Passende Erlebnisse für jeden Waldtyp

Tag des Schwäbischen Waldes lockt tausende Ausflügler – Naherholungsregion zeigt sich aus vielerlei Perspektiven

Es braucht ein 60-seitiges Programmheft, um die vielfältigen Ausflugsmöglichkeiten, die der Tag des Schwäbischen Waldes bietet, vorzustellen. Geschichtliches, Pädagogisches, Kulinarisches, Sportliches, Genussvolles: Für jeden „Waldtyp“ war beim Aktionstag gestern im Rems-Murr-Kreis etwas dabei. Der Tag ließ sich unbeschwert erleben – oder mit Bewusstsein für die aktuellen Schwierigkeiten des Waldes.

Passende Erlebnisse für jeden Waldtyp

Für die kleine Alexa eindeutig zu schwer zum Hochheben: Der Kürbis-Gigant in Oppenweiler. Fotos: A. Becher (2), T. Sellmaier (2), J. Fiedler (1)

Von Nicola Scharpf

SULZBACH AN DER MURR/ AUENWALD. Der Tag des Schwäbischen Waldes ist noch jung, noch frisch und schon sonnig. Einzig die ersten Starter beim Wandermarathon in Oberrot, wo die Schwäbische Waldfee den Aktionstag der Fremdenverkehrsgemeinschaft Schwäbischer Wald morgens um 8 Uhr eröffnet hat, sind schon unterwegs. Eine Stunde später beginnt die nächste von etwa 50 Veranstaltungen an diesem Tag: Am Wanderparkplatz Fischbachtal treffen sich rund 50 Teilnehmer mit dem Sulzbacher Revierförster Axel Kalmbach, um der Geschichte des Waldes und seiner Nutzung nachzuspüren. In Zeiten des Klimawandels habe sich dieses Thema angeboten, findet Kalmbach. Denn die Waldgeschichte hänge stark mit der Kulturgeschichte des Menschen zusammen. „Wir sind im Wald und es kommt uns natürlich vor. Aber es sind Wirtschaftswälder, die so gemacht wurden“, sagt Kalmbach. Ur-Wald gebe es im Prinzip in Deutschland nicht mehr. Doch auch der Wirtschaftswald sei ökologisch hochwertig.

Im Mittelalter, auch hölzernes Zeitalter genannt, habe aufgrund seiner starken Nutzung ein enormer Druck auf dem Wald gelastet, so Kalmbach. Zum Ende des Mittelalters, als Gewerbe wie Glashütten und Köhlereien aufkamen, habe sich die Obrigkeit erstmals Gedanken über den Zustand des Waldes gemacht und Forstgesetze erlassen. „Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist 1713 begründet worden. Aber aus wirtschaftlichen Gründen, nicht für den Naturschutz. Denn Holz wurde gebraucht.“ Der Revierförster, der seit 25 Jahren für die Gemeinde Sulzbach an der Murr arbeitet, gibt die Kopie einer Flurkarte von 1832 herum. Aus ihr geht hervor, dass die heute bewaldeten Talflächen im Fischbachtal zu jener Zeit komplett waldfrei waren. Heute sind 65 Prozent der Sulzbacher Gemarkungsfläche von Wald bedeckt.

Kalmbach hält unterwegs immer wieder an markanten Punkten – beispielsweise um die Flößerei im Schwäbischen Wald zu erklären oder um die Überreste eines ehemaligen Treibsees oder Steinbruchs zu zeigen. Dazwischen bleibt Raum für Diskussion um komplexe Themen wie den aktuellen Zustand des Waldes, seine Zukunft oder grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklungsprozesse. „Was pflanzt man? Das ist bei uns ein großes Thema. Wir sind da etwas am Schwimmen“, gesteht Kalmbach. „Pflanzen wir Bäume, nur damit wir Wald haben, oder stellen wir auch einen Rohstoff zur Verfügung?“ Der Forst habe beim Pflanzen auch eine Verpflichtung gegenüber der Industrie. Vom Naturschutz über die Lieferung des Rohstoffs Holz bis zu Erholungszwecken: „Wir haben verschiedene Ansprüche an den Wald. Sie waren und sind groß. Wald kann man immer aus verschiedensten Blickwinkeln sehen.“ Die jüngste Betrachtungsweise in der Waldgeschichte ist wohl jene der (Nah)-Erholung. Laut Kalmbach dient der Wald seit Ende der 1970er-Jahre Erholungszwecken, als die Stadtmenschen bemerkten, dass ihnen das Grün, die Ruhe und die Luft des Waldes fehlten.

