Neonazis gründen „Stützpunkt Baden-Württemberg“

Mitte Oktober trifft sich die NPD-Organisation Junge Nationalisten im Geheimen in Herboldshausen, um den „Stützpunkt Baden-Württemberg“ zu gründen. Ein Ausflug führt die Gruppe auch nach Gaildorf.

Neonazis gründen „Stützpunkt Baden-Württemberg“

Ein Ausflug führte die Neonazigruppe auch ins Alte Schloss in Gaildorf. Archivfoto: Stefan Bossow

Von Timo Büchner

Gaildorf. Vom 14. bis 16. Oktober ist das „Jugendheim Hohenlohe“ des rechtsextremen Bunds für Gotterkenntnis (Ludendorff) (BfG) zum Ort eines geheimen Neonazi-Treffens geworden. Die NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) führte dort einen „Gemeinschaftstag Süd“ durch. Bundesweit reisten die Teilnehmer – und wenigen Teilnehmerinnen – an. Die Autokennzeichen kamen zum Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Niedersachsen. Unter den Teilnehmern war der JN-Bundesvorsitzende Sebastian Weigler aus Braunschweig.

Die meisten Kennzeichen allerdings kamen aus Baden-Württemberg. Ein Teilnehmer war Dennis H. aus Mulfingen, der bereits mehrfach in Herboldshausen gesichtet wurde. H. ist offenbar ein lokaler Verbindungsmann zwischen BfG und der Neonaziszene. Er ist der Sänger der rechtsextremen Black-Metal-Band Eishammer und war Teil der Neonazikameradschaft Junge Revolution (auch: Nord Württemberg Sturm). Vor dem Hintergrund strafrechtlicher Ermittlungen gab die Kameradschaft im Sommer 2021 ihre Auflösung bekannt. Ein weiterer Teilnehmer: Janne K. aus Künzelsau, Schlagzeuger von Eishammer und ebenso Teil von Junge Revolution.

Bereits am 13. Februar 2022 besuchten Dennis H. und Janne K. eine rechtsextreme Demonstration in Dresden. An der Demonstration, die anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens 1945 stattfand, nahmen rund 800 Neonazis teil. Seit Jahren instrumentalisiert die Neonaziszene diese Bombardierung, um einen deutschen Opfermythos zu pflegen.

Am 23. Oktober, erst eine Woche nach der Veranstaltung, machten die JN bei Telegram das jetzige Treffen publik. Wo es stattfand, verrieten die Neonazis nicht. Sie veröffentlichten zwei Fotos: Das eine zeigt Weigler. Er hält einen JN-Wimpel in den Händen. Das andere zeigt die Teilnehmer mit Fackeln in einem Halbkreis. Die Männer tragen weiße Hemden und schwarze Hosen, die Frauen tragen rote Röcke. In der Mitte stehen vier Männer mit einer JN-Fahne. „Stützpunktgründung Baden-Württemberg“, heißt es dazu, und weiter: „Mit Freude können wir berichten, dass die politische Jugendarbeit im Süd-Westen nun wieder einen organisierten Ansprechpartner im Kampf um Volk und Vaterland hat.“

Strukturen der NPD-Jugendorganisation in Baden-Württemberg wieder aufbauen

Offenbar versuchen die JN, mit einigen Vollmitgliedern aus dem Nordosten Baden-Württembergs die brachliegenden Strukturen der NPD-Jugendorganisation in Baden-Württemberg zu reaktivieren und neu zu strukturieren. Schließlich stellten die JN Heilbronn-Hohenlohe ihre Aktivitäten vor ein paar Jahren ein.

Ein Tag später, am 24. Oktober, veröffentlichten die JN auf ihrer Homepage einen Bericht und einige Fotos, die Einblicke in das Programm vom „Gemeinschaftstag Süd“ in Herboldshausen geben. Der Samstag, 15. Oktober, begann demnach mit Frühsport. Im Fokus des Tages standen ideologische Schulungen und Vorträge zur Bedeutung und Pflege von Brauchtum sowie zur Funktion und Rolle von Musik. Zwischendrin gab es gemeinsames Musizieren und Zimmermannsklatschen. Am Samstagnachmittag ging es auf Tour: „Nach dem Mittagessen und einer kleinen Pause haben wir an einer Führung durch ein über 500 Jahre altes Schloss teilgenommen, in welchem uns der geschichtliche Hintergrund erklärt und gezeigt wurde.“

Nach Recherchen der Gaildorfer Rundschau besuchten die Neonazis das Alte Schloss in Gaildorf, rund 35 Kilometer entfernt. Eine Person beobachtete die Ankunft der rund 30-köpfigen Gruppe und dachte sofort: „Ach je, die sehen aber deutsch aus.“ Mit Blick auf das äußere Erscheinungsbild ordnete sie die Gruppe ohne Zweifel der Neonaziszene zu. Nach der Schlossführung folgte, wie die JN schrieben, die „Feierstunde“, der „Höhepunkt eines jeden Gemeinschaftstages“. Am Samstagabend wurden die Anwärter, die eine halbjährige Probezeit überstanden hatten, vereidigt. Sie wurden JN-Vollmitglieder. „Im Kreis schworen sie den Eid auf Deutschland, auf die Bewegung und dass sie niemals ihre Kameraden verraten werden!“ In der extremen Rechten wird unter „Deutschland“ das Deutsche Reich und unter der „Bewegung“ die nationalsozialistische Bewegung verstanden. Zwar klammerten die JN die Gründung des „Stützpunkts Baden-Württemberg“ im Bericht zum „Gemeinschaftstag Süd“ aus. Allerdings ist anzunehmen, dass das Gründungsritual bei der abendlichen „Feierstunde“ zelebriert wurde.

Nicht das erste Treffen der jungen Neonazis in der Region

Bereits im August 2020 veranstalteten die JN einen „Gemeinschaftstag Süd“ in Herboldshausen. Damals veröffentlichte der BfG im Zuge der Berichterstattung eine Stellungnahme. Man habe das Jugendheim bloß an „Junge Nationale“ vermietet – „deren einziges Verbrechen ganz offensichtlich ihre politische Anschauung ist“. Die Tatsache, dass die JN eine militante und NS-verherrlichende Organisation ist, verschwieg der BfG. In Anbetracht der vielen Veranstaltungen, die Neonazis und Völkische seitdem durchführten, dürfte sich an der Haltung nichts geändert haben.

Allein in diesem Jahr lässt sich ein Dutzend rechtsextremer Treffen im „Jugendheim Hohenlohe“ in Herboldshausen dokumentieren. Hier eine Auswahl: 9./10. April: „Aktivistenwochenende“ der Identitären Bewegung Schwaben; 25./26. Juni: „Sommersonnwendfeier“ vom Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff); 30. September bis 2. Oktober: „Herbstkulturtagung“ vom Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff); 14. bis 16. Oktober: „Gemeinschaftstag Süd“ und Gründung „Stützpunkt Baden-Württemberg“ der Jungen Nationalisten.