Polen vor der Präsidentenwahl: Ein Land im Kampfmodus

Von Von Doris Heimann, dpa

dpa Starachowice/Lodz. Der Wahltermin liegt mitten im Sommer, die Stimmung ist aufgeheizt. Die Stichwahl um das polnische Präsidentenamt wird spannend: Amtsinhaber Duda führt knapp vor seinem Herausforderer Trzaskowski. Beim Wahlkampf in der Provinz bleiben da nicht alle ruhig und friedlich.

Polen vor der Präsidentenwahl: Ein Land im Kampfmodus

PiS-Präsidentschaftskandidat Andrzej Duda bei einer Wahlkampfveranstaltung im polnischen Lomza. Foto: Czarek Sokolowski/AP/dpa

Andrzej Duda kommt zu spät. Dichtgedrängt stehen seine Anhänger in der glühenden Sommerhitze auf dem Marktplatz in Starachowice. Sie warten auf den Wahlkampfauftritt des polnischen Präsidenten, der am Sonntag auf seine Wiederwahl hofft.

Plötzlich Bewegung am Rande des Marktplatzes: Ein kleines Grüppchen entrollt ein Plakat von Rafal Trzaskowski - Dudas Herausforderer. Der ist hier nicht gut gelitten.

„Diebe, Diebe!“, brüllt die Menge der Duda-Fans und treibt das Grüppchen vor sich her. Ein Rentner schlägt mit einem Besenstiel nach Trzaskowskis Anhängern. Eine Frau schreit ihn an: „Schäm dich! Marsch, in die Kirche und alles dem Pfarrer beichten!“

Die Stimmung im Land ist aufgeladen vor dem 12. Juli. Dann entscheiden die Polen per Stichwahl, wer ihr neuer Präsident wird: Andrzej Duda, der die Unterstützung der nationalkonservativen Regierungspartei PiS hat. Oder Warschaus Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski von der liberalkonservative Bürgerkoalition (KO). Laut Umfragen wird es knapp: Duda liegt demnach bei 46 bis 47,3 Prozent der Stimmen, Traskowski kommt auf 45,9 bis 47,5 Prozent.

Beide Kandidaten sind 48 Jahre alt, haben einen Doktortitel und Familie. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Duda punktet auf dem Land und im konservativen, katholisch geprägten Süden und Osten. Trzaskowski in den Großstädten, im Norden und Westen.

In der südpolnischen Kleinstadt Starachowice, wo die Kirche hinter den bröckelnden Häusern am Marktplatz aufragt, ist Duda in seinem Element. Der temperamentvolle Redner hat ein Gespür für populistische Töne. Er zählt die Sozialleistungen auf, die die PiS-Regierung eingeführt hat: 500 Zloty (rund 113 Euro) Kindergeld pro Kind, eine 13. Rentenzahlung, Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. „Das werdet ihr merken, wenn ihr einkaufen geht!“, ruft der Präsident. Die Menge skandiert: „Danke! Danke!“

Vom Rand des Marktplatzes schallt es dagegen: „Ra-fal! Ra-fal! Freie Gerichte!“ Der Trupp der Trzaskowski-Anhänger hat sich auf der Treppe eines Farbengeschäfts aufgebaut und macht von dort eine Menge Krach - bewacht von einem Dutzend Polizisten.

Duda sagt, was für ihn zählt: „Die Familie, die Familie, nochmals die Familie“. Deshalb wolle er in der Verfassung verankern, dass Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare verboten wird. Langer Applaus. „Ich finde es gut, dass er für die traditionelle Familie ist“, sagt Piotr Gawlik (18), der eine Lehre als Mechatroniker macht. Und Karolina (30), Versicherungsangestellte und Mutter von zwei Kindern, ergänzt: „Durch das Kindergeld haben die Kinder jetzt ein ganz anderes Leben. Wir können ins Schwimmbad gehen, auch Kurse außerhalb der Schule sind drin.“

Szenenwechsel. In der Fußgängerzone von Lodz mit ihren herausgeputzten Altbauten hat der Wahlkampfstab von Trzaskowski vor seinem Auftritt zwei Rednerpulte aufgebaut. Das eine ist für den Kandidaten selbst - an dem anderen hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Andrzej Duda“. Eine Anspielung darauf, dass der Herausforderer dem Präsidenten vorwirft, einem TV-Duell mit ihm aus dem Weg zu gehen. Laut Duda ist es allerdings umgekehrt.

Lodz ist Polens drittgrößte Stadt. Trzaskowski, ein smarter Typ mit modischem Drei-Tage-Bart und Studienerfahrung in Oxford und Paris, kommt hier gut an. Er hat viele unbequeme Fragen an den imaginären Duda am leeren Redepult: „Wo waren Sie, als die Freiheit der Gerichte eingeschränkt wurde? Wer fährt mit den Elektroautos, die Sie in Polen bauen lassen wollten? Warum unterschreiben Sie Gesetze im Dunkeln?“ Trzaskowski hat angekündigt, dass er als Präsident die umstrittenen Justizreformen der PiS rückgängig machen will.

Adam Pierzchala (19) will Trzaskowski wählen. „Er ist offen und eloquent, setzt sich für die Rechte von Frauen und LGBT-Menschen ein“, sagt der Abiturient. Für den Manager Aleksander Sucharkiewicz zählt etwas anderes. Trzaskowski beherrsche fünf Sprachen und werde das Verhältnis Polens zur EU wieder ins Lot bringen, hofft der 43-Jährige. „Duda konzentriert sich nur auf die USA.“

Die Stichwahl zwischen Duda und Trzaskowski ist das vierte Duell seit 2005, bei dem sich ein Kandidat der PiS und ein Bewerber der Liberalkonservativen gegenüberstehen. Der Kampf der beiden Lager ist seitdem immer erbitterter geworden. Schon im ersten Wahlgang lag die Beteiligung bei 61,7 Prozent - in der zweiten Runde dürfte sie noch höher liegen. Die Frage ist nun, wer davon am Ende profitiert.

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