Eben jene Perspektive – Wald als Ort der Erholung – nimmt der Tag des Schwäbischen Waldes vornehmlich in den Fokus. Er lenkt das Augenmerk der Besucher auf die schönsten oder erlebnisreichsten oder erholsamsten Stellen und zeigt Ausflüglern, wie lohnenswert ein Besuch im Schwäbischen Wald ist. Herrlichstes Spätsommerwetter, wie es gestern war, fördert dieses Anliegen selbstverständlich: Als der Wissensdurst der 50 Wanderer nach knapp drei Stunden gestillt ist und sie die Kühle des Fischbachtals verlassen, hat sich die morgendliche Ruhe verflüchtigt. Auf Rädern, zu Fuß, im Auto, überall sind Ausflügler unterwegs. Die zahlreichen Feste erfreuen sich vieler Gäste.

Die bunte Auswahl an Kürbissen sieht wundervoll aus

Beim Kürbisfest in Oppenweiler zum Beispiel sind zur Mittagszeit alle Sitzplätze belegt. Menschen stehen Schlange, um Kürbissuppe oder andere Spezialitäten gereicht zu bekommen. Herbert Heller aus Aichelbach und seine Frau haben Kürbisse verschiedener Größen und Sorten liebevoll drapiert. Der Ertrag in diesem Jahr sei aufgrund der großen Trockenheit und vielen Unkrauts gering, sagt der Kürbiszüchter. Die bunte Auswahl in herbstlichen Farbtönen sieht dennoch wundervoll aus. Umringt von kleinen „Artgenossen“ und auf Stroh gebettet, macht sich ein Riesenkürbis auf einem Wagen breit. „Der Gigant ist auf dem Kompost zufällig gewachsen“, sagt Herbert Heller. Nun dürfen die Gäste des Kürbisfestes schätzen, was der Brocken wiegt und ihren Tipp-Zettel in eine Kiste werfen. „Die Leute schätzen immer viel zu hoch“, sagt Heller und lacht: Jemand habe gefragt, ob 180 Kilo zu leicht sei.

Um Giganten dreht sich auch in Auenwald vieles. Die Gemeinde ist neu in der Fremdenverkehrsgemeinschaft Schwäbischer Wald und nimmt erstmals am Tag des Schwäbischen Waldes teil. Teil ihres umfangreichen Programms, das sie zusammengestellt hat, sind zwei geführte Wanderungen zu den Mammutbäumen auf Auenwalder Markung. Einer von ihnen gilt immerhin als Deutschlands größtes Exemplar. Dieses Highlight von 57 Metern Höhe lässt sich auch die Waldfee nicht entgehen: Leonie Treml hat den Baumriesen vor ihrer Wahl zur Waldfee schon einmal vergeblich gesucht. Seit ein paar Wochen nun ist der Weg zu der Wellingtonie, die im Staatswald steht, beschildert und findbar. Als zentrale, quirlige Anlaufstelle auf Auenwalder Markung entpuppt sich der Heslachhof. Über das gesamte Dorf verteilen sich Aktionen wie Pony- und Eselreiten, Kinderschminken, das Streuobstmobil oder die rollende Erlebnisschule Wald und Wild.

Im Wald und um den Wald herum spielt sich das Leben ab – nicht nur an diesem Tag. Rund 40 Prozent des Rems-Murr-Kreises sind Wald. Damit das in Zeiten der globalen Erwärmung auch in Zukunft so ist, braucht der Wald Hilfe. Um dafür ein Bewusstsein zu schaffen, lädt das Landratsamt am 4. Oktober in den Backnanger Plattenwald ein zur Aktion „Rette den Wald – pflanze einen Baum“. Weitere Infos im Forstamt unter Telefon 07191/895-4367.

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Den Wald fühlen, hören, erleben: Eine geführte Wanderung im Fischbachtal bot dafür die ideale Gelegenheit.

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Zu Fuß, per Rad oder in der Kutsche: Es gab viele Möglichkeiten, die Umgebung zu erkunden.

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Riesenfreude: Die Waldfee am Mammutbaum