Neue Wege in der Einwohnerbeteiligung

Die Gemeinde Oppenweiler testet ein Tool zur E-Partizipation. Entwickelt wurde dieses von dem Backnanger Start-up-Unternehmen Social Synergy. Die Betreiber wollen Kommunalpolitik für Bürger greifbarer machen.

Neue Wege in der Einwohnerbeteiligung

Momentan befindet sich das Tool zur digitalen Bürgerbeteiligung noch in der Testphase, bald sollen die Einwohner Oppenweilers sich jedoch über lokale Themen austauschen. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG/OPPENWEILER. „Das Leben wird digitaler, die Politik nicht“, diese Beobachtung haben Julian Hofer, Felix Papsdorf und Co. zum Anlass genommen, für Abhilfe zu schaffen. Angefangen habe es vor etwa vier Jahren, als sie die Partei duhastdiewahl.org ins Leben riefen, welche ihr Programm durch Abstimmungen auf einer Online-Plattform generiert. Mit diesem Programm kandidierten die Backnanger auch für den Gemeinderat. „Auf dem Weg dorthin haben wir gemerkt, wie viel Potenzial diese Idee hat“, erklärt Entwickler Felix Papsdorf. Vor etwa drei Jahren haben die jungen Männer deshalb das Unternehmen Social Synergy gegründet und mit der Plattform zur E-Partizipation begonnen. Über diese soll es Bürgern einer Gemeinde oder auch Mitgliedern eines Vereins oder einer Organisation ermöglicht werden, sich online in die Entscheidungsfindung einzubringen und neue Projekte und Diskussionen anzustoßen. Meinungsbilder und Umfragen lassen sich darauf abbilden, Teilnehmer können Themen aufs Tableau bringen, die Verwaltung kann sie als Kommunikationskanal nutzen und Nutzer können miteinander diskutieren.

Das Social-Synergy-Team besteht zum Teil aus Wirtschaftsinformatikern, manche der Mitarbeiter sind aber auch im Vertrieb oder Bankwesen tätig. „Jeder investiert seine Freizeit“, erklärt Felix Papsdorf. Es gebe daher auch keine Hierarchien im Team. Das Unternehmen arbeite nicht profitorientiert, allerdings sollen die Mitarbeiter doch entlohnt werden. Nicht profitorientierten Organisationen und Vereinen will das Unternehmen die Plattform umsonst zur Verfügung stellen, für Kommunen sind etwa 10 Cent pro Einwohner veranschlagt. Die Gemeinde Oppenweiler, die im Juni als erste Kommune beschlossen hat, das Tool zur E-Partizipation zu nutzen, zahlt beispielsweise 300 Euro im Monat. Auch in anderen Kommunen in der Region habe man positive Resonanz erfahren, erzählen die Macher. „Es gibt hier einige Bürgermeister, die das Thema Digitalisierung angehen wollen“, berichtet der technische Leiter Julian Hofer. Die Coronapandemie habe die Verantwortlichen sogar noch einmal zusätzlich sensibilisiert, „aber gerade fehlen Zeit und Nerven dafür“, stellt Papsdorf durchaus verständnisvoll fest.

Wie die Plattform genutzt werden kann, entscheidet die Gemeinde.

Kleine bis mittlere Kommunen sind die Zielgruppe von Social Synergy. Auf bundesweiter Ebene verliere solch eine Plattform die persönliche Verbindlichkeit und bekomme auch schnell einen „unerwünschten Drall“, wenn sie von einer politischen Richtung vereinnahmt wird, erklärt Papsdorf. „Wir wollten deshalb dort ansetzen, wo die Parteien nicht mehr so wichtig sind, sondern eher konkrete Anliegen“, sagt der 26-Jährige. In den Kommunen der Region sind die Gegebenheiten dafür ideal: Die Bürger kennen sich oft schon. Die Plattform bildet insofern das ab, was beispielsweise auch in einer Gemeinderatssitzung besprochen werden könnte.

Zu dieser wollen die Macher von Social Synergy gar nicht in Konkurrenz treten. Sie sehen ihre Plattform vielmehr als Ergänzung, erklärt Hofer. Denn vor allem die jüngeren Einwohner nehmen kaum an den Gremiumssitzungen teil. Und ein Gemeindeblatt etwa funktioniere nur in eine Richtung. Die jungen Unternehmer kennen die Ängste, die viele Gemeinderäte angesichts der Nutzung der Plattform haben. „Was ist, wenn eine große Mehrheit etwas beschließt, was wir beispielsweise finanziell gar nicht umsetzen können?“, seien sie schon gefragt worden. Hier bieten sich der Kommune diverse Konfigurationsmöglichkeiten, erklären die Macher. Was wird zur Abstimmung zugelassen? Was ist nur eine Ideensammlung? Das könne die Verwaltung entscheiden. „Viele kennen Online-Diskussionen aus Facebook, wo es Bots und Hetze gibt“, weiß Julian Hofer. Das könne bei Social Synergy vermieden werden, indem sich Nutzer verifizieren und ihren Klarnamen verwenden. Wie genau das umgesetzt wird, müsse allerdings noch mit der jeweiligen Gemeinde besprochen werden. „Es ist ein initialer Aufwand, wenn jeder Nutzer sich beispielsweise auf dem Bürgeramt erst registrieren muss“, erklärt Papsdorf.

Die Coronapandemie hat den Beginn der Testphase verzögert.

Von ihrer Pilotgemeinde Oppenweiler sind er und sein Team begeistert. „Zum Glück ist die Gemeinde sehr aufgeschlossen“, freuen sie sich. Auch seien die im Gemeinderat vorgebrachten Kritikpunkte nachvollziehbar und für die weitere Entwicklung wertvoll – etwa die Frage nach der Sicherheit der Plattform oder der Themenauswahl. Denn das Feedback der späteren Nutzer bringe die Qualität der Plattform voran. Für sie müsse die Nutzung einfach sein, sonst setze schnell eine Frustration ein. Im Vorfeld haben deshalb auch Familie und Freunde für Testzwecke herhalten müssen, erzählen Hofer und Papsdorf schmunzelnd. In Oppenweiler wurde der Beginn der Testphase allerdings durch die Coronapandemie verzögert. Die Verwaltung würde nämlich gerne mit einer Präsenzveranstaltung starten – und das ist momentan nun mal schwierig.

Die Macher von Social Synergy haben derweil schon Pläne für die Zukunft: Wenn andere Kommunen die Plattform auch nutzten, überlegen sie, könnten auch interkommunale Projekte darauf abgebildet werden. „So ein Synergieeffekt wäre für uns ein großer Erfolg“, sagt Papsdorf. Dann würde der Name des Unternehmens so richtig Anwendung finden. Auch könnten die Kommunen voneinander lernen, denn oftmals ähneln sich ihre Probleme. Und wenn die Community erst einmal größer ist, könnten angemeldete Personen die Plattform mit dem Social-Synergy-Team weiterentwickeln.

Neue Wege in der Einwohnerbeteiligung

Das Team von Social Synergy, Silvan Vollmer, Samuel Schober, Adrian Fahrbach, Felix Papsdorf, Julian Hofer, Marco Dell’Oso (von links), arbeitet kontinuierlich daran, die Plattform an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen. Foto: privat