Polizeigesetz: Neue Verfassungsbeschwerde eingereicht

dpa/lhe Wiesbaden. In Hessen regt sich Widerstand gegen das novellierte Polizeigesetz. Bürgerrechtler und Datenschützer sehen bei den darin verankerten Überwachungsmethoden Grundrechte in Gefahr. Sie sind nicht die einzigen, die dagegen vorgehen wollen.

Polizeigesetz: Neue Verfassungsbeschwerde eingereicht

Aussenaufnahme des Bundesverfassungsgerichtes. Foto: Uli Deck/Archivbild

Rund ein Jahr nach seinem Inkrafttreten haben Bürgerrechtler und Datenschützer am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde gegen das novellierte hessische Polizeigesetz eingereicht. „Im neuen Polizeigesetz greifen wir zwei Neuregelungen an“, sagte die Juristin der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Sarah Lincoln, am Dienstag in Wiesbaden. Im Fokus stehen demnach die Analysesoftware „Hessendata“ und der Einsatz von Online-Durchsuchungen mittels sogenannter Staatstrojaner - auch als „Hessentrojaner“ bekannt. Zudem richtet sich die Beschwerde gegen das Verfassungsschutzgesetz.

Mit der Mehrheit der Regierungskoalition von CDU und Grünen hatte der hessische Landtag im Sommer 2018 diese neuen Überwachungsinstrumente für die Sicherheitsbehörden im Polizeigesetz verankert. Dazu gehört unter anderem der Einsatz von staatlicher Spionage-Software auf Computern. Bei einer Online-Durchsuchung werden Computer von Verdächtigen mit einem Staatstrojaner verdeckt überwacht. Dazu wird eine geheimgehaltene Sicherheitslücke genutzt. Ein richterlicher Beschluss ist dafür allerdings notwendig.

„Das gefährdet unser aller IT-Sicherheit“, erklärte Lincoln. Dieselben Sicherheitslücken könnten auch von Cyberkriminellen oder ausländischen Geheimdiensten genutzt werden, fürchten die Beschwerdeführer. Sie verlangen daher die Lücken in IT-Systemen zu beseitigen, statt sie für Staatstrojaner zu nutzen. Außerdem stelle der Einsatz einen massiven Eingriff in die Privatsphäre dar.

Bei der Analysesoftware „Hessendata“ fürchten die Datenschützer, dass die Sicherheitsbehörden umfangreiche Persönlichkeitsprofile erstellen könnten. Die Plattform ermöglicht Ermittlern, Informationen aus bestehenden Polizei-Datenbanken mit weiteren Daten Dritter zu verknüpfen, um Ermittlungsansätze zu erhalten. „Verdächtige werden so schnell zum gläsernen Menschen“, kritisierte Lincoln.

Das Innenministerium steht weiter hinter der Novelle. „Terroristen und Kriminelle vernetzen sich über verschlüsselte Kommunikation und planen ihre Straftaten auch mit digitalen Hilfsmitteln“, erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Daher müssten Sicherheitsbehörden die notwendigen Mittel zur Hand haben, um schwerste Straftaten möglichst frühzeitig zu verhindern.

Rückendeckung kam auch von der Gewerkschaft der Polizei in Hessen. Mit den Analyse- und Überwachungsinstrumenten arbeite die Polizei „gut und erfolgreich“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Jens Mohrherr: „Wir halten uns an Recht und Ordnung und gehen davon aus, dass das Verfassungsrecht gewahrt ist.“

Unterstützung bekam die Verfassungsbeschwerde dagegen etwa von den Fraktionen der FDP und der Linken im hessischen Landtag. Das Landespolizeigesetz gehe weit über das notwendige und verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus, klagte der parlamentarische FDP-Geschäftsführer Jürgen Lenders.

Der rechtspolitische Sprecher der Linken, Ulrich Wilken, bedankte sich bei den sieben Beschwerdeführern für ihren Mut und ihr Engagement, die Verfassungsbeschwerde voranzubringen. Zu diesem Kreis zählen unter anderem die Friedensaktivistin Silvia Gingold und die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz.

Aus Hessen kommen nun insgesamt zwei Verfassungsbeschwerden. Bereits am vergangenen Wochenende hatte auch die hessische Piratenpartei angekündigt, ebenfalls an diesem Dienstag gegen den im Polizeigesetz ermöglichten Einsatz von Spionage-Software Beschwerde einzureichen.