Niedrigwasser in der Murr bedeutet Stress für Fische

Seit Wochen ist es im Rems-Murr Kreis heiß, geregnet hat es nur wenig. Der Zustand der Gewässer ist als Folge dessen kritisch, im schlimmsten Fall kann ein Fischsterben drohen. Kurzfristige Maßnahmen gibt es kaum, viele Akteure plädieren für mehr Elan bei der Renaturierung der Murr.

Niedrigwasser in der Murr bedeutet Stress für Fische

Zwischen 13 und 17 Zentimeter hat der Murrpegel am Feuerwehrhaus in Murrhardt gestern betragen – das bedeutet extremes Niedrigwasser. Für Wasserlebewesen wird es in diesem Zustand kritisch. Foto: Jörg Fiedler

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Die Freiwillige Feuerwehr in Murrhardt sowie die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg in Oppenweiler veröffentlichen alle fünf beziehungsweise 15 Minuten den aktuellen Pegel der Murr an diesen beiden Stellen. In den vergangenen Wochen lagen die Werte dabei oft zwischen zwölf und 16 Zentimetern. Das bedeutet Niedrigwasser. Zeitweise befindet sich der Wert gar unterhalb des niedrigsten Abflusses im Zeitraum 1981 bis 2010. Die Bäche rund um das Hauptgewässer der Region sind sogar zum Teil schon ausgetrocknet. Und auch die Seen haben mit der anhaltenden Trockenheit zu kämpfen. Eine Besserung, so das Landratsamt, ist nicht absehbar. Doch was genau bedeutet das für das Leben in den Gewässern der Region?

Im Landratsamt befürchtet man gravierende Folgen bei weiterer Verschlechterung

„Der derzeitige Zustand der Gewässer ist aufgrund der lang anhaltenden Trockenheit der letzten Monate und der hohen Tagestemperaturen von über 30 Grad Celsius durchaus als kritisch zu betrachten“, heißt es aus dem Landratsamt. Wenn sich die Zustände der Gewässer weiter verschlechtern, seien gravierende Folgen wie zum Beispiel Fischsterben zu befürchten. Eine geringe Wasserführung und die damit einhergehenden negativen Auswirkungen stellen für sämtliche im Gewässer lebenden wassergebundenen Tiere eine Bedrohung dar.

„Niedrigwasser beeinflusst die Fauna der Bäche und Flüsse in mehrfacher Hinsicht – insbesondere wenn es, wie aktuell, in Zeiten von Hitzephasen stattfindet“, sagt Uwe Bergdolt von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Durch den sinkenden Wasserstand geht den Gewässerorganismen Lebensraum verloren, da weite Bereiche an den Rändern trockenfallen. Nicht alle Organismen können dem Experten zufolge dem zurückgehenden Wasser schnell genug folgen. So würden beispielsweise Muscheln absterben. Auch Fische, die nicht rechtzeitig in Gewässerbereiche mit besseren Bedingungen abwandern, seien betroffen.

Am Waldsee wird mit Pumpen gearbeitet

Der Waldsee in Fornsbach und der Murrhardter Feuersee werden seit Wochen zwei- bis dreimal pro Woche vom Personal der Kläranlage mit Probenahmen geprüft, berichtet Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner. Am Feuersee „lassen wir die Fontäne seit Wochen im Dauerbetrieb laufen“. Daher sei eine Umwälzung bislang nicht nötig gewesen. „Der Zustand am Waldsee ist kritisch“, so Mößner. Hier sei die Feuerwehr in den vergangenen Wochen mehrfach aktiv gewesen, um den See mit den Pumpen mit Sauerstoff anzureichern. „Mit Aktionen der Feuerwehr und etwas Regen hoffen wir, die Lage stabil zu bekommen.“

Durch den Niederschlag am Wochenende habe man sich etwas Entspannung erhofft, so der Bürgermeister. Diese sei aber nicht eingetreten. „Parallel sind wir auf der Suche nach einem Belüftungsgerät um die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr (sicher auch in den kommenden Jahren) zu entlasten.“ Die Situation sei in diesem Jahr ganz extrem. „Auf die übrigen Gewässer haben wir ebenfalls ein Auge.“ Zum Beispiel habe die Feuerwehr jüngst den Feuerlöschteich in Hintermurrhärle mit einigen Kubikmetern Wasser aus den Einsatzfahrzeugen versorgt, um die darin befindlichen Fische zu schützen. „ Wir hoffen dringend auf einen längeren Landregen“, so Mößner.

