Ordensschwestern in Übersee von Klerikern missbraucht

dpa Köln. In Entwicklungsländern werden offenbar viele katholische Schwestern von Priestern missbraucht. Der Chef des Hilfswerks Missio ist „sprachlos ob des Ausmaßes dieses Verbrechens“.

Ordensschwestern in Übersee von Klerikern missbraucht

„Sprachlos ob des Ausmaßes dieses Verbrechens“: Missio-hef, Pfarrer Dirk Bingener. Foto: Roberto Pfeil/dpa

Viele katholische Ordensfrauen in Afrika, Asien und Ozeanien werden offenbar von Priestern missbraucht. Zu diesem Schluss kommt das Hilfswerk Missio nach einer nicht repräsentativen Umfrage unter kirchlichen Partnerorganisationen in Entwicklungsländern.

Der Missio-Chef, Pfarrer Dirk Bingener, sagte der Deutschen-Presse Agentur in Köln, er sei „sprachlos ob des Ausmaßes dieses Verbrechens“. Dies gelte besonders, „weil hier Priester ihre Position ausnutzen und die Opfer so wehrlos sind. Das macht mich traurig und wütend.“

Die Umfrage brachte als Ergebnis, dass 69 Prozent der Befragten aus zehn Ländern in Afrika, acht in Asien und einem in Ozeanien dem Thema Missbrauch von Schwestern „hohe bis sehr hohe Bedeutung“ beimessen. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage berichten von Angst, Scham, einer Kultur des Schweigens und der Vertuschung“, schilderte Bingener. Man müsse davon ausgehen, „dass es ein Problem in der Breite ist, dass es keine Einzelfälle sind“.

Eine große Rolle spielen offenbar die Stigmatisierung der Opfer und der Klerikalismus: der eingeforderte Gehorsam gegenüber Priestern. Kirchenobere verleugneten oder vertuschten den Missbrauch zum Teil, sagte die externe Begleiterin der Umfrage, Josephine Beck-Engelberg. „Die Umfrage hat ergeben, dass in vielen Fällen nichts getan wird.“

Die Ordensschwestern seien oft sehr arm und könnten auch deshalb schnell zum Opfer von Gewalt werden. Manche hätten noch nicht einmal Geld zum Telefonieren. Sie seien oft kostenlose Hilfs- und Putzkräfte der Priester. Das alles bringe die Nonnen in eine „extrem vulnerable Situation“, sagte Beck-Engelberg.

Die Rolle der Ordensschwestern hänge oft sehr stark zusammen mit der Rolle der Frau in den jeweiligen Gesellschaften. Besonders in entlegenen ländlichen Räumen sei die Rolle der Frau traditionell eher helfend und dienend. „Deshalb ist auch die Rolle der Ordensschwestern ganz schnell die gleiche“, erläuterte Beck-Engelberg. „Was unter dem Kirchendach passiert, ist ein Abbild dessen, was in der Gesellschaft passiert. Deshalb nehmen die Ordensschwestern das ja auch so leicht hin.“ Der Anspruch von Missio sei, die Frauen in Seminaren über Rechte aufzuklären. Aber das sei natürlich ein Langzeitprojekt.

Als Konsequenz aus der Umfrage gründet Missio ein Koordinationsbüro gegen den Missbrauch von Ordensfrauen. „Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir auf unsere Partner hören“, sagte Bingener. „Und die Partner sagen: Das Wichtigste ist zunächst einmal ein offenes Ohr. Eine Möglichkeit zu schaffen, dass die Frauen, die von Missbrauch betroffen sind, darüber sprechen können. Das ist das erste. Und dann geht es um eine psychologische, seelsorgerische und juristische Begleitung der Ordensfrauen.“

Missio mit Sitz in Aachen gehört zu rund 120 päpstlichen Missionswerken auf der südlichen Erdhalbkugel. Auch bei diesen anderen Missionswerken müsse das Thema bekannter gemacht werden, sagte Bingener.

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