Neue Schutzstreifen für Radfahrer

Backnang investiert in diesem Jahr 125000 Euro in die Infrastruktur – Machbarkeitsstudie für Radschnellweg nach Waiblingen

Dass es beim Radverkehr in Backnang Nachholbedarf gibt, hat man im Rathaus erkannt. 145 Verbesserungsvorschläge hat ein von der Stadt beauftragtes Planungsbüro vor zwei Jahren in einem Radinfrastrukturkonzept zusammengetragen. Bei der Umsetzung geht es bisher allerdings schleppend voran. Das soll sich in diesem Jahr ändern, verspricht Stadtplaner Tobias Großmann.

Neue Schutzstreifen für Radfahrer

Mehr Sicherheit für Radfahrer in der Sulzbacher Straße: Jürgen Ehrmann vom ADFC freut sich über den neu markierten Schutzstreifen. Dank des Sicherheitsabstands zu den Parkplätzen müssen Radfahrer hier nicht mehr befürchten, von einer Autotür getroffen zu werden. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Im Herbst 2018 hatte der Gemeinderat ein 55000 Euro teures Paket mit Sofortmaßnahmen für den Radverkehr verabschiedet. Die sollten eigentlich bis Frühjahr 2019 erledigt sein. Tatsächlich hat die Umsetzung allerdings deutlich länger gedauert und ist noch immer nicht abgeschlossen. So wartet die Stadt noch auf die Lieferung von zwei Radabstellanlagen, die in der Schillerstraße und am Obstmarkt aufgestellt werden sollen. Auch die 40 abschließbaren Fahrradboxen für den Bahnhofsbereich sind noch nicht da. Immerhin wurden an einigen Stellen in der Stadt Schilder aufgestellt und Radwege neu markiert.

Dass das noch nicht der große Wurf ist, räumt Tobias Großmann ein, in diesem Jahr werde aber deutlich mehr passieren, verspricht der Leiter des Stadtplanungsamts. Die noch offenen Punkte aus dem ersten Paket sollen in den nächsten Wochen zügig abgearbeitet werden. In Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) will die Stadt außerdem drei Servicesäulen für Radfahrer im Stadtgebiet installieren: An der Bleichwiese, am Bahnhof und in Maubach stehen den Radlern künftig Luftpumpen und Werkzeug für kleinere Reparaturen zur Verfügung.

Nicht alle Probleme lassen sich mit Pinsel und Farbtopf lösen

Im Haushalt für 2020 sind weitere 125000 Euro für den Radverkehr eingeplant: „Jetzt kommen die größeren Maßnahmen dran“, erklärt Großmann. So sollen an zwei viel befahrenen Straßen neue Radschutzstreifen (siehe Infobox) markiert werden, nämlich in der Talstraße beidseitig sowie bergauf in der Annonay- und Eugen-Adolff-Straße. Die letztgenannte Maßnahme ist Teil des Luftreinhalteplans und war eigentlich auch schon 2019 geplant. Die neuen Schutzstreifen in der Talstraße bezeichnet Großmann als „wichtigen Lückenschluss“. Künftig könnten Radfahrer vom Freibad bis in die Etzwiesen auf sicheren Wegen fahren. Dass viele Radfahrer lieber einen separaten Radweg hätten, wissen die Planer. Trotzdem hält der städtische Fahrradbeauftragte Volker Knödler die Schutzstreifen nicht für eine Notlösung: „Das ist die Lösung, die wir in Backnang machen können.“ Mehr sei wegen der Straßenbreite nicht möglich.

Allerdings gibt es in Backnang auch Probleme, die sich mit Pinsel und Farbtopf allein nicht lösen lassen. Zum Beispiel in der Maubacher Straße. Für Schüler, die aus Richtung Maubach kommen, gibt es dort keinen durchgehenden Radweg bis zu den Schulen, weil dafür der Platz fehlt. „Das ist nur mit baulichen Veränderungen möglich“, erklärt Tobias Großmann. Um Platz für die Radfahrer zu schaffen, müsste die Fahrbahn verengt und der Grünstreifen entfernt werden. „Wir wollen dem Gemeinderat dazu zwei Varianten vorstellen“, kündigt der Amtsleiter an. Ganz billig wird es aber in keinem Fall, weshalb der Umbau sicher nicht vor 2021 beginnen wird.

