Donald Trump und Emmanuel Macron verbindet eine innige politische Beziehung. Beide sind Alphamännchen, verfügen über ein Giga-Ego und zelebrieren mit Wonne den rituellen Handschlag. Bei der Gaza-Friedenskonferenz in Scharm el Scheich war es wieder soweit: Handshake power struggle.
Wer ist der Nächste? Mit drohender offener Hand steht der Händeschüttler-Dominator Donald Trump auf der politischen Bühne von Scharm el Scheich und wartet auf sein nächstes Opfer in der Handshake battle.
Von Markus Brauer
Und sie haben es wieder getan. Wen wundert’s! Emmanuel Macron und Donald Trump, die beiden Alphamännchen diesseits und jenseits des Atlantiks, sind diesbezüglich Wiederholungstäter.
Eine Lapalie unter Politikern, werden Sie jetzt sagen. Vielleicht. Aber was die Zelebration des gemeinsamen Handschlags innerhalb der Gattung des Homo politicus angeht, sind der amerikanische und der französische Präsident Primus inter pares – die Ersten unter Gleichen.
Das beweist wieder einmal die „Handshake power struggle“ (wie die US-News-Website Daily Expreess U.S. den Vorfall süffisant betitelt; die britische "Daily Mail" scherzt über "Arm wrestle on peace stage") im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer, die im Netz für weltweites Aufsehen sorgt.
Dort hat am Dienstag (14. Oktober) das Gaza-Friedenstreffen der versammelten Staats- und Regierungschefs stattgefunden. Oder besser gesagt: die majestätische Zelebration des Nahost-Deals von „King Donald of America“.
"Händedrucks des Schreckens“
Seit seinem Amtsantritt als Staatspräsident der Französischen Republik und Kofürst des Fürstentums Andorra im Mai 2017 ist Emmanuel Macron auf internationalem Parkett gefürchtet – für seinen energischen Handschlag. Auch Donald Trump musste während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident den „Händedrucks des Schreckens“ schon über sich ergehen lassen.
Das konnte ein Mega-Ego wie Donald Trump natürlich nicht auf sich sitzen lassen - dass irgendjemand auf diesem Planeten irgendetwas besser kann als er. Längst hat der 79-Jährige dem 47-jährigen Jungspund Macron diesbezüglich den Rang abgelaufen.
Donald-Superstar in der Handshake Battle
"The Donald“ ist längst der unumstrittene Superstar in der Politik-Kategorie Handshake-Battle. Sein jüngster Handschlag mit Macron artete (mal wieder) zum nonverbalen Machtkampf aus. Klarer Sieger nach manuellen k. o.: Donald Trump. Ist das noch Handschlag oder schon Ringkampf?
Der innenpolitisch bedrängte Macron versucht auf der Polit-Bühne noch gequält lächelnd seine Phalangen aus der stahlharten Umklammerung des Amerikaners zu lösen. Vergeblich. Ausgerechnet in seiner politischen Paradedisziplin, dem Dominanz-Handschlag, muss sich der Jüngere dem Älteren geschlagen geben.
Trumps von Macron abgeschauter „Händedruck des Schreckens“, wie die Weltpresse den Schraubstock-Griffel des Franzosen einst titulierte, lässt selbst die härtesten Krieger vor Schreck erstarren. Von den anatomischen Deformationen ganz zu schweigen.
Der kleine Hand-Knigge
Der Normalo-Deutsche schüttelt etwa 15.000-mal während seines Lebens den Mitmenschen die Hand, haben Wissenschaftler ausgerechnet (was man alles so berechnen kann???).
Richtig die Hände zu geben ohne zu „schlagen“, ist eine Kunst, die eingeübt sein will. Nicht zu lange (drei bis vier Sekunden - Trump vs Macron circa 20 Sekunden), nicht zu heftig (weder schütteln noch rühren), nicht zu lasch oder zu kräftig (wirkt erbarmungswürdig bzw. dominant), nicht zu warm und feucht (zeugt von Nervosität).
Politisches Signal par excellence
Das Händeschütteln ist ein in vielen westlichen Ländern ein gängiges Begrüßungs- und Verabschiedungsritual. Anderswo ist es traditionell auf gleichgeschlechtliche Kontakte – insbesondere unter Männern – beschränkt.
In der postmodern-digitalen Mediengesellschaft ist das öffentliche Händeschütteln ein politisches Signal par excellence. Je länger es dauert, je inniger die Umklammerung, je gequälter das Lächeln desto größer ist die vorgespielte binationale Verbundenheit. Die Händeschüttler werden zu Protagonisten der Völkerfreundschaft stilisiert.
