Neuer Verdi-Chef Werneke kündigt harte Gangart an

dpa Leipzig. Der neue Verdi-Chef Werneke sieht Deutschland in Schieflage - und legt der Politik einen großen Forderungskatalog vor. Vom scheidenden Gewerkschaftschef bekommt er ein besonderes Geschenk mit auf den Weg.

Neuer Verdi-Chef Werneke kündigt harte Gangart an

Frank Werneke (r.), neuer Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, mit seinem Vorgänger Frank Bsirske. Foto: Hendrik Schmidt

Der neue Verdi-Chef Frank Werneke ist mit einem eindringlichen Aufruf für höhere Löhne, sichere Renten und Umverteilung in sein Spitzenamt gestartet.

„Verdi ist die politische Gewerkschaft in Deutschland“, sagte Werneke am Mittwoch vor rund 1000 Delegierten des Verdi-Bundeskongresses in Leipzig. Dies solle so bleiben. Werneke war zuvor am Dienstag zum Nachfolger des Langzeitvorsitzenden Frank Bsirske gewählt worden, der nun mit minutenlangem Applaus offiziell verabschiedet wurde.

Bsirske sagte: „Ich bin über viele Jahre das Gesicht von Verdi gewesen, das stimmt.“ Doch nun gehe es weiter. Der 67-Jährige überreichte dem 15 Jahre jüngeren Werneke symbolisch einen Kugelschreiber - nämlich jenen, mit dem er 2001 die Gründungsdokumente von Verdi unterschrieben habe. Verdi entstand damals aus fünf Einzelgewerkschaften.

Werneke machte deutlich, dass er als „leidenschaftlicher Tarifverhandler“ lieber auf eigene Durchsetzungskraft statt auf die Politik vertraue. So habe Verdi mit seinen 1,97 Millionen Mitgliedern mehr als 22.600 Tarifverträge ausgehandelt und eine erfolgreiche „Streikkultur“ entwickelt. Auch für künftige Tarifrunden kündigte er sichtbare Kampagnen an. Im kommenden Jahr will er die Verhandlungen für den öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen führen.

Heute bröckele das Tarifsystem teils stark, neun Millionen Menschen arbeiteten für einen Niedriglohn und Deutschland sei „eine Steueroase für Vermögende und Reiche“. Zum Schwerpunkt seiner Amtszeit wolle er einen „Aufbruch“ für mehr Tarifverträge machen, kündigte der für vier Jahre gewählte Werneke an. Um dies zu erreichen, sei auch die Regierung gefordert, etwa durch bessere Möglichkeiten, Tarifverträge für allgemeinverbindlich in einer Branche zu erklären.

Werneke forderte, Hartz IV zu überwinden - etwa durch höhere Sätze und die Abschaffung von Sanktionen gegen nicht kooperative Empfänger. Er verlangte höheren Schutz vor Kündigungen in Zeiten technologischen Wandels - durch die Möglichkeit von deutlichen Arbeitszeitverkürzungen in bedrohten Bereichen. Gegen Altersarmut müsse die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene Grundrente kommen - und ein höheres Rentenniveau.

Nötig sei ein gesetzlicher Mindestlohn von „erst einmal 12 Euro“ - „und dann weiter ansteigend“, sagte Werneke. Eine Erhöhung müsse noch in der laufenden Legislaturperiode kommen. Bisher ist geplant, dass der Mindestlohn zum 1. Januar 2020 von derzeit 9,19 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde steigt.

Mit der Bundesregierung ging Werneke teils hart ins Gericht. So sei das vergangene Woche beschlossene Klimapaket „eine klare Enttäuschung“. Im Schulterschluss mit Klimaschützern bemängelte das SPD-Mitglied, dass der neue CO2-Preis, der Erdgas, Heizöl, Kohle, Diesel und Benzin verteuern soll, bei nur 10 Euro pro Tonne Kohlendioxid starten soll.

Anstatt sich von Elektromobilität alleine eine ökologische Verkehrswende zu erhoffen und „dieses Land mit Stromladesäulen vollzupflastern“, seien höhere Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr nötig. Werneke kündigte an, Verdi werde die Fridays-for-Future-Bewegung weiter unterstützen.