Neue Hoffnung für vom IS verschleppte Krankenschwester

Regierung von Neuseeland hält Entführungsfall sechs Jahre lang geheim – Rotes Kreuz: „Wir haben die Suche nie aufgegeben“

Genf/Wellington /AP/DPA/AFP - Mit brüchiger Stimme trägt Dominik Stillhart, Einsatzleiter beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), seine knapp drei Minuten lange Botschaft in Genf vor. Er spricht über den längsten Entführungsfall, den die Organisation in ihrer 156-jährigen Geschichte bisher erlebt hat. Über das Schicksal von Krankenschwester Louisa A. und ihren beiden Fahrern, die vor sechs Jahren von der Terrormiliz IS verschleppt wurden.

Die Suche nach den dreien habe das Rote Kreuz „nie aufgegeben“, sagt Stillhart in der Videobotschaft. Und mittlerweile gibt es tatsächlich die Hoffnung, dass die Verschleppten noch leben. Das legen neue ­Augenzeugenberichte nahe. Die neusee­ländische Regierung bestätigte inzwischen zudem, den Fall zum Schutz der heute 62-jährigen Louisa A. unter Verschluss gehalten zu haben, und verweigerte weitere Kommentare.

Mit dem Zusammenbruch der Herrschaft der Terrormiliz Islamischer Staat ist die Hoffnung des Roten Kreuzes gewachsen, die Frau und ihre beiden syrischen Fahrer, die mit ihr entführt worden waren, wiederzufinden. Die „New York Times“ berichtete zuerst über den Fall und hob damit eine Nachrichtensperre der Regierung von Wellington und der Hilfsorganisation auf.

Laut Einsatzleiter Dominik Stillhart wurde Louisa A. im Dezember von mindestens zwei Personen in einer Klinik in dem Dorf Sussa gesehen, einem der letzten IS-Außenposten. Auch 2016 und 2017 habe es Berichte gegeben, wonach sie gesehen worden sei, sagt Stillhart.

„Wir arbeiten weiter mit dem Roten Kreuz zusammen, um sie ausfindig zu machen und zu retten“, teilt der neuseeländische Außenminister Winston Peters mit. Es handele sich um einen einmalig komplizierten Fall. Im Zuge der Bemühungen, die Krankenschwester zu finden, sei ein Team mit Elitesoldaten in den Irak entsandt worden. Mitglieder des Teams seien wiederholt nach Syrien gereist, um A. ausfindig zu machen und nach ­Möglichkeiten zu suchen, sie zu befreien, sagt ­Peters. „Nachdem der IS seine letzten Gebiete verloren hat, waren wir der ­Meinung, dass es jetzt an der Zeit ist, sich zu äußern“, sagt Stillhart.

Ministerpräsidentin Jacinda Ardern deutet unterdessen ihre Enttäuschung darüber an, dass das Rote Kreuz mit dem Fall an die Öffentlichkeit ging. Ihr Außenminister Peters bekräftigte indes, wenn ein Neuseeländer von einer Terrorgruppe gefangen genommen werde, unternehme die Regierung alles zur Rettung der Person. „Das ist genau das, was wir hier getan haben.“

Die Regierung in Wellington glaubte während der vergangenen sechs Jahre offenbar nicht durchgängig, dass A. noch am Leben sei. Auch gab es Vermutungen, sie könnte als menschliches Schutzschild missbraucht worden sein. Zugleich gab es immer die Hoffnung, die Krankenschwester und Hebamme sei möglicherweise wegen ihrer medizinischen Fähigkeiten verschont worden.

Da der IS seine letzten Gebiete verloren habe, sei es nun an der Zeit, den Fall öffentlich zu machen, sagt Stillhart. Für die Hilfsorganisation ergebe sich die Chance, mehr über die Situation der Krankenschwester zu erfahren. Außerdem sei die Gefahr hoch, durch das Chaos vor Ort nun die Spuren zu A. zu verlieren. Ein Sprecher der Familie teilt mit, sie sei stolz auf die Arbeit der Frau.

A. war 2013 in der Stadt Idlib im Nordwesten Syriens gefangen genommen worden. Es soll eine Lösegeldforderung gegeben haben. Verhandlungen in den Jahren 2013 und 2014 waren nach Angaben des Roten Kreuzes nicht erfolgreich.