Postzustellerin ist im Raum Backnang mit dem Rechtslenker auf Tour

Franziska Knackstedt aus Sulzbach an der Murr stellt in Sechselberg Pakete und Briefe zu. Die 42-Jährige gehört zu den ersten Zustellern, die mit einem Rechtslenker unterwegs sind. Der Raum Backnang nimmt bei den rechtslenkenden Fahrzeugen der Post eine Vorreiterrolle im Land ein.

Postzustellerin ist im Raum Backnang mit dem Rechtslenker auf Tour

Franziska Knackstedt ist eine sogenannte Verbundzustellerin: Sie stellt nämlich Briefe und auch Pakete zu. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Althütte/Backnang. Franziska Knackstedt ist Postzustellerin aus Leidenschaft. Angefangen hat die heute 42-Jährige vor drei Jahren mit einem VW-Bus. Vor rund drei Monaten spendierte ihr die Deutsche Post DHL sozusagen als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk ein neues Zustellauto. Keines mit einem Verbrennermotor, sondern einen Stromer. Als sie erstmals in den Streetscooter Gigabox einsteigen will, ist da aber gar kein Sitz für sie. Dort, wo normalerweise der Fahrer hockt, hat eine Kiste mit Briefen und Postkarten ihren Platz gefunden. Das Lenkrad und den Fahrersitz fand sie auf der „falschen“ Seite, nämlich rechts.

„O je, Hilfe“, dachte Knackstedt im ersten Augenblick. Wie soll das denn gehen? Und warum überhaupt ein Rechtslenker? Im vergangenen Jahr begann die DHL, Rechtslenker einzusetzen, um die Sicherheit der Zusteller und die Schnelligkeit der Zustellung zu erhöhen (siehe auch den Infotext). Aber das ist nur Kopfsache, dachte sich die 42-Jährige, und setzte sich rechts hinters Steuer. „Dann bin ich losgefahren, und ich muss sagen, die ersten zwei, drei Stunden ist’s schon komisch, weil man halt doch eher nach links orientiert ist und man sich sagen muss: Ich muss jetzt rechts bleiben. Aber nur der erste Tag ist etwas komisch, danach hat man keine Probleme mehr.“

Franziska Knackstedt: „Wenn man bei der Post nicht entspannt ist, dann ist man fehl am Platz. Da muss man einfach entspannt sein, weil jeder Tag unterschiedlich ist.“

Knackstedt hat die Erfahrung gemacht, dass auch die Kunden bemerkt haben, dass die Zustellerin plötzlich auf der Gehwegseite aus ihrem gelben Flitzer steigt. „Ich wurde viel angesprochen. Das ging mir erst gestern in einem anderen Bezirk bei einer Firma so: ‚Oh, hab’ ich jetzt richtig gesehen? Sind Sie rechts ausgestiegen?‘“ Auch eine ältere Dame, die stets am Fenster sitzt und auf die Post wartet, habe erst gelacht und dann gefragt: „Fährst du jetzt rechts? Ha, da muss ich mich jetzt komplett umorientieren, dass du jetzt rechts kommst.“

Täglich 120 Pakete und hunderte Briefe

Die Sulzbacherin ist vor einem Jahr Teamleiterin geworden. Sie beginnt ihre Arbeit am Zustellstützpunkt im Backnanger Gewerbegebiet Lerchenäcker gegen 9 Uhr. Die ersten ihrer 14 Kolleginnen und Kollegen sind bereits um 7 Uhr da, um die Pakte und Briefe für die Bezirke vorzusortieren. Ab etwa 8 Uhr werden dann die ersten Autos beladen. Den Streetscooter Gigabox fahren diejenigen Zustellerinnen und Zusteller, die viele Pakete zu befördern haben. Dieses E-Auto, das es nur als Rechtslenker gibt, unterscheidet sich von den anderen Streetscootern durch seinen wesentlich größeren und auch begehbaren Laderaum.

Aus Rollcontainern nimmt Knackstedt ihre Tagesration entgegen. Das sind jeden Tag bis zu 120 Pakete und dazu noch mehrere Hundert Briefsendungen. Die Pakete werden mit einem Handscanner eingescannt. Der erkennt die Adressen und gibt der Zustellerin am Schluss einen Weg vor. Entsprechend sortiert sie die Pakete und platziert sie im Auto. Per Fernbedienung öffnet sie die seitlich rechts angeordnete Schiebetür, die sich mit einem hörbaren Surren öffnet. Und mit dem Chip an ihrem Handgelenk kann sie die Hecktür öffnen, auch wenn sie vollbepackt ist und gerade keine Hand frei hat zum Öffnen.

Ordnung im Auto ist wichtig

Im Innenraum herrscht Ordnung. In beidseitig angebrachten Regalen hat sie die Pakete am Morgen nach Straßen sortiert, sodass sie beim Zustellen erst gar nicht lange suchen muss. Die großen Pakete liegen griffbereit auf dem Boden. Wenn mal ganz große Pakete dabei sind, lassen sich die Regalböden an der Wand auch umklappen. Augenzwinkernd sagt die 42-Jährige, dass beim Beladen tatsächlich jede Zustellerin und jeder Zusteller im Lauf der Monate sein eigenes System entwickelt.

