Nicht alles machen sie mit links

Gespräche mit Handballer Philipp Maurer, Bildhauer Gregor Oehmann und Musiker Micha Schad zum Weltlinkshändertag

Nicht alles machen sie mit links

Thommy Weiss/pixelio.de

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Sie tragen ihre Armbanduhr vielleicht rechts wie Jogi Löw, halten die Gitarre wie Jimi Hendrix oder unterschreiben mit links wie Barack Obama: Linkshänder fallen, schaut man genau hin, in der Regel durch kleine Details auf. Laut einiger Statistiken stellen sie eine Minderheit von rund zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung dar – genaue Zahlen gibt es nicht. Heute ist ihr Tag. Der Weltlinkshändertag.

Wenngleich beispielsweise Alltagshelfer wie Scheren gewöhnlich für Rechtshänder gemacht sind und die Linkshänder meist auf spezielle Produkte zurückgreifen, sind Linkshänder doch in einigen Bereichen klar im Vorteil. „Spätestens seit dem Spiel England – Argentinien bei der Weltmeisterschaft 1986, in dem Diego Maradona das wohl bekannteste Tor der Fußballgeschichte erzielte, erfährt die linke Hand Beachtung. Die linke Hand, die dieses Tor erzielt hat, ging in die Geschichte ein als ,die Hand Gottes‘ – ,la mano de dios‘“, heißt es etwa in einem Artikel im deutschen Ärzteblatt. Okay, dass Maradona seine Hand zu Hilfe nahm, um ein nicht den Regeln entsprechendes Tor zu erzielen, steht auf einem anderen Blatt.

Jedenfalls ist unbestritten: In vielen Sportarten haben Linkshänder einen Vorsprung. Zum Beispiel im Handball. Hier sind sie insbesondere für die Position Rechtsaußen gefragt. So wie Philipp Maurer vom HCOB. „Wenn man schon einen Linkshänder hat, der auch was kann, dann lässt man ihn nicht auf der Bank sitzen“, sagte einmal ein Trainer zu ihm. 2013 kam der Sindelfinger zu den Handballern nach Oppenweiler und wird dort auch wegen seiner linken dominanten Wurfhand hochgeschätzt.

Beste Voraussetzungen für die Position Rechtsaußen

Der mittlerweile 30-Jährige ist in einer Familie mit mehreren Linkshändern aufgewachsen. „Mein Vater und meine Schwester waren Linkshänder“, sagt er. „Das Thema hat aber nie groß eine Rolle gespielt.“ Mit sechs Jahren kam Maurer zum ersten Mal mit Vereinssport in Berührung. „Ich habe mit Judo angefangen.“ Später kam er durch einen Freund zum Handball. „In der kompletten Jugend war ich der einzige Linkshänder.“ Die für Rechtshänder unbeliebten Positionen Rechtsaußen oder Halbrechts wurden sein Ding. Dafür ist er prädestiniert. Interessant findet er, dass man im Jugendtraining auf seine linke Wurfhand setzte, „aber alles andere hat man mir rechts beigebracht.“

Der aus Bayern stammende und schon viele Jahre in Backnang lebende Bildhauer und Puppenspieler Gregor Oehmann (Jahrgang 1964) gehört dagegen zu denjenigen, die auf rechts umtrainiert wurden. Dass er Linkshänder ist, fiel auf, als er die linke Hälfte eines Baumes mit der linken und die rechte Hälfte mit der rechten Hand malte. Das war noch vor seiner Schulzeit. In der Schule hieß es dann, es sei schlecht, mit links zu schreiben. „Weil man alles verwischt und eine schlechte Haltung hat. So wurde ich auf rechts trainiert.“ Die Folge war „eine furchtbare Sauklaue“. „Wie wär’s damit, einmal an der Schrift zu arbeiten?“, griff einer seiner Lehrer pädagogisch ein. Allerdings mit wenig Erfolg.

Bis heute schreibt Oehmann wie die Mehrheit der Menschen, „außer, wenn ich die Hand nicht frei habe, zum Beispiel beim Telefonieren“. „Spiegelschrift schreiben ist gut. Das braucht man ja ständig“, scherzt er. Wenn Oehmann zeichnet, fährt er aber zweigleisig: Dann benutzt er mal die rechte, mal die linke Hand. Den Meißel hält er beim Bildhauern mit rechts, mit der linken Hand hämmert er. Zudem sagt er: „Werfen geht gar nicht mit rechts. Und ich bin eher Linksfüßler.“ Im Prinzip macht er sich keine Gedanken mehr über dieses Thema. „Heute ist mir das total wurst.“ Es läuft, wie’s läuft.

In bester Gesellschaft mit Mozart, Kurt Cobain und Paul McCartney

Linkshänder werden schon lange nicht mehr umgeschult. Sie müssen sich auch nicht Worte wie „böse Hand“ anhören oder gar Tatzen einstecken, wie dies manchen älteren Menschen in ihrer Jugend widerfahren ist.

Die Linkshänder unter den Musikern, die sich mit Mozart, Kurt Cobain und Paul McCartney in bester Gesellschaft befinden, gehen verschiedene Wege. Hannes Bauer, Gitarrist von Udo Lindenbergs Panikorchester, der eine Zeit lang in Schorndorf lebte, sprach einmal davon, dass seine Gitarren für ihn als Linkshänder „zurechtgemacht“ sind.

Linkshänder schlagen oder zupfen normalerweise mit der linken Hand und greifen mit der rechten. Nicht so Linkshänder Micha Schad von Wendrsonn. „Ich spiele wie ein Rechtshänder“, sagt der Backnanger. „Das hat gepasst.“ Dass Linkshänder Rechtshändergitarren spielen, wie sie gebaut sind, sei relativ selten. „Aber ich bin froh darüber, so habe ich eine große Auswahl.“ Ohne seine Instrumente (Gitarren, irische Bouzouki und Gitarrenbanjo) verändern zu müssen.

Als Musiklehrer hat Schad schon mal Linkshänder vor sich sitzen, die ihre Gitarre einfach umdrehen und so spielen wollen. „Das geht nicht“, weiß er. In solchen Fällen gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder man entscheidet sich für eine Linkshändergitarre, oder man muss die Rechtshändergitarre entsprechend präparieren. Allein mit dem Umspannen der Saiten (die tiefe E-Saite muss wieder nach oben etc.) ist es aber nicht getan. Denn auch der Steg muss umgedreht werden. „Linkshänderinstrumente“ ist allgemein ein hoch spannendes Thema. Seit 2001 gibt es sogar eigens für Linkshänder konstruierte Klaviere. Der ungarische Pianist Géza Losó gilt als Erfinder des Linkshänderklaviers.