Geste des Respekts
Als Geste der Begrüßung und Verabschiedung ist der Handschlag ein kulturübergreifendes Phänomen. Am Händedruck erkennt man instinktiv den Schlaffi oder Egomanen, den Pfadfinder oder Ghetto-Fäustling. Wer Angst vor Viren hat, vermeidet es die ausgestreckte Hand zu ergreifen und stößt damit sein Gegenüber vor den Kopf.
Dasselbe geschieht, wenn der eine glaubt aus religiösen, geschlechtlichen oder standesrechtlichen Gründen über dem anderen zu stehen. Wer den Handschlag verweigert, gilt als extrem unhöflich, unsozial und desintegrativ. Die leere Waffenhand auszustrecken ist ein Akt des Vertrauens. Er reicht sie zur Versöhnung, zum Frieden, zur Freundschaft.
Schon in der Antike war das Reichen der rechten Hand, ein Zeichen der Verbundenheit, des Aufhebens von Grenzen und Stiftens von Gemeinschaft. Ob man wie im Hinduismus den anderen durch ein berührungsloses „Namaste“ begrüßt oder die Hand umschließt, ist letztlich unerheblich. Entscheidend ist die Geste: Wer sie ablehnt, grenzt sich selbst aus und darf auch nicht auf den Respekt anderer hoffen.
Wozu der Homo sapiens das Händeschütteln braucht
Rituale wie das Händeschütteln gehören zur Natur des Menschen (Natura pura homini würde der Lateiner sagen). Ohne sie wäre er ziel- und planlos. Unser ganzes Leben ist von ihnen durchwoben. Durch sie gewinnt der Mensch Sicherheit und Stabilität, sie schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Identität.
Doch welchem Zweck dienen sie? Ein Beispiel verdeutlicht den Unterschied zwischen Ritual und Gewohnheit: Einen Brotlaib schneiden ist eine Gewohnheit und instrumentelle Handlung, die man regelmäßig vollzieht und die einem unmittelbaren Zweck dient – nämlich das Brot für den Verzehr herzurichten. Rituale dagegen sind expressive Handlungen. Sie drücken etwas aus, was eine tiefere Bedeutung hat, und verbildlichen es.
„Was geht ab, Alter?“
Rituale laufen nach festen vorgegebenen Regeln ab, die formell und oft feierlich sind und einen hohen Symbolgehalt inhärieren. Religiöse Rituale stellen alltägliches Tun in einen universalen Sinnzusammenhang. So ist das Bekreuzigen des Brotes Ausdruck des Glaubens an eine übernatürliche Macht, die dem Menschen Halt und Schutz verheißt und ihm seine tägliche Nahrung schenkt.
Nehmen wir ein profaneres Beispiel: Jugendliche begrüßen einander durch Handschlag oder eine Umarmung mit angedeutetem Wangenkuss. Diese Geste – mitunter noch unterstützt durch formalisierte Begrüßungsfloskeln („Wie geht’s?“, „Was geht ab, Alter?“, „Hallöchen“) – ist weit mehr als eine Bewegung von Armen, Händen und Kopf. Hier findet etwas statt, was Werte vermitteln und Gemeinschaft stiften soll – eben ein Ritual. Rituelles Handeln ist immer körperbezogenes, kommunikatives und soziales Handeln.
Von der Wiege bis zur Bahre
Ein Leben ohne rituelles Händeschütteln ist möglich, aber sinnlos. Die Affinität zum rituellen Shakehands ist dem Homo sapiens angeboren und in seinen genetischen Code eingestanzt. Das beweist die Tatsache, dass zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften Begrüßungen per Handschlag vorhanden waren. Das Händeschütteln gehört zu den wichtigsten kulturgeschichtlichen Leistungen – buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre.
Grobmotoriker Trump und der Handschlag
Donald Trump leidet nach Angaben des Weißen Hauses unter chronischer Venenschwäche. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt teilte im Juli 2025 mit, Ärzte hätten bei dem 79-Jährigen eine „chronische Veneninsuffizienz“ diagnostiziert. Dies sei eine „gutartige und häufige Erkrankung, insbesondere bei Menschen über 70 Jahren“.
Im Falle des instinktiven Machtmenschen und rituellen Grobmotorikers Trump zeigt sich wieder einmal ein ehernes Gesetz menschlicher Evolutionsgeschichte: Des Geistes Wille kann über des Körpers Gebrechen obsiegen. Donald Trump muss nur Emmanuel Macrons Hand so lange drücken, schütteln und nicht wieder hergeben, bis auch der Letzte begreift, dass an dem Dominator aus Washington niemand vorbeikommt.