Dann geht’s für Knackstedt den Buckel hoch. Denn sie ist in Althütte überwiegend im Zustellbezirk 71566-46 eingesetzt. Das heißt, sie ist mit der Zustellung in den Teilorten Sechselberg, Fautsbach, Hörschhof und Rottmannsberger Sägemühle beschäftigt. Bereits nach wenigen Wochen in einem neuen Bezirk kennt man sich, man grüßt sich, wechselt miteinander auch mal auf die Schnelle ein paar Worte über Gott und die Welt. „Man weiß schnell, bei dem ist man jeden Tag und bringt Pakete und da kommt heute mal wieder zweimal Hundefutter. Oder: Jetzt beginnt die schöne Jahreszeit, da sieht man an den Paketen, dass die Leute was im Garten machen.“

Bei manchen Vierbeinern ist Vorsicht geboten

Was, wenn ein Hund den Zugang zum Haus verwehrt? Postboten und Vierbeiner sollen hin und wieder ein sehr angespanntes Verhältnis miteinander haben. „Mit der Zeit kennt man die Hunde. Man weiß, kann ich da reingehen oder soll ich draußen bleiben... Ich hab hier in meinem Bezirk zwei, drei Hunde, die würden mit mir ins Auto steigen und würden mit zustellen, aber es gibt auch Bezirke, da muss ich vorsichtig sein.“ Gerade vor 14 Tagen habe es so einen Vorfall gegeben, hin zum Haus mit dem Paket, die Tür geht auf, der Hund kommt raus und schnappt zu. „Er hat nicht gebissen, nur etwas gezwickt“, stellt Knackstedt klar. Im Scanner kann man übrigens hinterlegen, an welcher Stelle Vorsicht vor einem Vierbeiner geboten ist. Das wird dann beim Zustellen auf dem Wegeplan angezeigt. „Dann ploppt da auf: Achtung Hund.“

Mit 39 hat Knackstedt ihr Leben komplett umgekrempelt. Den Schritt zur Post vor drei Jahren hat die gebürtige Berlinerin noch keinen Tag bereut. Zuvor hat sie allerdings etwas ganz anderes gemacht. Die gelernte Köchin war selbstständig in der Gastronomie tätig. Zuletzt führte sie zehn Jahre lang das „Waldhorn“ in Sulzbach an der Murr. Stationen davor waren das Bürgerhaus in Backnang, das „Fritzle“ in Allmersbach am Weinberg (ehemaliges Gasthaus Sonne) und das Brauhaus in Sulzbach.

Im ruhigen Wohngebiet in Sechselberg kommt während des Termins mit der Zeitung ein älterer Mann im Auto vorbei, kurbelt die Scheibe herunter und bleibt stehen. Knackstedt ruft ihm zu: „Ja Grüß Gottle, na wie geht’s?“ Er fragt neugierig: „Habt ihr ein großes Meeting hier?“ Das nette Gespräch mit dem Senioren, mit dem die Zustellerin per Du ist, dauert zwei, drei Minuten. Und er verabschiedet sich freundlich mit den Worten: „Passt auf euch auf.“ Jetzt wird klar, warum die Postzustellerin ihren Job so sehr liebt – es ist die Nähe zu den Leuten, zu ihren Kundinnen und Kunden.

Daten und Fakten zum Zustellstützpunkt Backnang, zur Deutsche-Post-DHL-Gruppe und zum Streetscooter

Zustellungsgebiet Folgende Orte werden vom Zustellstützpunkt (ZSP) Backnang (Lerchenäcker) zugestellt: Allmersbach im Tal, Althütte, Aspach, Auenwald, Backnang, Burgstetten, Kirchberg an der Murr, Oppenweiler und Weissach im Tal.

Fuhrpark Insgesamt verfügt der ZSP über 50 Fahrzeuge, davon 41 elektrisch. (Von diesen 41 sind wiederum mittlerweile zwölf Fahrzeuge Rechtslenker). Dazu kommen noch sechs E-Bikes und 13 E-Trikes. Das erste E-Auto für den ZSP Backnang kam im August 2020.

Versandmengen Es werden vom ZSP Backnang aus täglich durchschnittlich rund 38000 Briefsendungen, 4600 Pakete, 95 Päckchen und 580 Warensendungen befördert.

Streetscooter 2012 hat die Streetscooter GmbH in Aachen, ein Hersteller von Elektrofahrzeugen, den ersten Prototyp in verschiedenen Workshops getestet. Anfang 2014 setzte Deutsche Post DHL dann insgesamt 150 Vorserienfahrzeuge in verschiedenen Zustellstützpunkten bundesweit im Betrieb ein. Rechtslenker gibt es seit 2022. Alle Streetscooter Gigabox sind Rechtslenker und werden in Düren produziert. Lediglich der Prototyp war ein Linkslenker.

Post&Paket Deutschland ist ein Unternehmensbereich der Deutsche Post DHL Group mit rund 197000 Mitarbeitern. Die Gruppe erzielte 2021 einen Umsatz von mehr als 81 Milliarden Euro. Bis 2050 strebt die Deutsche Post DHL Group die Null-Emissionen-Logistik an. Kerngeschäft ist das Transportieren, Sortieren und Zustellen von Briefen und Paketen, das unter zwei Marken betrieben wird:

Deutsche Post ist der größte Postdienstleister Europas und Marktführer im deutschen Briefmarkt. Das Produkt- und Serviceangebot geht von der Briefzustellung über die sichere elektronische Kommunikation bis zum Dialogmarketing für Privat- und Geschäftskunden.

DHL ist die weltweit führende Marke in der Logistik. DHL Paket ist als Marktführer im deutschen Paketmarkt positioniert und ist auf den Versand von warentragenden Sendungen spezialisiert. DHL bietet individuelle Versandlösungen für den Online-Handel.