Nerven behalten: AKK in Zwickmühle zwischen SPD und Grünen

dpa Berlin. Sind CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Partei auf einen Ausstieg der SPD aus der Koalition vorbereitet? AKK sagt: Ja. In den eigenen Reihen ist man sich da nicht ganz so sicher.

Nerven behalten: AKK in Zwickmühle zwischen SPD und Grünen

Kann sie Kanzlerin? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist in ihrer Partei ebenfalls nicht unumstritten. Foto: Michael Kappeler

Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Krise der SPD so etwas wie eine kurze Verschnaufpause nach dem Wirbel um ihre Führungsqualitäten.

Im SPD-Chaos nach dem Rückzug von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles versuchen die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Union als Stabilitätsanker in der schlingernden Koalition zu präsentieren.

Doch die Ruhe wird kaum lange anhalten. In der Partei gibt es genügend Heckenschützen, die ihre eigenen Ambitionen noch nicht begraben haben. Sie warten nur darauf, dass AKK ihre nächsten Fehler macht.

Das Führungs-Durcheinander bei der SPD lenkt derzeit auch davon ab, dass sich die CDU selbst in einem tiefgreifenden Umbruch befindet. Noch sind die Machtverhältnisse zwischen Parteichefin und Kanzlerin nicht geklärt. Merkel setzt sich vor allem als Außenpolitikerin und Warnerin vor Nationalismus und Handelsschranken in Szene - und sie kann sich wieder über hohe Beliebtheitswerte freuen.

Kramp-Karrenbauer rackert sich derweil im Maschinenraum der CDU ab, macht dabei Fehler und kommt nicht aus dem Umfragekeller. Sie muss sich unter anderem damit plagen, dass Merkel beispielsweise in der Klimapolitik vieles hat schleifen lassen.

Mit einer Art Sieben-Punkte-Plan will Kramp-Karrenbauer nun wieder in die Vorhand kommen. Man habe die Botschaft der Menschen bei der Europawahl verstanden - und wolle sich deswegen noch stärker als bisher an der Gestaltung der Zukunft orientieren.

Klimaschutz, Digitalisierung, Technologie, Innovation, Zukunft der Mobilität, Wohlstand und gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sind ihre Schlagworte, die sie nach der zweitägigen Klausur des CDU-Vorstands verkündet. Doch ob das in der aktuellen Lage reicht? Vieles ist dabei mittel- und langfristig angesetzt - schnelle Antworten sind bei den meisten Themen auch kaum möglich.

Auch in der CDU-Spitze fürchten sich viele vor einer raschen Neuwahl, falls die SPD von der Stange geht. Weder inhaltlich noch personell sei man schon breit genug für einen Wahlkampf aufgestellt, heißt es im CDU-Vorstand hinter vorgehaltener Hand schon länger. In der CDU geht die Angst um, dass die Grünen sie nicht nur in Umfragen, sondern auch bei einer raschen vorgezogenen Neuwahl überholen könnten.

Bei der kleinen Schwesterpartei CSU werden derweil vor allem inoffiziell Stimmen laut, die größte Zweifel an der Zukunft der GroKo haben - viele Christsoziale gehen fest davon aus, dass die Koalition platzt. Zwar sagt Parteichef Markus Söder nach einem Auftritt bei der Konferenz der Unions-Fraktionschefs von CDU und CSU in Weimar, die CSU wolle eine gute, starke Regierung. Aber eine große Koalition sei eben auch kein Selbstzweck, sondern müsse „eine inhaltliche Erzählung“ bereithalten. „Das Motiv darf eben nicht sein: Man regiert, weil man Angst hat, sich dem Wähler zu stellen.“ Die große Koalition dürfe nicht nur das Projekt sein: „Warten bis 2021“.

Auf die Frage, ob die Koalition den Jahreswechsel erleben werde, hatte Söder am Sonntag im ZDF lediglich gesagt: „Schau mer mal - ich hoffe es.“ Angst vor Neuwahlen hat man in der CSU nicht. Und: Die Parteispitze steht geschlossen zu Kramp-Karrenbauer, geht fest davon aus, dass sie auch die nächste Kanzlerkandidatin sein wird - die Frage ist eben nur, wann. Und da gibt es in der CSU durchaus Stimmen, die im Zweifel lieber ein schnelles Ende der GroKo hätten statt ein langsames. „Eine lange Phase des Siechtums schadet uns allen“, warnt ein CSU-Mann.

AKK ist derweil in der Zwickmühle: Die Diskussion über ihre Führungsqualitäten - kann sie Kanzlerin? - droht ihr umso stärker zu entgleiten, je länger sie hinter Merkel im Wartestand ist. Was, wenn die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen für die CDU im Desaster enden und die AfD tatsächlich stärkste Kraft etwa in Sachsen wird? Das dürfte auch Kramp-Karrenbauer angekreidet werden, auch wenn sie immer wieder betont, die Verantwortung für die Wahlkämpfe liege da wie üblich bei den Landesverbänden.

Eine Kostprobe der internen Attacken, mit denen sich AKK herumschlagen muss, liefert erneut die ultrakonservative WerteUnion. Deren Chef Alexander Mitsch verlangt angesichts des Nahles-Rückzugs einen kompletten Austausch auch der CDU-Spitze. Die CDU müsse jetzt „auf die Kompetenz von Friedrich Merz setzen, der unser Land und unsere Partei als Team-Captain aus der Misere der großen Koalition führen kann“, sagt er der Funke-Mediengruppe am Wochenende.

Fast zum Ende ihrer Pressekonferenz wird Kramp-Karrenbauer am Montag dann noch gefragt, wie bereit sie sich fühle, auch als Kanzlerkandidatin Merkel zu beerben - vor dem Hintergrund, dass es von der SPD abhänge, ob die Regierung weitergehe oder nicht. Es gebe gute Gründe dafür, „nicht leichtfertig eine Regierung zu beenden“, dreht sie zunächst eine kleine verbale Warteschleife. Die CDU fühle sich der Verlässlichkeit und Stabilität verpflichtet. Etwas schmallippig schiebt sie dann aber doch noch hinterher: „Für alles, was möglicherweise kommt oder nicht kommt, können Sie davon ausgehen, dass die CDU vorbereitet ist.“

Kramp-Karrenbauer wird auch in den nächsten Monaten unter besonderer Beobachtung stehen. Die zentrale Frage, die auch einiges über ihre Führungsqualitäten sagen wird: Behält sie die Nerven?