Paulinenpflege: Sozialer Sektor als Arbeitgeber behinderter Menschen

Ivan Jurkovic absolviert ein Praxissemester in der Paulinenpflege und hofft, dass er dort nicht der letzte Studierende mit Körperbehinderung bleibt.

Paulinenpflege: Sozialer Sektor als Arbeitgeber behinderter Menschen

Ivan Jurkovic und CCM-Teamchefin und Sozialpädagogin Laura Bürkle freuen sich über die gelungene Zusammenarbeit. Foto: Paulinenpflege

Winnenden. „Wenn der soziale Sektor als Arbeitgeber behinderten Menschen keine Chance gibt – wer dann?!“ Student Ivan Jurkovic bringt neue Sichtweisen in das bereichsübergreifende Care-und-Case-Management (CCM) der Paulinenpflege ein.

„Wenn ein Mensch zur Beratung vor mir sitzt, zerfließen erst mal alle im Studium gelernten Techniken und das Wissen. Man kann noch so viel Beratungsgespräche an der Fachhochschule üben, in der Realität läuft das ganz anders. Das hat mich in meinem Praxissemester in der Paulinenpflege geerdet. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Ivan Jurkovic. Er ist Student der Sozialen Arbeit an der FH Esslingen. Seine Praxisstelle war ein halbes Jahr lang das Care-und-Case-Management der Paulinenpflege. Was bei ihm sofort auffällt – der 30-Jährige ist ehrlich und selbstkritisch gegenüber sich und seinem Berufsstand: „Die Sozialarbeit ist nicht davor geschützt, auch selbst elitär zu sein.“ Oft seien die Bücher von Autoren geschrieben, die selbst nicht von den beschriebenen Problemen und Defiziten betroffen seien. „Das ist dann oft alles viel zu undifferenziert.“

Ivan Jurkovic bringt eine neue Perspektive in das Care-und-Case-Management ein, da er durch eine Spastik körperbehindert und teilweise auf einen Rollstuhl und Assistenzleistungen angewiesen ist. Durch ihn wurde das Team bereichert, wie CCM-Teamleiterin Laura Bürkle berichtet: „Ivan hat eine neue Perspektive mitgebracht. Er hat beide Sichtweisen – die des professionellen Unterstützers und die des selbst Betroffenen. Uns hilft es auch sehr, dass er sehr offen mit seiner Behinderung umgeht.“

„Es sind oft Kleinigkeiten, die fehlen“

Dabei ging es nicht nur um inhaltliche Dinge der CCM-Arbeit, sondern auch um ganz praktische Dinge wie die Barrierefreiheit der Paulinenpflege: „Es sind oft Kleinigkeiten, die fehlen, zum Beispiel ein Griff oder eine Überbrückung der Türschwelle. Das fällt nicht körperbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer auf“, erklärt Ivan Jurkovic.

Als seine Anfrage für ein Praxissemester in der Paulinenpflege ankam, rannte er nicht sofort total offene Türen ein. Bürkle: „Neben der Überlegung, ob wir in unserem Aufgabenbereich grundsätzlich einen Praktikanten sinnvoll beschäftigten können, haben wir uns auch bezüglich seiner Behinderung Gedanken gemacht. Ich selbst dachte daran, wie wir ihn zum Beispiel zu Außenterminen inklusive Rollstuhl mitnehmen können. Da hat mein Kollege sofort gesagt: Mach dir da keine Sorgen – wir haben früher mit einem ganzen Bus voller Rollstuhlfahrer Ausflüge gemacht. Er hat nämlich früher in einer Wohngruppe mit mehrfachbehinderten Menschen gearbeitet.“ So waren Bedenken schnell ausgeräumt, Berührungsängste gab es sowieso nicht. Nicht nur die Aufgeschlossenheit seiner Kollegen auf Zeit gefällt Jurkovic an seiner Praxisstelle: „Das Team ist total erfrischend mit den verschiedenen Qualifikationen. Für mich ist das CCM-Team der Paulinenpflege mit dem Sozpäd-Heilerziehungpflege-Erzieherinnen-Know-how so was wie das A-Team der Sozialarbeit. Das bereichsübergreifende Care-und-Case-Management ist ein enormer Schritt in die richtige Richtung, vor allem bei einem so differenzierten Sozialunternehmen wie der Paulinenpflege.“ In solch einem Dschungel an Angeboten brauche es Lotsinnen und Lotsen für die Klienten sowie eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Bereichen. „Mir persönlich waren die Kolleginnen und Kollegen immer eine große Hilfe, zum Beispiel auch, wenn es halt bei einem Beratungsgespräch mal nicht so lief, wie ich mir das erhofft hatte. Ich konnte hier meine Stärken und Schwächen kennenlernen – das hat mich als Student und auch als Mensch enorm weitergebracht.“ pm