Parlament in Polen billigt Präsidentenwahl per Brief

dpa Warschau. Die Polen werden am Sonntag doch nicht ihr neues Staatsoberhaupt wählen. Die Abstimmung wird zwar nicht abgesagt, sie findet aber auch nicht statt. Ein juristischer Trick eint erstmal das zerstrittene Regierungslager. Doch der Konflikt ist damit nicht zu Ende.

Parlament in Polen billigt Präsidentenwahl per Brief

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski will die geplante Präsidentenwahl verschieben. Foto: Czarek Sokolowski/AP/dpa

Nach der Einigung auf eine Verschiebung der Präsidentenwahl in Polen hat das Parlament in Warschau für eine Änderung des Wahlrechts gestimmt.

Die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS sieht vor, die Wahl des Staatsoberhaupts wegen der Coronavirus-Epidemie als reine Briefwahl abzuhalten.

Über einen neuen Termin für die Wahl gab es vorerst keine Klarheit. Vertreter der polnischen Opposition werteten es positiv, dass die Abstimmung nicht wie ursprünglich geplant am kommenden Sonntag stattfinden soll. Sie kritisierten aber die Art, wie die Entscheidung zustande gekommen war.

Um den Wahltermin hatte es in Polen großen Streit gegeben. Die Opposition forderte eine Verschiebung bis zum Herbst, da die Schutzmaßnahmen gegen die Coronavirus-Epidemie einen Wahlkampf unmöglich mache. Die PiS beharrte zunächst auf dem 10. Mai und wollte das Datum retten, indem die Abstimmung ausschließlich per Brief erfolgen sollte. Dazu war eine Änderung des Wahlrechts nötig - doch die wollte ein Teil der PiS-Fraktion nicht mittragen.

Am Mittwochabend verständigten sich PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und der ehemalige Vize-Ministerpräsident Jaroslaw Gowin auf eine Lösung. Weil es laut polnischer Verfassung schwierig wäre, den bereits festgelegten Wahltag zu verschieben, fanden sie ein juristisches Schlupfloch. Die Wahl soll an diesem Tag einfach nicht stattfinden - und der Oberste Gerichtshof kann sie deshalb anschließend für ungültig erklären. Danach soll die Parlamentspräsidentin ein neues Wahldatum festlegen.

Im Gegenzug gab nun die Gruppe der rebellischen PiS-Abgeordneten um Gowin ihren Widerstand gegen das sogenannte „Briefumschlag-Gesetz“ auf und stimmte im Parlament dafür. „Gestern haben wir eine Lösung ausgearbeitet, die gut für Polen ist. Sie garantiert sichere, vollkommen demokratische und transparente Wahlen“, sagte Gowin. Die Präsidentenwahl werde nicht mehr im Mai stattfinden, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Damit könne sich auch die Regierung wieder auf den Kampf um das Leben und die Gesundheit der Polen und die Wiederbelebung der polnischen Wirtschaft nach dem Lockdown kümmern.

Vertreter der Opposition begrüßten zwar die Tatsache, dass die Wahl nun verschoben wird. Sie bemängelten aber die Art des Vorgehens. „Nicht das Verfassungsgericht, nicht die parlamentarische Mehrheit, nicht die Wahlkommission entscheiden, sondern nur der PiS-Vorsitzende Kaczynski“, sagte der Präsidentschaftskandidat vom Linksbündnis, Robert Biedron. Dies zeige den „gesellschaftlichen Missstand“ in Polen.

Laut dem Bewerber der konservativen Bauernpartei PSL, Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, zeige die Situation den Niedergang der politischen Strukturen und der Organisation des polnischen Staates. „Wir werden von den Regierenden behandelt wie Untertanen. Der Bürger ist heute nicht der Herr in seinem Staat und hat keine Kontrollmöglichkeiten.“

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, man habe die Verlegung der Wahl registriert. „Eine freie demokratische Debatte und Wahlkampagne sowie freie und ehrliche Wahlen in allen Mitgliedsländern sind der Kern unsere Demokratie.“ Die Aufrechterhaltung der Grundrechte sei in der Ausnahmesituation der Pandemie besonders wichtig.

EU-Justizkommissar Didier Reynders schrieb auf Twitter, die EU-Kommission werde die Organisation des Abstimmung weiter genau verfolgen. Polen liegt wegen der umstrittenen Justizreformen der PiS seit Jahren überkreuz mit der EU-Kommission, die mehrere Verfahren vor dem EuGH gegen Warschau eingeleitet hat.