Nicht immer muss es mit Besteck sein

Picknicken ist gemütliches Beisammensein – Bereits in der Antike wurde gemeinsam im Freien gegessen

Schließen Sie die Augen und sagen Sie das Wort vor sich hin: „Picknick“. Und was erscheint vor dem inneren Auge? Läuft schon das Wasser im Munde zusammen, spürt man die warmen Sommerstrahlen und umspielt ein Lächeln die Lippen? Picknick ist nicht nur ein Wort. Man verbindet etwas damit – etwas Schönes, etwas Romantisches, etwas Besonderes.

Nicht immer muss es mit Besteck sein

Gemütlich beisammensitzen und leckere Sachen in der Natur genießen: Mit einem Picknick verbinden die Menschen oft etwas Besonderes. Foto: Adobe Stock/oneinchpunch

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG. Eine sorgsam ausgebreitete Decke unter einem schattigen Baum, appetitlich angerichtete kleine Häppchen, selbstverständlich dürfen Teller und Besteck nicht fehlen. So sieht man es oft, das stilvolle Picknick. Oder stellt es sich zumindest vor.

Bereits in der Antike wurde gemeinsam im Freien gegessen. Die alten Römer nannten diese Mahlzeit „Prandium“, eine Art kaltes Mittagessen. Und dies zieht sich eigentlich bis heute durch, denn die Speisen werden für gewöhnlich kalt genossen. Grillen oder Barbecue sind eher die rustikaleren Verwandten des Picknicks. Vor allem in Großbritannien erfreut sich das Picknick einer langen Tradition. Es heißt, dass Queen Victoria gern an der frischen Luft gespeist habe, sodass dieses Vergnügen schnell Mode wurde, doch auch vorher waren Landpartien recht beliebt. Das spiegelt sich auch in der zeitgenössischen Literatur wider. Man denke nur etwa an Jane Austens „Emma“.

Hier bewirkt ein Picknick, dass sich die Hauptperson endlich einmal mit sich selbst und ihren Ansichten auseinandersetzt und feststellt, dass sie sich eigentlich gar nicht leiden kann und ihre Motive alles andere als uneigennützig und edel sind. Noch heute gehört auf der Insel ein Picknick zu einem gesellschaftlichen Großereignis der oberen Zehntausend dazu, wie etwa beim Pferderennen von Ascot. Möglicherweise wird es heutzutage noch deshalb so großartig inszeniert, weil man sich wehmütig der Zeiten des Empire erinnert. Über den Ursprung des Wortes streiten sich Briten und Franzosen. Der Begriff pique-nique (für piquer, aufpicken, und nique, Kleinigkeit) wurde zum ersten Mal 1692 in Tony Willis’ Veröffentlichung „Origines de la Langue Française“ und 1694 in einem französischen Roman von Jean de La Bruyère erwähnt. Etwa ein halbes Jahrhundert darauf definiert es ein Lexikon als „Mahlzeit, bei der jeder Teilnehmer seinen Anteil selbst bezahlt“. Auf der anderen Seite des Kanals jedoch heißt es, „Picknick“ sei eine Zusammensetzung von pick, greifen, und nick, Augenblick. Wie auch immer, beides passt. Peter Scholliers, ehemaliger Geschichtsdozent an der Vrije Universiteit Brussel, hat sich intensiv mit der Historie des Picknicks beschäftigt und kam zu dem Schluss, dass es sich beim Picknick, wie es noch heute gebräuchlich ist, um einen zarten Ausbruch aus gesellschaftlichen Konventionen handelt.

Picknicken ist auch bei der Remstal-Gartenschau ein Thema

Denn um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert speisten Damen und Herren der Gesellschaft zwar gemeinsam, zogen sich im Anschluss daran jedoch in unterschiedliche Räume zurück. Just zu dieser Zeit entdeckte man die Schönheit der Natur wieder und beim Ausflug ins Freie war eine Trennung von Männlein und Weiblein nach dem gemeinsamen Mahl nicht mehr möglich. Und nicht nur die Adligen lernten die Fahrten ins Grüne zu schätzen. Während sie mit ihren Kutschen recht bequem und schnell an einen schönen Platz außerhalb gelangten, war dies für das gemeine Volk schwieriger zu bewerkstelligen. Abgesehen davon, dass die Ärmeren sicher anderes im Sinn hatten, als im Freien kalte Speisen zu sich zu nehmen. Doch durch die Eisenbahn war es auch weniger Betuchten möglich, sich aufs Land zu begeben und besonders die Künstler lernten das Picknick zu schätzen. Daher ist es auch ein beliebtes Motiv in der darstellenden Kunst. James Tissot, Édouard Manet oder Ernst Oppler etwa sind Beispiele dafür.

Ganz aktuell ist das Picknick bei der Remstal-Gartenschau ein Thema. So gibt es das Gemeinschaftsprojekt „Kernener Vespertäschle“ von der Diakonie Stetten und engagierten Bürgern. In teilnehmenden Geschäften kann der Stoffrucksack gefüllt erworben werden, zum Preis von 10 bis 25 Euro, je nach Inhalt. Eine Institution ist mittlerweile das Lümmelpicknick, bei dem in Großhöchberg neben dem Kabirinett mit musikalischer Untermalung nach Herzenslust gelümmelt und geschmaust werden kann. Wer nun selbst Lust auf ein Picknick bekommen hat und noch nach kulinarischer Inspiration sucht, dem sei die Broschüre „Kleine Leckereien für ein Picknick“ von Petra Ziegler, Landratsamt Rems-Murr-Kreis, Kompetenzzentrum Ernährung, ans Herz gelegt. Kleine raffinierte Köstlichkeiten, die gut vorher vorbereitet werden können, werden einfach erklärt. Und sollte es trotz aller sorgfältiger Planung doch plötzlich zu regnen angefangen haben: Zur Not geht auch ein Picknick im Wohnzimmer. Bei geöffneter Tür oder geöffnetem Fenster, wenn der Regen plätschert und die Blätter rauschen, kann es eigentlich auch ganz romantisch werden.

Nicht immer muss es mit Besteck sein