Plastiktüten vor dem Aus - Mehr als Symbolpolitik?

dpa Berlin. Im Supermarkt greifen Kunden seltener zur Plastiktüte, seit es diese nicht mehr umsonst gibt. Der Umweltministerin reicht das nicht: Die Zeit sei „reif“ für ein Verbot. Umweltschützer sagen: Damit allein ist noch nicht viel gewonnen.

Plastiktüten vor dem Aus - Mehr als Symbolpolitik?

Pro Jahr und Person werden in Deutschland rund 20 sogenannte leichte Kunststofftragetaschen verbraucht. Foto: Bernd Wüstneck

„Möchten Sie eine Plastiktüte?“ Diese Frage an der Ladenkasse sollen Kunden nicht mehr zu hören bekommen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sogenannte „leichte Kunststofftragetaschen“ verbietet.

„Ich bin sicher, dass schon bald kaum einer die Wegwerftüten vermissen wird“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag in Berlin. Die ganz leichten Tütchen, etwa für Obst und Gemüse, und auch besonders stabile Modelle sind davon nicht betroffen.

In Deutschland würden pro Jahr und Kopf noch rund 20 leichte Plastik-Tragetaschen verbraucht, heißt es im Entwurf von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). „Häufig landen sie in der Umwelt, wo sie über viele Jahrzehnte verbleiben und jede Menge Schäden anrichten können“, erklärte Schulze. Verboten werden soll Geschäften, solche Tüten auszugeben, „die dazu bestimmt sind, in der Verkaufsstelle mit Waren gefüllt zu werden“. Das sei aber nur ein Schritt, Wegwerfplastik insgesamt zu verbieten, sagte die Ministerin. „Die Plastiktüte, das ist erst der Anfang.“

Seit 2016 gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels, die Plastiktaschen an der Ladenkasse nicht umsonst rauszugeben. Diese hatte Erfolg, der Verbrauch ging insgesamt von 68 Stück pro Kopf im Jahr 2015 zurück auf 24 im vergangenen Jahr - von den Tüten mit einer Wandstärke zwischen 15 und 49 Mikrometer, die Schulze nun verbieten will, kamen 2018 noch 20 Stück pro Kopf in Umlauf. Die EU-Vorgaben unterbietet Deutschland damit deutlich.

Schulzes Gesetzentwurf muss durch Bundestag und Bundesrat, im Frühjahr 2020 könnte er beschlossen sein. Dann sollen die Tüten innerhalb von sechs Monaten aus den Läden verschwinden. Wie eine Sprecherin des Ministeriums bestätigte, seien ansonsten Strafen von bis zu 100 000 Euro vorgesehen.

Der Handelsverband HDE, der die Vereinbarung mit dem Umweltministerium getroffen hatte, reagierte verärgert: „Das Verbot ist ein klarer Vertrags- und Vertrauensbruch“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der „Welt“. „Der Handel mit seinen drei Millionen Beschäftigten fragt sich, ob man sich auf das Wort der Regierung noch verlassen kann.“ Auch die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen zeigte kein Verständnis: Plastiktüten würden „nach oftmals mehrmaligem Gebrauch als Müllbeutel verwendet“. Sie landeten nur in der Umwelt, wenn Verbraucher sie falsch entsorgten.

In den vergangenen Jahren hatte sich das Umweltministerium mit dem Rückgang der Tütenzahl eigentlich zufrieden gezeigt, obwohl Umweltverbände mehr forderten. Als Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Mai ein Tüten-Verbot forderte, hatte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums noch gesagt, es gehe „im Grunde genommen um Peanuts“: Sie machten nicht einmal ein Prozent des Verpackungsaufkommens aus Kunststoff aus.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach denn auch von einer „schönen Sache“, die aber eher eine „symbolische Maßnahme“ sei. Es brauche ein Gesamtkonzept gegen Verpackungsmüll. Der WWF sieht das auch so: Dem Verbot komme in Deutschland „eher symbolische Bedeutung zu“, sagte Abfallexperte Bernhard Bauske. „Wenn stattdessen der Verbrauch von Papiertüten steigt oder die Verbraucher auf die kostenlosen Hemdchenbeutel von der Obsttheke ausweichen, ist aus ökologischer Sicht nichts gewonnen.“

Genau das befürchtet FDP-Umweltpolitikerin Judith Skudelny: „Das Verbot wird den konstant hohen Verbrauch der kleineren Gemüse- und Obsttüten weiter befeuern und den Ersatz durch ökologisch schlechtere Alternativen wie die einmalige Nutzung von Papiertüten befördern“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Der Verbraucher werde bei der Frage nach umweltfreundlichen Alternativen im Stich gelassen. Umweltverbände wie der Nabu weisen immer wieder darauf hin, dass zum Beispiel Papiertüten sich leichter zersetzen, aber in der Herstellung nicht ökologischer sind als Plastiktüten.

Lob kam dagegen von der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Das Verbot sei richtig, sagte die Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Für die Herstellung der Tüten würden Ressourcen vergeudet und das Klima belastet, sie trügen auch zur Verschmutzung der Meere bei. „Begleitend zu einem Tütenverbot sollten im Handel attraktive Mehrwegtragetaschen als Alternative zum Kauf angeboten und deren häufige Wiederverwendung durch Bonuspunkte oder Rabatte gefördert werden“, regte sie an.

Das geplante Verbot soll dem Entwurf zufolge übrigens auch „bio-basierte und bio-abbaubare Kunststofftragetaschen“ umfassen. Vor der Annahme, sogenanntes Bio-Plastik löse die Umweltprobleme, hatte Schulze erst kürzlich gewarnt: „Das angebliche Bio-Plastik ist leider meistens eine Mogelpackung“ und verrotte nicht wie echter Biomüll.

Dagegen bewertete Schulze eine Ausdehnung des Verbots auch auf dünne „Hemdchenbeutel“ für Obst und Gemüse am Freitag als nicht sinnvoll: „Wenn wir die verbieten würden, dann würde noch mehr Obst und Gemüse eingeschweißt, portioniert in den Handel kommen“, sagte sie, und empfahl stattdessen mehrfach benutzbare Beutel aus recyceltem Plastik. 2017 hatten die Deutschen bei diesen kleinen Tüten pro Kopf im Schnitt 39 Mal zugegriffen.

Verbote für Wegwerfplastik kommen nicht nur aus Berlin, sondern aus Brüssel: In der EU ist ab 2021 der Verkauf unter anderem von Plastiktellern und -besteck sowie von Strohhalmen aus Plastik tabu.