Der Angelsportverein Murrhardt (ASV) hat drei Gewässer in der Region sowie den Flussoberlauf der Murr mit ungefähr zehn Kilometern Länge gepachtet. Die meisten Probleme sieht dessen Vorsitzender Tobias Gruber an der Murr. Die anderen Gewässer seien nicht ganz so kritisch. Dadurch, dass es in den vergangenen Wochen immer wieder windig war, sei der Sauerstoffgehalt darin noch ausreichend. „Zwar ist es für die Fische stressig, aber es ist nicht so schlimm, wie es in anderen Jahren schon war.“ Der Verein habe bislang nicht die Hilfe der Feuerwehr in Anspruch nehmen müssen, welche das Wasser umwälzen kann.

Störsteine fördern die Eigendynamik

In der Murr, so Gruber, kommen hingegen verschiedene Problemlagen zusammen. „Der Kanalbereich war schon immer recht kritisch.“ Dort fehle den Fischen Struktur im Flussbett. Hier gebe es wenig Stromschnellen, Tiefbereiche oder Verschattung. Um Abhilfe zu schaffen, habe der ASV der Stadtverwaltung bereits diverse Maßnahmen vorgeschlagen. Etwa plädiert der Verein dafür, durch Störsteine – wie es der Name schon sagt – die monotone Strömung zu stören. Das fördert die Eigendynamik des Gewässers und hilft bei der Sauerstoffanreicherung. Allerdings, weiß der Vereinsvorsitzende, stehe das womöglich im Konflikt mit den Bestrebungen zum Hochwasserschutz.

Des Weiteren schlägt Gruber den Einbau von Kiesbänken vor, auf denen die Fische ablaichen können. Ein wichtiger Aspekt sei zudem, durch mehr Baumbepflanzung Schatten zu schaffen. Denn aktuell sei die Gewässertemperatur hoch. Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen. Laut Gruber führt das beispielsweise zur Verengung der Forellenregion. „Die Forelle braucht mehr Sauerstoff und kühles Wasser.“

Für Forellen ist es zu warm

Gleiches hebt auch der Vorsitzende des Backnanger ASV, Alexander Schaal, hervor. Die Komforttemperatur der Bachforelle liege bei etwa 16 Grad Celsius. „Bei 25 Grad hält sie das vielleicht eine Zeit lang aus, aber dann wird es letal“, erklärt er. Das mache sich bemerkbar. Gerade jüngere Generationen von Fischen seien nicht so stressstabil, hier gebe es größere Ausfallraten. Der Hitzestress, erklärt Uwe Bergdolt, schwächt die Fische und macht sie anfällig für Krankheiten.

In den vielen kleinen Zuflüssen der Murr ist die Situation auch für andere Lebewesen überaus kritisch. Alexander Schaal weist etwa auf den im Bestand bedrohten Steinkrebs hin, welcher in verschiedenen Bächen der Region zu finden ist. „Wenn der Bach austrocknet, kommt er dort nicht mehr weg“, erklärt Schaal. Das gelte auch für andere Lebensformen in den Gewässern. Grundsätzlich sagt er zur Hitzeperiode: „Je länger sie andauert, desto schwieriger wird es.“

Das Landratsamt hat bereits das Entnehmen von Wasser verboten

Kurzfristige Maßnahmen gebe es kaum. „Ich gehe in solchen Stressphasen nicht angeln“, berichtet Schaal, seine Vereinskollegen handhaben es auch so. Das Landratsamt hat bereits die Wasserentnahme aus der Murr verboten. Eine Sprecherin weist zudem darauf hin: „Grundsätzlich hilft dem natürlichen Wasserhaushalt (derzeit) jegliche Art des Wassersparens.“ Jegliche Wassernutzung genauestens zu prüfen und auf eine Entnahme zu verzichten seien eine Möglichkeit, um die Gewässer zu entlasten.

Ansonsten werde eher an mittel- und langfristigen Lösungen gearbeitet. Auch Schaal setzt sich gemeinsam mit der Hegegemeinschaft Einzugsgebiet Murr für die Renaturierung der Murr ein. „Begradigungen müssen nach Möglichkeit rückgängig gemacht werden“, sagt er. Ebenso spricht er sich für ufernahe Bepflanzung mit Bäumen sowie für mehr schmalere und damit tiefere Stellen im Flussverlauf, die nicht so schnell aufheizen und so als Kältezonen und Rückzugsorte fungieren, aus.

Auch das Landratsamt sieht die Renaturierung beziehungsweise Revitalisierung von naturfern ausgebauten Gewässerabschnitten als geeignetes Mittel an, um die Resilienz der Gewässer zu erhöhen. Alexander Schaal hebt positiv hervor, dass der Handlungsbedarf schon vor Jahren erkannt wurde. Bei den Konzepten für die Rüflensmühle in Oppenweiler oder das Biegelwehr in Backnang seien etwa Niedrigwasserrinnen eingeplant worden.