Neue Dimension für Europa

Die Europäer bieten eine multinationale Schutztruppe für die Ukraine an. Jetzt stehen sie in der Verantwortung.

Von Eidos Import

Im Ringen um einen Frieden in der Ukraine gibt es ein neues Schlagwort: die multinationale Schutztruppe. Was sich genau dahinter verbirgt, weiß derzeit niemand so ganz genau. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Diskussion darüber mächtig Fahrt aufnehmen wird, ist allerdings groß.

Multinational, das klingt nach einem großen Zusammenschluss, nach einheitlichem Vorgehen. Letztlich werden allerdings jene, die den Vorschlag eingebracht haben, also westeuropäische Nato-Länder, ihre Soldaten für diese Mission zur Verfügung stellen müssen. Im internationalen Gefüge der UN-Truppen kommen die mit Abstand meisten Blauhelme aus Bangladesch, Indien oder Pakistan und sind überwiegend bei Missionen in Afrika im Einsatz.

Ob sich Soldaten aus diesen Regionen auch im eisigen ukrainischen Winter und gegen eine kampferprobte russische Armee Respekt erstreiten können, ist überaus fraglich. Wenn Deutschland, Frankreich, Finnland oder die Niederlande von multinational reden, müssen sie also sich selbst in die Pflicht nehmen. Das ist schon eine vielerorts hohe innerstaatliche Hürde, die da übersprungen werden muss. Aber es ist bei Weitem nicht die höchste.

Das Ringen der Europäer unter gütiger Teilhabe von Donald Trumps Schwiegersohn und seinem altem Golfkumpel aus der Immobilienbranche hat einmal mehr gezeigt, wie sehr Europa in der Ukraine-Frage auf andere angewiesen ist – beziehungsweise wie schwach die eigene Position derzeit ist.

Ohne die USA, ohne deren Führung bei der Überwachung eines möglichen Waffenstillstandes, ist in der Ukraine keine dauerhafte Ruhe möglich, geschweige denn ein Frieden. Das wissen alle Beteiligten. Um die technischen Fähigkeiten der Amerikaner an Bord zu behalten und weiter einzubinden, gibt es nun also den Vorschlag, dass Europa die Truppe anführt, die unter dem Stichwort multinational auftreten soll.

Dabei ist es nicht die EU, die da in Berlin zu einem Kompromiss zusammengefunden hat. Es sind gerade einmal zehn der 27 Mitgliedsstaaten, die auch versprechen, den EU-Beitritt der Ukraine nachdrücklich zu unterstützen. Das wird ebenfalls ein hartes Ringen werden. Die Bereitschaft, das in Trümmern liegende Land unter die europäischen Fittiche zu nehmen, ist nicht überall so ausgeprägt wie auf dem Berliner Gipfel. Selbst die dort vertretenen Staats- und Regierungschefs werden in diesem Punkt daheim noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Die höchste aller zu überspringenden Hürden steht aber in Moskau. Da mögen sich Europäer in noch so vielen Gesprächsrunden auf etwas einigen, dem die Ukraine zumindest teilweise zustimmen kann, da mögen die – allerdings stimmungsvolatilen – Amerikaner noch so sehr Einverständnis signalisieren, ein schnelles Njet aus dem Kreml macht alle Überlegungen in Windeseile obsolet. Gründe, aus denen Russland von seinen Maximalforderungen abweichen sollte, sind derzeit nicht zu sehen. Es ist im übrigen kein gutes Zeichen für die europäische Verhandlungsmacht, dass sich Moskau alleine von den USA über das Ergebnis der Beratungen informieren lassen will.

Und trotzdem: Eine folgenlose Fingerübung ist das Berliner Papier nun auch wieder nicht. Der Weg zu einem Frieden ist in viele kleine Trippelschritte unterteilt und birgt viele Rückschläge. Dass immerhin zehn europäische Länder bereit sind, mit Truppen einen Frieden zu schützen, ist eine neue Dimension. Eine Dimension, hinter die Bundeskanzler Friedrich Merz auch dann nicht mehr zurücktreten kann, wenn nun ein vorweihnachtliches Njet aus Moskau die Berliner Träume platzen lässt.