Islamischer Hadsch beginnt

Pilgerfahrt mit Drohnen und KI

Bei Extremtemperaturen wurde die Wallfahrt 2024 zum Desaster mit mehr als tausend Toten. Diesmal soll Künstliche Intelligenz helfen, brenzligen Situationen vorzubeugen.

Pilgerfahrt mit Drohnen und KI

Etwa zwei Millionen Muslime pilgern nun wieder nach Mekka.

Von Thomas Seibert

Saudi-Arabien holt die islamische Pilgerfahrt Hadsch ins 21. Jahrhundert. Die Behörden des Königreiches wollen beim diesjährigen Hadsch von diesem Mittwoch an Drohnen und Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, um die knapp zwei Millionen Pilger aus aller Welt in den heiligen Städten Mekka und Medina lenken und potenziell riskante Situationen frühzeitig erkennen zu können. Zu den Gefahren für die Pilger gehört die Hitze. Die Temperaturen in Mekka und Medina könnten während des Hadsch auf fast 50 Grad steigen. Im vergangenen Jahr starben mehr als tausend Pilger an Hitzschlag.

Der Hadsch gehört neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, dem Fasten im Ramadan und der Mildtätigkeit zu den fünf Grundpflichten im Islam. Jeder der fast zwei Milliarden Muslime auf der Welt sollte einmal im Leben zur Pilgerzeit nach Mekka fahren, wenn er kann. Saudi-Arabien weist jedem Land ein Kontingent von Wallfahrern zu, um den Ansturm zu begrenzen. Diesmal trafen nach Medienberichten vor dem Beginn der Feiertage bereits 1,2 Millionen Menschen in Saudi-Arabien ein.

Kommandozentrale wie bei einem Raketenstart

Für das Königreich ist die Wallfahrt vom 4. bis zum 9. Juni eine wichtige Einnahmequelle und eine Gelegenheit, sich als hochmoderner Staat in Szene zu setzen, wie es der Politik von Kronprinz und Machthaber Mohammed bin Salman entspricht. Das saudische Hadsch-Ministerium veröffentlichte in den sozialen Medien ein Video, das eine Kommandozentrale wie bei einem Raketenstart zeigt: Großbildschirme, Lagepläne und Mitarbeiter an Laptops, die einen störungsfreien Ablauf des Großereignisses sichern sollen.

Das Ministerium hat eine Internet-Plattform und eine App entwickelt, über die Pilger ein Reisepaket für die Wallfahrt buchen können, inklusive Hotel und Transport zwischen Mekka und Medina. In Mekka werden „Fatwa-Roboter“ mit Hilfe von KI religiöse Fragen der Pilger in bis zu 20 Sprachen beantworten. Verschiedene Apps sollen bei der Orientierung helfen, Gebetszeiten mitteilen und den Gesundheitszustand der Pilger überwachen.

Die saudische Behörde für Daten und Künstliche Intelligenz (SDAIA) will während der Wallfahrt die Informationen aus tausenden Überwachungskameras nutzen, um die Bewegung der Besuchermassen zu analysieren und zu lenken, wie staatliche saudische Medien berichteten. Drohnen, KI-Systeme zur Gesichtserkennung sowie elektronische Armbänder und digitale Pilgerausweise sollen helfen. Auch die Suche nach Vermissten soll so erleichtert werden: Jedes Jahr verlieren Mekka-Pilger rund 10 000 Verwandte oder Mitreisende in den Menschenmassen, die meisten davon Kinder.

An neuralgischen Punkten wie der Großen Moschee in Mekka mit der Kaaba, dem wichtigsten Heiligtum im Islam, soll die Zahl der Wallfahrer mit Sensoren im Boden und an Durchgängen gemessen werden. KI-Systeme sollen Bewegungsmuster erkennen. Notfalls sollen dann Helfer einschreiten, um Pilger zu stoppen oder umzulenken. Drohnen sollen zudem Medikamente transportieren, wenn es medizinische Notfälle gibt. Bisher dauerte der Transport wegen der Menschenmassen bis zu 90 Minuten, wie die saudische Zeitung „Arab News“ meldete – die Drohnen reduzieren die Lieferzeit auf sechs Minuten.

Drohnen und KI sollen zudem nach Pilgern suchen, die sich als Touristen unter die Wallfahrer mischen. Polizisten haben bereits jetzt fast 270 000 Menschen gestoppt, die ohne Anmeldung nach Mekka fahren wollten. Sie machen die Wallfahrt unberechenbar. Hadsch-Gäste ohne Anmeldung sind der Hitze oft schutzlos ausgesetzt, weil sie keinen Zugang zu klimatisierten Zelten haben. Unter den Todesopfern der Hitze im vorigen Jahr waren viele unregistrierte Pilger.