Treffen in Antalya

Nato-Staaten ringen mit der Fünf-Prozent-Hürde

In der Türkei treffen sich die Außenminister der Militärallianz. Topthema sind mögliche neue Zielvorgaben für die Verteidigungsausgaben.

Nato-Staaten ringen mit der Fünf-Prozent-Hürde

Matthew Whitaker, US-Botschafter bei der Nato, beharrt auf dem Fünf-Prozent-Ziel für die Verteidigungsausgaben, lässt aber eine kleine Hintertür offen.

Von Knut Krohn

Der Taschenrechner ist bei der Nato im Moment das wichtigste Gerät. Beim Treffen der Außenminister im türkischen Urlaubsort Antalya wird am Donnerstag verhandelt, wie viel Geld in Zukunft jedes Land in die Verteidigung investieren muss. Noch liegt die Zielvorgabe bei zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die aber nicht mehr zu halten ist. Nach dem Überfall Russlands und dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump geraten vor allem die Länder Europas unter Druck, ihre Ausgaben deutlich nach oben zu schrauben.

Die Nato muss mehr für Verteidigung ausgeben

Inzwischen schwirren Zahlen durch den Raum, die vor nicht allzu langer Zeit als völlig unrealistisch verworfen worden wären. Für große Aufregung sorgte der jüngste Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Nach seinen Vorstellungen sollen die Nato-Staaten spätestens ab 2032 jährlich fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und Sicherheit ausgeben. Diese Zahl wurde inzwischen allerdings etwas relativiert. Nun heißt es, dass damit 3,5 Prozent an „harten Militärausgaben“ und 1,5 Prozent für verwandte Ausgaben wie Infrastruktur, Cybersicherheit „und ähnliche Dinge“ gemeint sind. Was das genau bedeutet, ist noch völlig unklar und soll am Donnerstag von den Außenministern in der Türkei in Vorbereitung auf den Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag genauer definiert werden. Oberstes Ziel der europäischen Mitglieder dürfte es dabei sein, auf dem Gipfel eine direkte Konfrontation mit Donald Trump über die Verteidigungsausgaben zu verhindern.

Die Zahl von fünf Prozent wurden kurz vor dem informellen Nato-Treffen in der Türkei auch vom US-Botschafter bei der Allianz, Matthew Whitaker, noch einmal ins Spiel gebracht, allerdings deutete auch er einen gewissen Spielraum an. Bei den Verteidigungsverpflichtungen gehe es um „mehr als nur Raketen, Panzer und Haubitzen“, erläuterte er in Brüssel.

Große Unruhe bei den Nato-Staaten

Aber auch dieser Hinweis kann viele Nato-Staaten nicht beruhigen. Die beim Gipfel in Wales 2014 vereinbarten zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben haben bisher nur 22 der 32 Mitgliedsländer erreicht. Auch Deutschland konnte dieses Ziel erst mit der großen Kraftanstrengung in Form des Sondervermögens im Jahr 2024 erfüllen. Länder wie Spanien, Italien oder Belgien haben zwar zusätzliche Anstrengungen versprochen, sind davon aber nach wie vor weit entfernt. Würden fünf Prozent festgelegt, entspräche das für Deutschland beispielsweise mehr als 215 Milliarden Euro pro Jahr und gemessen am vergangenen Jahr 45 Prozent des Bundeshaushalts. Eingewandt wird von Kritikern in Richtung Washington immer wieder, dass auch die USA derzeit die Marke von fünf Prozent nicht erreichen, sie kamen 2024 auf 3,4 Prozent.

Der Bundeskanzler im Nato-Hauptquartier

Die Nato-Ausgaben waren natürlich auch ein zentrales Thema beim Antrittsbesuch des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) im Brüsseler Hauptquartier der Allianz. Dort wollte er sich allerdings nicht auf Spekulationen und schon gar nicht auf das Jonglieren von konkreten Zahlen einlassen. Merz betonte, dass nur mehr Geld aus seiner Sicht nicht die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen sei. Bei diesem Satz nickte auch der neben ihm stehende Nato-Generalsekretär Rutte. Es ergebe keinen Sinn, „jetzt über abstrakte BIP-Anteile zu streiten“. Entscheidend sei, „dass wir unsere Anstrengungen in den nächsten Jahren kontinuierlich ausweiten“, argumentierte er. Die aktuell von der Nato vorgegebenen zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben würden jedenfalls „bei weitem nicht ausreichen, um die Anforderungen zu erfüllen“.

Die Unterstützung der Ukraine ist sicher

Ein Zufall der Geschichte will es so, dass zeitgleich zum Nato-Treffen in Antalya am anderen Ende der Türkei in Istanbul auch Gespräche über eine Waffenruhe in der Ukraine geführt werden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, dass er dort auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin warten wolle. Dessen Kommen gilt inzwischen allerdings als unwahrscheinlich. Anders als bei den Verteidigungsausgaben sind sich die europäischen Nato-Staaten weitgehend einig, dass Kiew in seinem Kampf gegen Russland weiter unterstützt werden muss. Aber auch hier ist die zentrale Frage, wie sich Donald Trump verhält – und ob die Allianz sich auf mögliche US-Zusagen dann auch wirklich verlassen kann.