Protest gegen die AfD: laut, aber friedlich

Kay Gottschalk, Gottfried Curio und Jürgen Braun treten im Backnanger Bürgerhaus auf – Polizei mit großem Aufgebot vor Ort

Unter enormem Polizeischutz hatte die AfD-Veranstaltung mit den Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk, Gottfried Curio und Jürgen Braun im Backnanger Bürgerhaus am Samstagabend begonnen. Vor den Türen des Gebäudes demonstrierten Anhänger der Antifaschistischen Linken Rems-Murr lautstark mit Parolen und Plakaten. „Stören, blockieren, protestieren“ war die Devise. Bei der Protestaktion blieb alles friedlich – die Polizei musste nicht eingreifen.

Protest gegen die AfD: laut, aber friedlich

Mehr als zehn Mannschaftswagen hatten sich im Bereich der Bahnhofstraße postiert. Fotos: A. Becher

Von Yvonne Weirauch

BACKNANG. Überall Polizeifahrzeuge, ein Mannschaftswagen reiht sich an den nächsten, Beamte in Schutzwesten und mit Helmen auf dem Kopf. Das Polizeiaufgebot ist beachtlich. Rund um das Bürgerhaus hatte sich schon am späteren Samstagnachmittag ein Großaufgebot der Polizei für die Abendveranstaltung der AfD postiert. „Wir haben rechtzeitig aufgerüstet, da uns zu Ohren gekommen ist, dass der Zugang zur Veranstaltung komplett blockiert werden soll“, erklärt Ulli Eder, Leiter des Polizeireviers Backnang. Wie viele Beamte im Einsatz sind, verrät er nicht.

Tatsächlich kursierten im Vorfeld der Veranstaltung im Internet Aufrufe für eine Gegendemonstration, denn die AfD im Rems-Murr-Kreis hatte eine Großveranstaltung mit dem stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Kay Gottschalk, Gottfried Curio und Jürgen Braun – alle drei Bundestagsabgeordnete ihrer Partei – angekündigt. Zum Protest aufgerufen hat ein „Bündnis zusammen gegen rechts“.

„Nicht meine Alternative“ –

„Mehr Liebe, weniger Hetze“

Währenddessen immer mehr Beamte Stellung beziehen und Präsenz zeigen, wird am Schillerplatz ein kleiner Unterstand aufgebaut. „Gemeinschaft für ein gutes Leben“, „Demokratie ohne Haken“ – dies ist unter anderem zu lesen. „Was ist denn hier los?“, erkundigt sich etwas erschrocken ein Passant angesichts der vielen bewaffneten Polizisten. „Eine Demo gegen die AfD“, wird ihm erklärt. „Na, da muss man sich ja wohl anschließen“, sagt der Mann. Noch ist die Menge, die sich auf dem Schillerplatz zusammentut, überschaubar. „Wir warten jetzt mal ab“, sagt Ulli Eder. Jeder könne seine Versammlung abhalten: „Die AfD drinnen, die Demonstranten draußen. Es sollte eben keiner Straftaten begehen“, sagt Eder gelassen.

Kurz nach 18 Uhr hört man Geschrei aus Richtung Bahnhof. Eine Gruppe von rund 50 jungen Menschen marschiert zum Bürgerhaus. Einige von ihnen tragen ein großes Plakat vor sich her mit der Aufschrift: „Kein Bock auf AfD, rechte Hetze oder Stress mit Nazis? Komm zum offenen antifaschistischen Treffen Rems-Murr.“ Vor dem Bürgerhaus legt der Demonstrationszug einen Stopp ein, Banner und Plakate werden hochgehalten. „Nicht meine Alternative“ ist da zu lesen, „Mehr Liebe, weniger Hetze“ und „Klassenkampf“. Parolen werden gerufen: „Lasst Rassisten nicht in Ruh, stimmt zu.“ – „Ganz Backnang hasst die AfD“ – „Alle zusammen gegen den Faschismus.“ Der Polizei-Einsatzleiter Gerald Jüngel und Kollege Ulli Eder beobachten die Bahnhofstraße aus leicht erhöhter Position, vom Treppenaufgang zum Bürgerhaus. Immer wieder spricht Ulli Eder in sein Funkgerät. Alles unter Kontrolle, verrät sein Blick.

Unterdessen trudeln auch die ersten Besucher der AfD-Veranstaltung ein. Manche gehen schnell vorbei, andere drehen sich auf der Treppe demonstrativ um und mustern die Demonstranten, zücken ihr Handy und schießen Fotos. Manche lachen, manche schütteln mit dem Kopf. „Die müssen doch bald heiser sein, so wie die schreien“, hört man aus den AfD-Reihen.

Die Polizisten lassen die Demonstranten nicht aus den Augen, sie stehen entlang der Bahnhofstraße und beobachten das Szenario, eingreifen müssen sie nicht. Auch als die Gruppe der Protestierenden auf rund 150 Menschen anwächst, bleibt alles friedlich. Allerdings sind mittlerweile noch mehr Polizisten vor Ort, die sich in Höhe der Volkshochschule aufstellen und die Straße sperren.

Am Eingang des Bürgerhauses steht Sicherheitspersonal einer privaten Security-Firma. Hinein kommen Besucher nur, wenn sie sich bei einer Eingangskontrolle komplett abtasten lassen und ihre Hosen- und Jackentaschen leeren. Direkt vor dem Saal herrscht beim Sicherheitspersonal ein wenig Verwirrung: Flaschen dürfen nicht rein – aber wie sieht es mit Taschen aus? Auf die Frage, was denn den Besuchern alles abgenommen werden müsse, erfolgt die harsche Antwort: „Kein Kommentar.“

Um kurz nach 19 Uhr, die Veranstaltung sollte eigentlich schon laufen, stehen noch einige Besucher vor dem Saal im Foyer. Es bilden sich erste kleine Grüppchen, man begrüßt sich mit Umarmung und schwatzt. Drinnen ist für mehr als 300 Gäste bestuhlt, gut die Hälfte der Plätze ist noch frei. Die meisten Anwesenden scheinen sich zu kennen. Als die Gäste Kay Gottschalk, Gottfried Curio und Jürgen Braun anwesend sind, geht es los. Rund 200 Zuhörer sind im Saal.

Die Demonstranten ziehen nun einige Meter weiter zum Schillerplatz. Dort hält Reinhard Neudorfer eine Rede. Er übermittelt die Grüße des Kreisvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und sagt: „Wir haben antifaschistische Aktionen unterstützt und werden das weiter tun“. Er fordert eine Repolitisierung der Gewerkschaften, von denen sich manch eine „zum Versicherungsverein“ entwickelt habe. „Aber wir sind eine Kampforganisation und müssen es bleiben“, so Neudorfer. Er betont: „Das Problem liegt in der Mitte der Gesellschaft, aus dieser heraus kommt der Rechtsruck.“ Gegen 19.30 Uhr ist die Versammlung aufgelöst, der lautstarke, friedliche Protest zu Ende. Einige Polizisten packen ihr Vesper aus. „Ein völlig entspannter Einsatz“, ist die erste Bilanz von Revierleiter Eder. Auch wenn die Demonstration beendet ist, behalte man das Bürgerhaus noch während der Veranstaltung im Auge. „Allerdings nicht mehr mit allen Einsatzkräften.“ Der Abend in Backnang bleibt ruhig. „Zu Zwischenfällen kam es auch nach der Protestkundgebung nicht“, so ein Polizeipressesprecher gestern auf Nachfrage.

Protest gegen die AfD: laut, aber friedlich

Die Demonstranten schreien ihre Parolen Richtung Bürgerhaus.