Plötzlich Großfamilie

Am 8. März erscheint Claudia Kundigrabers Buch „Dich hat der Esel im Galopp verloren“. Das Werk ist stark von der Großmutter der Autorin geprägt und erzählt die Geschichte einer weitverzweigten Familie aus der Sicht einer jungen Frau und ihrer Urgroßmutter.

Plötzlich Großfamilie

Claudia Kundigraber ist Autorin, Coach, Yogalehrerin und freie Journalistin. Foto: V. Weinbeer

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Immer wieder ist von der Oma die Rede, ihrer „Mutti“, wie Claudia Kundigraber sie nennt. Denn die Autorin hat die ersten Jahre ihres Lebens bei ihrer Großmutter verbracht, und die Liebe zu dieser lebensklugen und warmherzigen Frau schwingt immer mit, wenn sie von ihr erzählt. Zwölf Kinder hat diese Frau in die Welt gesetzt und ihre Enkelin Claudia, unehelich geboren, auch noch mit aufgezogen.

Es müssen unbeschwerte Kinderjahre Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger gewesen sein, die Kundigraber mit den vier jüngsten Kindern ihrer Oma erlebte. „Wir sind auf jeden Baum gestiegen, haben im Matsch und auf der Müllkippe gespielt“, erzählt sie von den gemeinsamen Unternehmungen mit ihren Geschwistern, die eigentlich ihre Onkel und Tanten waren. Sie waren es auch, die sie beschützten, wenn jemand ihr auf dem Schulhof dumm kam. Eine Großfamilie, in der sie ohne Luxus und mit vielen Freiheiten, aber auch mit festen Regeln aufwuchs, bis sie mit sechseinhalb Jahren zu ihrer Mutter zog. Die enge Bindung zur Großmutter blieb jedoch bestehen, 40 Jahre lang schrieben sich die beiden regelmäßig Briefe.

Mit ihrem Buch, das – nicht zufällig – am 8. März, dem Weltfrauentag, erscheint, setzt Kundigraber ihrer Großmutter ein Denkmal. Das Buch ist keine Biografie, aber stark biografisch geprägt. Im Mittelpunkt steht Anne, eine Bloggerin und Modedesign-Studentin, die nach dem Tod ihrer Großmutter erfährt, dass ihre Familienverhältnisse ganz anders sind, als sie dachte.

Von heute auf morgen mit einer vielköpfigen Verwandtschaft gesegnet, begibt sie sich auf Spurensuche in Zürich, Winterthur, Leipzig und Donaueschingen, den Stationen ihrer Familie. Dabei trifft sie auch ihre Urgroßmutter Elfriede, das Pendant zu Kundigrabers Großmutter, auch sie ist Mutter von zwölf Kindern.

Und wie ihr reales Vorbild verfügt auch Elfriede über einen Schatz an Lebensweisheiten und Sprüchen, die ihr helfen, den Alltag in der Großfamilie zu meistern: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, „Man muss die Feste feiern, wie sie fallen“, „Dreck macht Speck“, „Not macht erfinderisch“, „Junger Most muss gären“. Die titelgebende Redewendung „Dich hat der Esel im Galopp verloren“ bedeutet nach Aussage der Autorin so viel wie: „Du bist vielleicht ne Marke.“

Illustriert ist das Buch mit Dokumenten aus Kundigrabers Familie: Fotos, Briefen, Postkarten und Kalendereinträgen. Insgesamt vier Generationen lässt die Autorin zu Wort kommen, der zeitliche Bogen spannt sich über die vergangenen hundert Jahre.

Claudia Kundigraber studierte Politikwissenschaften, Rhetorik und Germanistik in Tübingen, anschließend ging sie an die Deutsche Journalistenschule in München. Es folgten die Promotion und eine Tätigkeit als Pressesprecherin des evangelischen Kirchentags in Stuttgart. Mit einer Freundin und Kommilitonin gründete sie 1999 die PR-Agentur KUK. Kommunikation in Stuttgart. 2021 stieg sie dort aus und arbeitet heute als Autorin, Coach, Yogalehrerin und freie Journalistin.

„Geschichten begegnen mir überall, und das ist es, was ich liebe“, sagt sie und beschreibt damit eine Art gemeinsamen Nenner ihrer verschiedenen Arbeitsfelder. Denn um Geschichten geht es ihr nicht nur beim Schreiben, sondern auch bei ihrer Coachingtätigkeit. Sie erklärt es so: „Ich bin ein Trüffelschwein. Ich helfe den Menschen, etwas zu ändern, das Buch ihres Lebens neu zu schreiben.“ Wenn Kundigraber von ihrem Leben und ihrer Arbeit erzählt, macht sie den Eindruck einer Frau, die weiß, was sie will und was sie tut. Und die mit viel Engagement und Lebensfreude ihre verschiedenen beruflichen Felder beackert. Die 55-Jährige wohnt in Backnang und ist mit Udo Weisshaar, dem Leiter des Gymnasiums in der Taus, verheiratet. Die beiden haben zwei Kinder im Alter von 16 und 23 Jahren.

Kundigraber hat in Backnang die Veranstaltungsreihe „Charakterköpfe“ ins Leben gerufen. In ihren Räumen in der Markstraße, der „Beletage“, spricht sie jeweils mit zwei Gästen, einem aus Backnang und einem von außerhalb. Beim nächsten Termin im April geht es um das Thema: „Was zieht mich an in meiner Stadt?“ Gäste sind Sigrid Göttlich vom Backnanger Modegeschäft Accente und Monique Fischer aus Zürich, Beraterin aus der Modebranche.

Dem ersten Buch von Claudia Kundigraber sollen noch zwei weitere Bücher folgen. Die Trilogie soll Teil einer Buchreihe mit dem Titel „Charakterfrauen“ werden, in der unter anderem die beiden Backnangerinnen Mirsada Simchen und Ute Fischer zu Wort kommen.