Ob das tatsächlich ein neues Ferienziel wird, ist fraglich: Die Stuttgarter Polizei bietet in einem selbstironischen Online-Video einen Urlaub in ihren Zellen an. Aber nicht jeder findet das wirklich originell.
Selbstironischer Spot: So gemütlich liegt es sich im Polizeigewahrsam.
Von Wolf-Dieter Obst
Stuttgart - Was darf Satire? Darf sich die Polizei auch selbst auf die Schippe nehmen? Oder ist die Vorstellung des Polizeigewahrsams als Hotelwerbung ein Zeichen mangelnden Respekts gegenüber der Klientel, die dort zwangsweise zubringen muss? Urlaub in der Polizeizelle – ein 19-sekündiger Clip des Polizeipräsidiums Stuttgart löst Diskussionen aus. Viele nehmen es mit Humor – aber nicht alle.
Im Stile eines Werbespots eines britischen Reiseveranstalters, dessen Werbeaussagen im Internet mit Szenen aus Reisekatastrophen neu verknüpft werden, stellt ein Beamter eine Zelle im Polizeigewahrsam im Stuttgarter Präsidium auf dem Pragsattel vor. „Nichts geht über einen Urlaub im Polizeigewahrsam“, lautet der Kommentar. „Und jetzt kannst Du 50 Euro pro Person sparen. Das sind 200 Euro für eine vierköpfige Familie! Unsere landesweiten Unterkünfte bieten Dir alles, was Du brauchst, um zur Ruhe zu kommen. Dein Polizeigewahrsam Stuttgart! Jetzt buchen für Sommer 2026.“
Das alles ist natürlich nicht ernst gemeint: „Neben vielen ernsthaften Beiträgen sollte es auch mal humorvolle geben, und die meisten der gut 1500 Kommentare sind positiv“, sagt Johannes Gläser, Social-Media-Manager bei der Pressestelle der Stuttgarter Polizei. Immerhin 700 000 Nutzer hätten das Video in den Polizeikanälen auf Facebook, Instagram und X (ehemals Twitter) gesehen, „das auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich“ den Polizeigewahrsam darstellt. Das Video könne je nach persönlicher Einstellung anders aufgefasst werden – aber es gebe auch die klare Botschaft, dass ein Polizeigewahrsam kein schönes Urlaubsziel sei.
Der Buchungsaufruf sei nicht ernst gemeint – und werde auch nicht ernst aufgenommen, sagt Gläser. „Es wurde Interesse bekundet“, bestätigt er. „Einer hat es als Geburtstagsgeschenk für seine Ehefrau angefragt, ein anderer fragte nach Gutscheinen.“ Das alles sei aber ebenfalls humorvoll gemeint gewesen. Weit hergeholt wäre die Übernachtungsidee allerdings nicht. Das zeigt unter anderem das Beispiel der ehemaligen Justizvollzugsanstalt in Offenburg. Das Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert wurde zum Designhotel umgebaut und im Oktober 2017 für Hotelgäste eröffnet.
Das Polizeivideo unterschlägt ebenso, dass eine Nacht im Gewahrsam nicht viel weniger kostet als in einem Designhotel. Von wegen „50 Euro sparen“ – für die Nacht auf dem Pragsattel werden im echten Leben 190 Euro in Rechnung gestellt. Und das bei oftmals problematischen Insassen in den Nachbarzellen, bei denen am Ende oft umfängliche Reinigungsarbeiten oder in Einzelfällen sogar notfallmedizinische Maßnahmen in den Ausnüchterungszellen notwendig sind. Manchmal auch mit Todesfällen.
Kein Wunder, dass es neben großem Lob für den humorvoll gemeinten Auftritt der Polizei auch den Vorwurf gibt, einen der unangenehmsten Abschnitte des Polizeiareals zu verharmlosen. Laut Johannes Gläser ist der Clip jedenfalls dafür gedacht, mehr Follower der Altersgruppe bis 30 Jahre für die Polizeikanäle zu gewinnen, um diese dann auch bei ernsten Aufrufen zu erreichen. „Die Mischung macht’s, und gelegentlich dürfen wir auch mal Humor zeigen“, sagt der Social-Media-Polizist. Der Schriftsteller Mark Twain wusste freilich auch schon: „Die verborgene Quelle des Humors ist nicht Freude, sondern Kummer.“