Neuer Anlauf der CDU-Frauen beim Landtagswahlrecht

dpa/lsw Stuttgart. Im Landtag sitzen viel zu wenig Frauen - an dem Problem wäre die grün-schwarze Koalition schon fast zerbrochen. Die geplante Reform des Wahlrechts wurde vor eineinhalb Jahren begraben. Damit will sich die Frauen Union nicht zufrieden geben.

Neuer Anlauf der CDU-Frauen beim Landtagswahlrecht

Das Plenum des baden-württembergischen Landtags. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

Die Frauen Union (FU) unternimmt einen neuen Vorstoß für eine Reform des Landtagswahlrechts - dafür erntet sie Unterstützung von Frauen-Organisationen von SPD, FDP und Grünen, stößt aber innerhalb der eigenen Partei auf Zurückhaltung. „Das Thema wird nicht weggehen, solange es nicht gelöst ist“, sagt die FU-Vorsitzende Susanne Wetterich. „Die CDU wird sich dazu verhalten müssen.“ Man wolle innerhalb der Partei für eine Reform werben. Die Frauen Union plädiert dabei für ein Zweistimmen-Wahlrecht mit Landeslisten. Vor kurzem fasste der Landesvorstand bei der Klausurtagung einen entsprechenden Beschluss.

Der Frauenanteil im Landtag liegt bei 25,9 Prozent. Um mehr Frauen ins Parlament zu bringen, hatten Grüne und CDU eine Reform des Wahlrechts im Koalitionsvertrag vereinbart. Über eine Liste hätten die Parteien Frauen auf aussichtsreiche Plätze setzen können. Eine Reform scheiterte aber vor allem am Widerstand der CDU-Fraktion - sie fürchtete einen schwindenden Einfluss der Parteibasis. Der Streit hatte die Landesregierung in eine ernste Krise gestürzt.

„Wir wollen die Diskussion neu entfachen“, sagt Wetterich. In der CDU stößt ihr Vorstoß auf Zurückhaltung. „Die Frauen-Union Baden-Württemberg ist eine eigenständige Vereinigung in der CDU“, teilte ein Parteisprecher mit. „Es ist es daher ihr gutes Recht, eigene Beschlüsse zu fassen und dafür zu werben.“ Man gehe davon aus, dass das in der laufenden Legislaturperiode kein Thema mehr sei, sagt ein Fraktionssprecher. „An unserem Standpunkt und an unseren Argumenten hat sich seitdem nichts geändert, da in der Koalition beschlossen wurde, dass das in dieser Legislatur vom Tisch ist.“

Susanne Eisenmann, die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, nannte in einem Interview mit der „Ludwigsburger Kreiszeitung“ vor wenigen Tagen ein Zwei-Stimmen- Wahlrecht zwar „ein durchaus mögliches Vorgehen, um auch über eine Liste Gestaltungsmöglichkeiten zu haben“. Sie glaube aber, dass der Frauenanteil im Parlament nur bedingt über Strukturfragen gelöst werden könne.

„Ich habe nicht erwartet, dass sie das mit fliegenden Fahnen und großen Beifallsstürmen bedenken“, sagt Wetterich zur Reaktion in ihrer Partei. „Wir wissen, dass das für uns kein Spaziergang wird.“ Die CDU müsse das Thema aber angehen - wenn auch nicht mehr in dieser Legislaturperiode.

Durch die Partei geht in der Frage ein Riss. Widerstand kommt nicht nur von männlichen Christdemokraten. Die Frauen Union hätte die Chance gehabt, mit Inhalten zu punkten, nicht immer durch Gekeife und Gegifte, beklagt ein führendes weibliches CDU-Mitglied, dass nicht genannt werden will. Sie kritisiert eine „Altweiberpolitik“, von der sich viele Frauen in der CDU nicht mehr repräsentiert fühlten. „Ich will keine Quotenfrau sein.“

Frauen-Organisationen anderer Parteien unterstützen hingegen Wetterichs Vorstoß. Andrea Schiele, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) der SPD Baden-Württemberg, fordert eine öffentliche Diskussion, damit eine Reform Fahrt aufnehmen kann. Ein Listenwahlrecht könne dabei nur ein Teilschritt sein, da es bei den Nominierungsverfahren der Parteien an seine Grenzen stoße. „Wir fordern daher ein Parité-Gesetz, welches für alle Parteien verbindlich einen Frauenanteil auf den Listen zu gleichen Teilen und abwechselnd gereiht festlegt.“

„Frauen müssen in den Parlamenten stark repräsentiert sein“, sagt auch die stellvertretende Landesvorsitzende der Liberalen Frauen Baden-Württemberg, Elke Metzler. Man stehe dem Vorstoß offen gegenüber. „Leider ist es gerade die starrsinnige und gesprächsunwillige CDU-Fraktion, die jegliche Reformvorschläge blockiert.“ Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Frauenpolitik der Grünen findet Wetterichs Initiative gut. „Wir stellen uns für Baden-Württemberg ein Zweistimmenwahlrecht analog zum Bundeswahlrecht vor“, sagten die Sprecherinnen Carmen Kremer und Susanne Häcker. Auch befürworte man ein Parité-Gesetz.

Als erstes Bundesland hatte Brandenburg Anfang 2019 ein solches Gesetz beschlossen, nach dem Parteien für die Landtagswahl gleich viele Frauen und Männer als Kandidaten aufstellen müssen.

Die CDU-Politikerin Katrin Schütz reagiert hingegen skeptisch. Schütz war von 2014 bis 2016 Generalsekretärin der Südwest-CDU und kümmerte sich um das Projekt „Frauen im Fokus“, mit dem Frauen in der CDU gefördert werden sollten. Heute ist sie Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Man hätte ein Zweistimmen-Wahlrecht früher angehen müssen - und zwar gemeinsam mit der Fraktion und im Gespräch mit den Abgeordneten. Nach der EU-Wahl im Mai hätte man noch was bewegen können. „Jetzt ist der Zug abgefahren.“ Bald würden schon die Kandidaten nominiert für die Landtagswahl 2021. Man müsse sich nun dafür einsetzen, dass sich viele Frauen aus der Deckung trauen und sich aufstellen lassen, um Wahlkreise zu gewinnen. „Wir müssen unsere Frauen sichtbarer machen.“