Noch teurer wäre ein fahrradgerechter Umbau der Kreuzung am Adenauerplatz. Als sie Ende der 1980er-Jahren gebaut wurde, verschwendeten die Planer offenbar keinen Gedanken an den Radverkehr. Um den zentralen Knotenpunkt für Zweiradfahrer attraktiv und sicher zu machen, müsste man den kompletten Kreuzungsbereich neu ordnen. „Das müssen wir anpacken“, findet Volker Knödler. Er weiß allerdings auch, dass ein solches Großprojekt sicher nicht von heute auf morgen realisiert wird.

ADFC fordert mehr Geldund mehr Personal

Die Backnanger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) begrüßt die Bemühungen der Stadt, dem Vorsitzenden Jürgen Ehrmann geht der Ausbau der Radinfrastruktur aber nicht schnell genug. „Es bewegt sich sehr langsam“, sagt Ehrmann, was in seinen Augen nicht am fehlenden Willen, sondern an den knappen Kapazitäten bei der Stadtverwaltung liegt. Der ADFC fordert, dass die Stadt mehr Geld und Personal für den Ausbau des Radverkehrs zur Verfügung stellt: „Wir wünschen uns ein bisschen mehr von dem Mut, den andere Kommunen bei diesem Thema zeigen“, sagt Ehrmann. 250000 Euro in den nächsten zwei Jahren sind in seinen Augen viel zu wenig, um den großen Nachholbedarf aufzuholen.

Begrüßen würde der ADFC auch eine Radschnellverbindung von Backnang über Winnenden nach Waiblingen. Bund und Land fördern den Bau solcher kreuzungsfreien „Fahrrad-Autobahnen“, um das Zweirad auch als Verkehrsmittel für Berufspendler attraktiver zu machen. Im Remstal gibt es bereits konkrete Pläne für eine Schnellverbindung zwischen Schorndorf und Fellbach (wir berichteten), für eine mögliche zweite Strecke von Backnang nach Waiblingen hat das Verkehrsministerium nun immerhin eine Machbarkeitsstudie in Aussicht gestellt. Dabei wird unter anderem geprüft, wie viele Radfahrer auf dieser Route unterwegs sind. Damit eine Schnellverbindung gefördert wird, müssten es pro Tag mindestens 2000 sein.

Info
Radweg, Radfahrstreifen, Schutzstreifen

Radwege sind baulich von der Fahrbahn abgetrennt, etwa durch einen Grünstreifen, Parkflächen oder einen Bordstein. Die Mindestbreite eines Radwegs beträgt 1,50 Meter, in der Regel sind sie allerdings mindestens zwei Meter breit.

Radfahrstreifen sind durch eine durchgezogene Linie abgetrennt. Autofahrer dürfen auf einem Radfahrstreifen weder fahren noch halten. Radfahrstreifen haben eine Mindestbreite von 1,50 Metern, empfohlen sind mindestens 1,85 Meter.

Schutzstreifen sind durch eine gestrichelte Linie abgetrennt und gelten offiziell als Teil der Fahrbahn. Laut Straßenverkehrsordnung dürfen sie von Autofahrern „bei Bedarf“ mitbenutzt werden, etwa um einem entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen – allerdings nur, wenn sie dadurch keine Radfahrer gefährden. Schutzstreifen müssen mindestens 1,25 Meter breit sein, empfohlen sind 1,50 Meter.

Sicherheit: Obwohl sich viele Radfahrer auf einem baulich abgetrennten Radweg am sichersten fühlen, haben verschiedene Studien gezeigt, dass auf der Straße markierte Radfahrstreifen deutlich sicherer sind. Da Autofahrer Fahrräder auf abgetrennten Wegen oft nicht wahrnehmen, kommt es häufiger zu Unfällen im Bereich von Einmündungen und Ausfahrten.