Plattfuß bleibt Plattfuß

Einlegesohlen können am Fuß nichts ändern – wohl aber Beschwerden lindern

Von Jörg Zittlau

Wenn sich die Fußsohle senkt, bereitet das vielen Betroffenen Probleme. Während bei Kindern barfuß gehen hilft, können Erwachsene von gut angepassten Einlagen profitieren.

Stuttgart In dem Film „Sie nannten ihn Plattfuß“ räumt Bud Spencer so richtig auf. Es gibt unzählige Prügeleien, und der bullige Schauspieler wirkt dabei sehr beweglich. Vielleicht liegt es ja daran, dass er damals Einlegesohlen trug. Denn die gehören seit vielen Jahren zu den Standardtherapien bei Plattfuß. Doch sind sie auch sinnvoll?

Etwa 80 Prozent der Menschen haben hierzulande eine „Fußdeformation“, wie es in der Medizin heißt. Die meisten davon haben wiederum das, was Bud Spencer seinen Spitznamen einbrachte, aber von Ärzten lieber als Senkfuß bezeichnet wird: Das Längsgewölbe im Fuß ist deutlich abgeflacht, hat aber noch keinen kompletten Bodenkontakt. Oft findet man dabei noch einen Spreizfuß, bei dem das Quergewölbe des Fußes sozusagen durchgetreten ist, so dass die Belastungspunkte nicht unter den Ballen des großen und kleinen Zehs liegen, sondern in der Vorfußmitte.

Nicht selten gibt es sogar noch einen Knickfuß obendrauf, bei dem der hintere Teil des Fußes stark nach innen eingesunken ist – bis man am Ende einen Knick-Senk-Spreiz-Fuß hat. Das klingt eher nach Huhn als nach Mensch, und deswegen darf es nicht wundern, dass viele Betroffene und auch Ärzte ihn gerne beseitigen würden.

Dabei greift man oft auf Einlegesohlen zurück. Laut Schätzungen der Herstellerverbände werden sie von 18 Prozent aller Bundesbürger genutzt, rund sieben Prozent haben dafür ein Rezept vom Arzt. Viele Anwender erhoffen sich, dass sich dadurch ihr Fußproblem erledigen könnte. Doch dieser Hoffnung erteilt der Orthopäde Dino Schulz aus Münster eine klare Absage: „Wenn man einen Senkfuß hat und wegen ihm 20 Jahre lang Einlagen trägt, wird man danach immer noch einen Senkfuß haben.“ Die Fußform könne nicht durch Einlagen verändert werden.

Wohl aber können sie die Beschwerden lindern, die mit einer Fußdeformation einhergehen. „So kommt es etwa beim Senk-Spreiz-Fuß oft zu Schwielen am Fuß und auch zu Schmerzen im Mittelfußknochen“, erläutert Schulz, „und so etwas lässt sich durch Einlegesohlen durchaus lindern“. Was aber die Frage aufwirft, ob Einlagen auch dann verschrieben werden sollten, wenn zwar eine Fußdeformation vorliegt, es aber noch keine Beschwerden gibt.

Der Orthopäde verhält sich da eher zurückhaltend: „Man kann da auch erst mal abwarten und beobachten, bevor man gleich die Einlage verschreibt.“ Denn es gebe durchaus Menschen, die trotz eines ausgeprägten Senkfußes niemals Beschwerden entwickeln würden. „Andererseits sollte man auch nicht zu lange warten“, warnt Schulz. Denn es bringe ja nichts, wenn die Einlagen erst dann zum Einsatz kämen, wenn der Patient bereits starke Schmerzen hat und kaum noch laufen kann. Außerdem gebe es keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass die Einlegesohlen irgendeinen Schaden anrichten.

Nichtsdestoweniger sollte man gerade bei Kindern – sofern sie keine Beschwerden haben – mit der Einlegesohle erst einmal warten. Denn da ist die endgültige Ausformung des Fußes noch nicht abgeschlossen, so dass die Deformation in den nächsten Jahren noch verschwinden kann. So beginnen Kinder ohnehin mit Plattfüßen mit dem Laufen, doch die bilden sich in der Regel wieder vollständig zurück.

Dies bestätigt eine Studie der Wiener Universitätsklinik für Orthopädie, in der die Füße von über 800 drei- bis sechsjährigen Kindern untersucht wurden. Es zeigte sich, dass 54 Prozent der Dreijährigen einen Knick-Senk-Fuß hatten, doch bei den Sechsjährigen waren es nur noch 26 Prozent. Trotzdem trug jedes zehnte Kind eine Einlegesohle. „Wir haben ausgerechnet, dass rund 90 Prozent dieser Behandlungen entbehrlich waren“, resümiert der Studienleiter Martin Pfeiffer.

Ein Forscherteam vom Texas Scottish Rite Hospital in Dallas verglich, ob sich durch Einlagen die Senkfüße von Dreijährigen – auf eine Dauer von drei Jahren – besser entwickelten als bei Kindern, die unbehandelt blieben. Im Ergebnis konnte man keine Unterschiede feststellen. Selbst Kinderfüße mit Spezialschuhen, die eigentlich noch intensiver wirken als Einlegesohlen, entwickelten sich nicht besser. Was deutlich macht, dass sich der Fuß auch bei Kindern einer Formung von außen widersetzt: Er entwickelt sich so, wie er will.

Orthopäden und Pädiater betonen allerdings, dass man diesen Prozess positiv beeinflussen kann, indem man die Kinder so oft wie möglich barfuß laufen lässt, um deren Fußmuskulatur zu trainieren. Studien haben nachweisen können, dass diese Strategie das Risiko für einen Plattfuß auf ein Drittel verringern kann.

Im Erwachsenenalter bringt das allerdings nur noch wenig. Hier kann man dann allenfalls versuchen, mit Einlagen eine Linderung seiner Beschwerden zu erreichen. Wobei die Einlagen exakt auf die Form des jeweiligen Fußes angepasst sein sollten. Das gelingt am besten mithilfe einer Pedografie beim Orthopädie-Techniker: Der Patient läuft mehrfach über eine mit Sensoren ausgerüstete Druckmessplatte, die ein Belastungsprofil der abrollenden Fußsohle erstellt. Allerdings erstatten die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nur die Kosten für das preiswertere, aber etwas ungenauere Anpassverfahren per Gipsabdruck.

In den letzten Jahren empfehlen immer mehr Ärzte und Podologen sogenannte sensomotorische oder propriorezeptive Einlagen. Diese sind teuer und werden von den gesetzlichen Krankenkassen auch nicht bezahlt, sie sollen aber durch ihre individuell abgestimmte Polsterung dem Fuß eine sensorische Zusatzinformation geben. „Denn der Fuß ist durchaus ein Organ, das fühlen kann“, erläutert der Orthopäde Schulz, „und das kommt in unserem Schuh-Zeitalter deutlich zu kurz.“

Die sensomotorische Einlage soll nun dieses Defizit ausgleichen, so dass die Fußmuskulatur mobilisiert wird und dem Fuß mehr Stabilität verleiht. „Doch die wissenschaftliche Datenlage dazu ist dünn“, warnt Schulz. Jedenfalls, was die Wirkung bei Senk- und Spreizfuß angeht. Bei Diabetespatienten mit neurologischen Störungen können die sensomotorischen Einlagen dagegen helfen, die Empfindungsfähigkeit im Fuß zu erhalten.