Pflegeprogramm läuft schleppend an

Von 67,5 möglichen sogenannten Spahn-Stellen sind im Rems-Murr-Kreis bisher nur 4,3 bewilligt worden

Anfang des Jahres ist das Sofortprogramm Pflege in Kraft getreten, durch das bundesweit 13000 zusätzliche Stellen im stationären Bereich finanziert werden sollen – von den Krankenkassen wohlgemerkt. Dennoch hat bisher kaum eine Einrichtung im Rems-Murr-Kreis die Personalverstärkung in Anspruch genommen.

Pflegeprogramm läuft schleppend an

Das Sofortprogramm Pflege soll schnell und unbürokratisch mehr Personal in den stationären Einrichtungen finanzieren. Weil aber die Fachkräfte fehlen, wird die Förderung bisher nur selten in Anspruch genommen. Symbolfoto: Imago/Kzenon

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Als Gesundheitsminister Jens Spahn verkündete, mit dem Sofortprogramm Pflege 13000 neue Stellen im stationären Bereich schaffen zu wollen, klang das für manch einen wohl erst einmal vielversprechend. Eckart Jost, Geschäftsführer des Alten- und Pflegeheims Staigacker, gehört nicht dazu: „Ich habe sofort gedacht: Das ist ja gut gemeint, aber es geht an der Realität vorbei.“ Die Zahlen belegen Josts Einschätzung, nur schleppend läuft das Programm an. Laut einer Antwort des Bundesministeriums für Gesundheit auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion wurden bis Mitte des Jahres bundesweit erst etwa 2800 Anträge auf Förderung von zusätzlichem Pflegepersonal gestellt. Davon seien bisher etwa mehr als 300 Anträge bewilligt worden, heißt es.

Als federführende Krankenkasse im Rems-Murr-Kreis verzeichnet die AOK bislang erst 15 Anträge, von denen bis heute 13 Anträge abschließend bearbeitet wurden. „Im Rahmen dieser Anträge wurde die Finanzierung von 9,1 Vollzeitstellen für Pflegefachkräfte beantragt. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben konnte bislang die finanzielle Förderung für 4,3 Vollzeitkräfte bewilligt werden“, teilt ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg mit. Zum Vergleich: Im Rems-Murr-Kreis gibt es 66 Einrichtungen mit insgesamt 4121 Dauerpflegeplätzen. Wenn alle Einrichtungen einen Antrag auf zusätzliches Pflegefachkraft-Personal stellten, könnten nach Angaben der Pflegekasse bis zu 67,5 Vollzeitstellen gefördert werden.

„Ich kann niemanden einstellen, wenn ich niemanden finde“

Woran aber hapert es? Schließlich bedeuten diese zusätzlichen Stellen für die Pflegeeinrichtungen keine zusätzlichen Kosten – die Krankenkassen bezahlen die Mitarbeiter. „Ich kann niemanden einstellen, wenn ich niemanden für die Stelle finde“, erklärt Eckart Jost. Der Fachkräftemangel in der Pflege mache sich im Alltag der Pflegeeinrichtungen allerorts bemerkbar. Er sei froh, wenn er den Stellenschlüssel aufrechterhalten kann. „Wir müssen manchmal Betten unbelegt lassen, weil uns einfach das Personal fehlt“, führt er aus. Er habe deshalb noch nicht einmal ausgerechnet, wie viele Stellen er im Rahmen des Programms finanziert bekommen könnte. „Das wäre vergebene Liebesmüh.“

Auch der AOK-Sprecher schätzt die Situation ähnlich ein: „Es hat sich bewahrheitet, was die AOK Baden-Württemberg im Zuge der politischen Diskussion zum Pflegepersonalstärkungsgesetz kritisiert hat: Nur weil neue Stellen in einem Gesetz festgeschrieben werden, beendet das noch nicht den Fachkräftemangel. Insofern wird es weiterhin eine große Herausforderung bleiben, die zusätzlich geschaffenen Stellen auch tatsächlich zu besetzen.“

Einen richtigen Erfolg können daher die Einrichtungen im Haus Elim vorweisen: Alle möglichen „Spahn-Stellen“ seien besetzt und genehmigt, teilt der Vorstandsvorsitzende Thomas Gengenbach mit. In Leutenbach bedeutet das eine volle Stelle, in den anderen sechs Einrichtungen sind es jeweils halbe Stellen. Als Baustein für den Erfolg auf der Suche nach Fachpersonal sei vor allem die übertarifliche Bezahlung zu nennen, so Gengenbach. Mit zusätzlichen Entgelten kämen seine Mitarbeiter auf 13,65 Gehälter. „Deshalb gab es anfangs auch Probleme mit der Kostenübernahme.“ Die Pflegekräfte seien schon im März und April dieses Jahres eingestellt worden, erst Ende Juli sei dem Haus Elim aber erst die Förderung der Stellen im Rahmen des Sofortprogramms bewilligt worden. Der Grund: „Die Rahmenbedingungen des Verfahrens sind sehr offen, sodass die sachbearbeitende Ebene genauso im Regen stand wie wir“, schildert Gengenbach. Anfangs hätten die Sachbearbeiter nicht gewusst, wie damit umzugehen ist, dass eine Einrichtung übertariflich bezahlt.

Hoher Verwaltungsaufwand für die Antragstellung

Dass also Pflegeeinrichtungen wie angekündigt schnell und unbürokratisch zusätzliche Fachkräfte über das Sofortprogramm finanziert bekommen, ist demnach nicht ganz so einfach. Inzwischen habe man die Kosten aber erstattet bekommen, sagt der Vorstandsvorsitzende des Hauses Elim.

Die Leistungserbringer wurden seitens der AOK Baden-Württemberg proaktiv über die bestehenden Möglichkeiten informiert, sagt der Sprecher der Krankenkasse. Auch habe man verzeichnet, dass die Anzahl der eingereichten Anträge von Region zu Region stark variiere. Immerhin ein Teilerfolg sei nun absehbar: „Mittlerweile nimmt die Anzahl der Antragstellungen in der Region deutlich zu.“ Das Alexander-Stift der Diakonie Stetten habe mehrere Anträge gestellt, sagt deren Pressesprecher Steffen Wilhelm. Acht seien abgelehnt worden, weil die Anforderungen nicht erfüllt seien. „Begründung für die Ablehnung war, dass es sich bei den beantragten Stellen nicht um Neubesetzungen oder Stellenaufstockungen handeln würde“, führt Wilhelm aus. Bei vier Anträgen stehe die Rückmeldung noch aus. „Als bislang einzige Bewilligung wurde für das Gemeindepflegehaus des Alexander-Stifts in Hegnach eine 50-Prozent-Stelle bewilligt und auch besetzt.“

Den Verwaltungsauswand für die Antragstellung, die vorgeschaltete Prüfung, die Dokumentation, die erforderlichen Unterlagen und das Meldewesen schätzt der Pressesprecher der Diakonie Stetten als sehr hoch ein. Man sei dennoch gewillt, die Stellen zu besetzen. Das Problem dabei ist das gleiche, das Eckart Jost hat: „Erschwert wird die Besetzung jedoch durch den generellen Personalnotstand in der Pflege und die Schwierigkeit, überhaupt qualifizierte Bewerber zu bekommen, auch für die ohnehin vorhandenen Stellen“, führt Wilhelm aus.