädels der Roten Garde selbstredend nicht zweimal sagen. Wenige Minuten später führen sie Friedrich auf den Marktplatz zu Gabi Kallfaß hinaus. Die Frage („In welchem Jahr wurde die Rote Garde des BKC Württembergischer Meister im Gardetanzsport in der B-Gruppe?“) hätte er trotzdem beantworten können, sagt der Verwaltungschef dort: „Das müsste 1985 gewesen sein.“ Wieder richtig, Friedrich hat seine Hausaufgaben gemacht. „Das stimmt leider“, antwortet Kallfaß. Und beschließt dennoch: „Den Kampf ums Rathaus hänn jetzt einfach mir gwonna.“ Schließlich sei der OB vor die Tür gekommen. „In Gott’s Namen, für den Moment, für heute, geb i mi geschlagen. Chapeau!“, räumt Friedrich ein und nestelt den Rathausschlüssel aus seiner Anzugtasche. Zum Abschluss trägt er noch ein Gedicht vor.

„Danke, dass Sie bei unserem Narrenspiel mitgemacht haben. Es war net schlimm, gell?“, neckt Kallfaß den OB noch einmal. „Nein“, antwortet der, den Kopf schüttelnd. Der Rathaussturm schließt mit einem erneuten dreifachen „Backana Ha-No“, dem Ruf der Backemer Träppler Buaba und einem dreimaligen „Narri-Narro“. Dann lädt Kallfaß die Abordnungen der Narrenvereine ins historische Rathaus ein, „jetzt bin ich der Hausherr.“ Sie gehe davon aus, Friedrich habe etwas vorbereitet. „Wasser und trocken Brot“, scherzt er, bevor die Narren ins Innere einziehen. Vor der Tür spielen die Lohkäs-Trampler für das Publikum noch weiter – nach zwei Jahren Rathaussturm-Abstinenz herrscht auf dem Backnanger Marktplatz Feierlaune.