„OB sollte erster Wirtschaftsförderer sein“

Der Künzelsauer Bürgermeister Stefan Neumann kniet sich mit ganzer Energie in den Wahlkampf um das Amt des Backnanger Oberbürgermeisters. Er verweist auf die vielen Erfolge an seiner bisherigen Wirkungsstätte und lobt das Potenzial der Murr-Metropole.

„OB sollte erster Wirtschaftsförderer sein“

Zuhören, nachfragen, nachhaken: Auf seiner Tour durch die Betriebe und Unternehmen im Stadtgebiet macht Stefan Neumann (rechts) in der Backzentrale von Mildenberger Station und erhält von Richard (Mitte) und Friedrich Mildenberger Einblicke in die Arbeitsabläufe. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. In den vergangenen 19 Jahren hat ein Christdemokrat im Backnanger Rathaus das Sagen gehabt. Geht es nach Stefan Neumann, so kann das in den nächsten acht Jahren auch so bleiben. Mindestens. Der 38-Jährige, der seit 2010 Bürgermeister von Künzelsau ist, kniet sich mit großem Einsatz in den Wahlkampf. Es fordert auch den vollen Einsatz, einerseits in Backnang um die Gunst der Wähler zu kämpfen und gleichzeitig Chef der Künzelsauer Stadtverwaltung zu sein. Zumal zu Hause drei kleine Kinder auf ihren Papa warten und seine Frau in Teilzeit in Schwäbisch Hall arbeitet. Da ist es von Vorteil, dass der Kandidat auf die Unterstützung der Schwiegereltern bauen kann. Irgendwie klappt es immer: „Wenn meine Frau arbeitet, bin ich im Homeoffice und habe die Kinder. Es muss gehen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist bei uns im Rathaus nicht erst seit gestern möglich.“

In der Regel kümmert sich Neumann von Montag bis Mittwoch um die Amtsgeschäfte in Künzelsau, die restliche Woche stürzt er sich in den Wahlkampf in Backnang. Für die heiße Phase des Wahlkampfs hat er sich Urlaub genommen und ist komplett vor Ort. Über die Frage, wie viele Stunden derzeit sein Arbeitstag hat, lacht er nur: „Ich habe zuvor als Bürgermeister auch noch nie die Stunden gezählt.“ An einem typischen Wahlkampftag ist er von morgens bis abends unterwegs. Ein Beispiel: Start um 8.30 Uhr bei der Firma Mildenberger in den Lerchenäckern, weiter zum Höfliger-Stammsitz nach Allmersbach im Tal, mittags Besuch des Campus der Waldorfschule, danach geht es weiter zu Spielwaren Wiedmann, der Firma Feucht, dem WM-Sportzentrum und zum Abschluss ein Besuch bei Küche und Design Hopp. Und um 21 Uhr wollen die Grünen den Kandidaten noch eine Stunde lang auf Herz und Nieren checken. In allen Betrieben stehen Gespräche mit der Geschäftsführung auf dem Programm und Neumann, der Backnang bisher nur als Außenstehender kennt, dankt für „die vielen interessanten Einblicke“.

Bei all den Gesprächen hört Neumann aufmerksam zu, fragt, wo der Schuh drückt, und hakt nach. So wie etwa in der Mildenberger-Zentrale. Schon beim Gang durch den Betrieb – im Hygieneanzug und mit Kopfhaube – an der Seite von Friedrich und Richard Mildenberger merkt man, dass dem Gast Firmenrundgänge nicht fremd sind. Später sitzen er und die Geschäftsführer im leeren Café, coronabedingt mit weitem Abstand. Das Thema ist das gleiche, mit dem Neumann auch auf seinem Plakat wirbt: „Gemeinsam Backnang stärken.“ Wie stellt er sich das vor? Für Neumann ist die Atmosphäre in der Innenstadt sehr wichtig. Und dafür sei ein bunter Mix dringend nötig. Es gehe um die Verbindung von einkaufen, bummeln, Kaffee trinken. Heute schon macht er sich Gedanken, wie der Fahrplan für die Zeit nach Corona aussieht. Ein Riesenevent kann er sich nicht vorstellen, „wir werden die Masken noch länger im Stadtbild sehen“, prophezeit er und plädiert für viele kleine, dezentrale Events in der Innenstadt. Vor seinem geistigen Auge sieht er einen Strand aus aufgeschüttetem Sand, mit Musik, Liegestühlen und Palmen. „Die Leute sollen zwar wieder in die Innenstadt kommen, das aber nicht geballt tun.“

