Proteste in Rio nach tödlichen Schüssen auf Achtjährige

dpa Rio de Janeiro. Bei den Einsätzen der brasilianischen Polizei in den Favelas geraten immer wieder Unschuldige zwischen die Fronten. Menschenrechtler werfen der Regierung vor, einen regelrechten Krieg gegen die Armen zu führen. Ein kleines Mädchen ist das jüngste Opfer der Gewaltspirale.

Proteste in Rio nach tödlichen Schüssen auf Achtjährige

Trauergäste tragen und begleiten den Sarg mit den sterblichen Überresten der Achtjährigen. Foto: Silvia Izquierdo/AP

Als Reaktion auf den dramatischen Tod einer Achtjährigen haben Hunderte Menschen in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro am Sonntag gegen Polizeigewalt protestiert.

Das Mädchen war mit seiner Mutter in einem Kleintransporter in einem Armenviertel unterwegs, als es von einer Kugel getroffen wurde, wie brasilianische Medien berichteten. Laut Augenzeugen soll ein Militärpolizist den tödlichen Schuss abgefeuert haben. Nach Polizeiangaben ereignete sich das Unglück während einer Auseinandersetzung mit Kriminellen.

Die Achtjährige wurde am Sonntag in Rio beigesetzt. Der Fall wird von den Behörden untersucht. Die Militärpolizisten, die an dem Einsatz am Freitag beteiligt waren, sollten am Montag von Ermittlern vernommen werden. „Derzeit gibt es keinen Hinweis auf die Beteiligung eines Militärpolizisten an dieser traurigen Episode“, sagte Polizeisprecher Mauro Fliess im Fernsehsender Globo News.

Die brasilianischen Sicherheitskräfte sind für ihr hartes Vorgehen bekannt. Wenn die schwerbewaffneten Spezialeinheiten der Polizei im Kampf gegen die Drogenbanden in die Elendsviertel einrücken, geraten auch immer wieder Unbeteiligte zwischen die Fronten.

„Es gab keine Schießerei. Es gab nur zwei Schüsse, die der Polizist abgefeuert hat“, sagte der Fahrer des Kleinbusses dem Nachrichtenportal G1. „Er sagt, es sei von allen Seiten geschossen worden. Das ist eine Lüge.“

Den Berichten zufolge ist das Mädchen bereits das fünfte Kind, das in diesem Jahr in Rio als Folge von Polizeigewalt starb. Im Zeitraum von Januar bis August sind demnach bereits 1249 Menschen in der Metropole bei ähnlichen Polizeieinsätzen ums Leben gekommen.

„Der Tod unschuldiger Menschen darf von der Regierung nicht länger als akzeptabler Kollateralschaden hingenommen werden“, hieß es in einer Erklärung der Anwaltskammer. „Der Tod des Mädchens zeigt einmal mehr, dass die Opfer dieser auf Konfrontation ausgerichteten Sicherheitspolitik meist arme, schwarze Menschen sind.“

Das Opfer war farbig und stammte aus einem Elendsbezirk. „Wir fordern den Staat dazu auf, seiner Verantwortung für den Schutz des Lebens aller Menschen gerecht zu werden, unabhängig von Rasse und Herkunft“, hieß es in einer Stellungnahme der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Kritiker machen Rios Gouverneur Wilson Witzel für die Polizeigewalt verantwortlich, weil er mit harter Hand gegen die Kriminalität in den Armenvierteln vorgeht. Witzel hatte unter anderem vorgeschlagen, dass Scharfschützen aus Hubschraubern heraus auf Bewaffnete in den Favelas schießen sollen. Er unterstützt ebenso wie Brasiliens rechter Präsident Jair Bolsonaro eine Gesetzesinitiative, nach der Polizisten nicht juristisch belangt werden können, wenn sie im Einsatz Menschen töten.