Pflegende Angehörige erreichen oft die Belastungsgrenze

Immer mehr Menschen im Rems-Murr-Kreis sind laut AOK auf Pflege angewiesen. Viele von ihnen werden von Angehörigen zu Hause versorgt.

Pflegende Angehörige erreichen oft die Belastungsgrenze

Unbeschwerte Momente wie diese sind in der Pflege von Senioren eher rar. Pflegende Angehörige stehen oft vor riesengroßen Herausforderungen. Symbolfoto: AOK

Rems-Murr. Eine Auswertung der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr zeigt, dass immer mehr Menschen im Landkreis Pflege benötigen: Im Jahr 2017 waren es noch rund 10570 AOK-Versicherte mit einem Pflegegrad, 2021 bereits mehr als 12400. Die Zahl der Pflegebedürftigen ist im Mittel um 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen.

„Pflegebedürftige Menschen möchten in der Regel zu Hause von der Familie gepflegt werden. Hier sind sie umgeben von Erinnerungen, haben ihr soziales Netzwerk und können den Tagesablauf individueller gestalten als bei einer stationären Pflege“, sagt Artur Baier, Leiter Pflege bei der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr. Die Belastung für die pflegenden Angehörigen dürfe man dabei aber nicht unterschätzen, so Baier.

In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der AOK Baden-Württemberg nahm die Gesundheitskasse pflegende Angehörige in den Fokus. Im Kreis gaben 13 Prozent der Befragten an, dass sie privat eine auf Hilfe angewiesene Person pflegen oder pflegten (19 Prozent). Ihre Situation als Pflegende beschrieben die Befragten mit emotionaler Betroffenheit (43,1 Prozent), Müdigkeit (27,7 Prozent), Überforderung (25,2 Prozent) und Reizbarkeit (16,7 Prozent).

52,9 Prozent der Befragten gaben an, weniger Zeit für Hobbys zu haben

Wie stark die Pflegesituation das eigene Privatleben beeinflusst, zeigen auch die Beschreibungen zur persönlichen Situation. So gaben 52,9 Prozent der Befragten an, weniger Zeit für Hobbys zu haben, 45,4 Prozent haben weniger Zeit für Freunde und 20,9 Prozent weniger Zeit für ihre Partnerin oder ihren Partner. Auch auf den Beruf hat die Pflegesituation Auswirkungen. 12,9 Prozent der Befragten haben ihre Arbeitszeit reduziert, 4,1 Prozent pausieren im Beruf und 4,2 Prozent haben ihren Beruf komplett aufgegeben. „Für viele pflegende Angehörige ist es schwierig, die Pflege in das eigene Leben zu integrieren. Übernimmt man die Pflege eines Elternteils, bleiben oft das eigene Leben und die eigene Familie auf der Strecke“, erläutert Artur Baier. Häufiger betroffen seien Frauen, denn laut Statistiken sind zwei von drei pflegenden Personen, die die unbezahlte Care-Arbeit übernehmen, weiblich.

Jede Pflegesituation ist anders, viele fühlen sich damit überfordert. Die Pflegeberaterinnen und Pflegeberater der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr unterstützen pflegende Angehörigen dabei, mit dieser Situation möglichst gut umzugehen. Gemeinsam können individuelle Lösungen entwickelt und entlastende Maßnahmen geplant werden. „Durch die Entlastungsangebote der AOK Baden-Württemberg können pflegende Angehörige besser auf ihre körperlichen und psychischen Grenzen achten“, so Baier.

Viele der Befragten Rems-Murr-Kreis (50,3 Prozent) gaben an, im Pflegefall selbst am liebsten zu Hause versorgt werden zu wollen. 14,4 Prozent wünschen sich einen alternativen Ort wie eine Pflege-WG. 5,2 Prozent würden sich für ein Pflegeheim entscheiden. „Wir brauchen eine Reform der Pflegeversicherung, die den Menschen Entscheidungsspielraum gibt, wo und von wem sie gepflegt werden wollen.“ Die Pflege eines Angehörigen muss in die Lebenssituation der pflegenden Angehörigen inte-griert werden können – ohne dass dabei ihr eigenes Leben auf der Strecke bleibt. Es braucht bessere und flexible gesetzliche Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“, so Baier. pm