Bei all den Aktionen kann die Stadt etwas bewirken. Der Kandidat verweist auf das Programm „Verwirkliche Deinen Traum in Künzelsau“. Damit unterstützt die Stadt in Kooperation mit der Werbegemeinschaft Künzelsau und der IHK Heilbronn/Franken Existenzgründer und inhabergeführte Geschäfte bei der Umsetzung ihrer Ideen, angefangen von der Ideenfindung selbst bis hin zum Verhandeln. Neumann mit einem gewissen Stolz: „Wir sind als gründerfreundlichste Kommune Baden-Württembergs ausgezeichnet worden.“ Er gibt in vielerlei Hinsicht zu verstehen, dass er seine These „der Oberbürgermeister soll der erste Wirtschaftsförderer der Stadt sein“ mit Leben erfüllen will.

Wenn Neumann über Backnang spricht, dann klingt es so, als könne er ein würdiger Nachfolger des Murr-Metropolen-Image-Erfinders Frank Nopper werden. So schwärmt er etwa: „Backnang hat eine schöne Größenordnung, einerseits städtisch, aber auch etwas ländlich. Es gibt hier ein großes Angebot im Bereich Kultur und Sport, das reicht für mehr als ein Leben. Darauf können wir aufbauen, wir brauchen uns nicht zu verstecken. Und obendrein hat man noch die Großstadt vor der Haustür.“ Er erinnert an die hohe Steuerkraftsumme und die gute Zentralitätsziffer.

Die lobenden Worte hört Richard Mildenberger gerne und stimmt zu: „Ich lebe gerne in Backnang, die Stadt ist sehr attraktiv.“ Er weist Neumann aber auch auf Probleme hin: „Es ist schwierig, hier einen Bauplatz oder eine Eigentumswohnung zu finden. Da muss etwas passieren.“ Und sein Bruder Friedrich Mildenberger spricht das Ladensterben an: „Die Leute suchen den einfachen Weg über den Online-Handel. Das hat Corona nur beschleunigt, das war aber auch schon vorher so.“

„Ich möchte ein überparteilicher Oberbürgermeister sein.“

Einige Tage später steht Neumann mit seinem Stand in der Innenstadt, begleitet von seiner achtjährigen Tochter und zwei Mitgliedern der Jungen Union. Über die Unterstützung freut er sich, aber er stellt klar: „Ich trete nicht als CDU-Kandidat an, sondern will ein parteiunabhängiger und überparteilicher Oberbürgermeister sein.“ Seine CDU-Mitgliedschaft „verheimliche ich nicht, aber die Finanzierung des Wahlkampfs zum Beispiel schultere ich komplett selbst.“

Um mit den Passanten in der Grabenstraße ins Gespräch zu kommen, verteilt er Äpfel. Die sind vom Obsthof Körner aus Strümpfelbach und werden gerne genommen. Eine ältere Frau spricht ihn an: „Die Fußstapfen, die Nopper hinterlassen hat, sind groß, sehr groß.“ Neumann lächelt die Skepsis weg: „Ich weiß, aber ich bringe auch Erfahrung mit, ich bin seit 2010 Bürgermeister.“ Selbstbewusst listet er auf, was in den vergangenen Jahren in Künzelsau erreicht wurde. Die Investitionen in die Bildungspolitik etwa, alleine in die Schulen waren es 35 Millionen Euro. Die Kindergartengebühren wurden abgeschafft. „Ich halte das für richtig. Wenn wir die frühkindliche Bildung ernst nehmen wollen, dann müssen wir solche Schwellen abbauen. Für viele Kinder ist es wichtig, dass sie früher in die Kita kommen, Stichwort Sprachförderung.“ Auch mit innovativen Wohnkonzepten will er punkten. „Wir planen derzeit ein klimaneutrales Baugebiet samt Nahwärmeversorgung mit Anschlusspflicht.“

Dass der Kandidat ein Mann der Tat ist, wird auch daran deutlich, dass er nach seiner Wahl in Künzelsau die Ausbildung bei der örtichen Feuerwehr absolviert hat. Heute ist er als Truppführer und Atemschutzgeräteträger regelmäßig im Einsatz. Er weiß also, was zu tun ist, wenn’s brennt. Bleibt nun abzuwarten, ob die Backnanger Bürger auf seine Hilfe setzen möchten.

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