Zur Verärgerung in der EU verhandelt der ungarische Premier in Moskau über Energielieferungen. Orban bringt sich auch in Sachen Ukraine-Krieg als Vermittler ins Gespräch.
Ungarns Premier Orban (links) verhandelt mit Russlands Präsident Putin über Energielieferungen – will aber auch Friedensvermittler sein.
Von Knut Krohn
Viktor Orban schlägt die EU frontal vor den Kopf. Der ungarische Ministerpräsident reiste am Freitag nach Moskau zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach Aussagen des Kremlsprechers Dmitri Peskow ging es um Öl- und Gaslieferungen. Vor dem Abflug erinnerte Orban daran, dass ihm US-Präsident Donald Trump eine Ausnahme von den Sanktionen gegen russische Energieunternehmen genehmigt hatte. „Das ist uns gelungen, was großartig ist. Jetzt brauchen wir nur noch Gas und Öl, und die können wir von den Russen kaufen“, sagte Orban. Doch der ungarische Premier sieht sich aber nicht nur als Einkäufer, sondern nutzt einmal mehr die Gelegenheit, sich als Friedensvermittler im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ins Gespräch zu bringen.
Vielkritisierter Alleingang des ungarischen Premiers
Angesichts des Alleinganges Orbans verzichten die europäischen Verbündeten bei der Kommentierung auf jegliche diplomatische Zurückhaltung. Friedrich Merz (CDU) kritisierte die Reise äußerst scharf. Der Bundeskanzler erinnerte an die verstärkten russische Luftangriffe nach einem Besuch Orbans im Juli vergangenen Jahres. Er bezeichnete die damalige Reise als „erfolglos“. „Wenige Tage nach diesem Besuch hat es mit die heftigsten Angriffe der russischen Armee auch gegen zivile Infrastruktur und zivile Ziele in der Ukraine gegeben“, sagte Merz, der in Berlin den slowenischen Ministerpräsidenten Robert Golob traf. „Ich hoffe, dass diese Reaktion Russlands diesmal ausbleibt. Aber er fährt ohne europäisches Mandat und er fährt ohne eine Abstimmung mit uns.“ Auch Golob fand deutliche Worte. „Ich befürchte, Viktor Orban spielt schon länger nicht mehr für das europäische Team“, sagte er.
Grund für die große Verärgerung ist auch, dass Orban mit seiner Reise in die laufenden Verhandlungen über eine mögliche Friedensregelung in der Ukraine platzt. US-Präsident Donald Trump hatte Kiew in diesen Tagen mit einer 28-Punkte-Plan geschockt, der einer Kapitulation des Landes gleichgekommen wäre. Kritiker beschrieben das Papier als russische Wunschliste. Die Europäer versuchen nun, die US- Administration zu Verhandlungen zu bewegen, die die Souveränität der Ukraine gewährleisten sollen. Der Ausgang dieses komplizierten diplomatischen Ringens ist im Moment völlig offen.
Orban steht auf der Seite Russlands
Der ungarische Premier hat sich seit Beginn der Invasion Anfang 2022 immer wieder auf die Seite Russlands geschlagen und die Unterstützung der EU für die Ukraine nach Kräften sabotiert. Er weigert sich kategorisch, das angegriffene Land militärisch oder finanziell zu unterstützen. Stattdessen unterhält Orban weiter wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Die Sanktionen gegen Moskau lehnt der Regierungschef ab und bezeichnet sie als unwirksam und kontraproduktiv für die europäische Wirtschaft. So blockierte er scharfe Strafmaßnahmen wie ein vollständiges Öl-Embargo. Ein Grund dafür ist, dass das Land noch immer stark von Öl- und Gaslieferungen aus Russland abhängig ist. Anders als die restlichen EU-Staaten, versucht Budapest auch nicht, die Bezugsquellen zu diversifizieren. Die Energiepreise niedrig zu halten, hat für die Regierung Orbán im Vorfeld der Parlamentswahlen im April höchste politische Priorität – auch deshalb die Reise nach Moskau.
Zur großen Sorge der Europäischen Union ist der Ungar nicht mehr allein mit seiner russlandfreundlichen Haltung. Auch in Tschechien und der Slowakei sind inzwischen Regierungen am Ruder, die ihre Ablehnung gegenüber der Ukraine offen teilen. Nach dem Wahlsieg des tschechischen Populisten Andrej Babis Anfang dieses Monats hieß es aus Budapest, nun werde eine „ukraineskeptische Allianz“ geschmiedet. Die Auswirkungen könnte die Ukraine schnell zu spüren bekommen. Durch seine Munitionsinitiative wurde Tschechien zu Beginn des Krieges zu einem der wichtigsten Unterstützer des angegriffenen Landes. Prag stellte schnell 1,5 Millionen Geschosse für Kiews Verteidigung bereit. Babis kündigte nun einen Stopp der staatlichen Waffenhilfe an.
Wiederbelebung eines alten Bündnisses
Orban träumt aber von wesentlich mehr, er plant die Belebung des alten Visegrad-Bündnisses zwischen Ungarn, Polen, der Slowakei und Tschechien. Sein Ziel ist eine Art osteuropäischer Gegenpol zu Brüssel, woran er allerdings seit Jahren scheitert. Zu tief sind die unterschiedlichen Interessen der vier Länder, alleine Polen würde sich nie als Juniorpartner in den Schlepptau des selbstherrlichen Regierungschefs von Ungarn begeben. Zudem gehörte Warschau von Anfang an zu den vehementesten Unterstützern der Ukraine.