Daniela Klette

Gericht geht im Klette-Prozess nicht von Mordversuch aus

Das Gericht hat eine erste Einschätzung zu einem Raubüberfall in Stuhr nahe Bremen abgegeben. Der rechtliche Hinweis könnte weitreichende Folgen haben.

Gericht geht im Klette-Prozess nicht von Mordversuch aus

Die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette steht seit Ende März wegen einer Serie von Überfällen zwischen 1999 und 2016 vor Gericht.

Von red/dpa

Im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette ist der schwerste Vorwurf vom Tisch. Das Landgericht Verden wertet den bewaffneten Überfall in Stuhr nahe Bremen nicht als Mordversuch, wie das Gericht mit einem rechtlichen Hinweis klarstellte. Die 66-Jährige kann mit einer niedrigeren Strafe rechnen, falls sie verurteilt werden sollte.

Das Gericht geht allerdings weiter von einem sogenannten bedingten Tötungsvorsatz aus. Die Richter glauben also, dass der Schütze den Tod des Opfers zwar nicht unbedingt gewollt, ihn aber in Kauf genommen hat. Doch er sei von dem Vorsatz zurückgetreten und habe entschieden, die Tat nicht zu Ende zu bringen.

Überfall auf einen Geldtransporter mit drei Schüssen

Der Überfall am 6. Juni 2015 in Stuhr bei Bremen dauerte nur etwa vier Minuten: Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen die drei ehemaligen linksextremistischen RAF-Terroristen Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub einen Geldtransporter mit knapp einer Million Euro im Laderaum gestoppt haben.

Vermummte Täter sprangen nach Angaben der Staatsanwaltschaft aus einem weißen VW-Transporter, der rückwärts gegen die Wand eines Supermarkts gefahren war. Drei Schüsse fielen, einer in den Reifen, einer gegen die Scheibe und einer gegen die Beifahrertür des schwarzen Wagens mit der anvisierten Beute. Zwei Schüsse drangen laut Anklage in die Fahrerkabine ein, die Geldboten blieben körperlich unverletzt. Das Trio soll am Ende ohne Beute geflüchtet sein.

Anklage wegen 13 Raubüberfällen

Die Angeklagte steht unter Verdacht, mit Garweg und Staub Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen zu haben. Dabei sollen sie mehr als 2,7 Millionen Euro für ihr Leben im Untergrund erbeutet haben.

Ermittler nahmen Klette im Februar 2024 in ihrer Wohnung in Berlin fest. Sie sitzt seitdem im Frauengefängnis in Vechta in Untersuchungshaft. Ihre mutmaßlichen Komplizen sind weiter auf der Flucht.

Diskussion unter Juristen: War es ein Mordversuch oder nicht?

Die Staatsanwaltschaft wertet die Schüsse in Stuhr als Mordversuch. Diese Einschätzung ist unter Juristen umstritten: Noch vor Beginn des Prozesses stellte das Oberlandesgericht Celle klar, dass es keinen dringenden Tatverdacht wegen versuchten Mordes sieht.

Auch die Verteidigung lehnte den Vorwurf von Anfang an ab. Sie betonte wiederholt, dass nicht gezielt auf den Fahrer des Geldtransporters geschossen worden sei. Die Anwälte forderten weitere Gutachten, die unter anderem den Schusswinkel und ein Projektil überprüfen sollen.

Gericht: Geldbote blieb nur aus „reinem Zufall“ unverletzt

Das Gericht lehnte die Anträge ab. Der Schütze war nach Überzeugung des Gerichts in einer solch dynamischen Situation nicht in der Lage, vor dem Abdrücken der Waffe den Schusswinkel oder das Splittern eines Projektils zu berechnen. Es sei „nur dem reinen Zufall zu verdanken“, dass durch die Schüsse niemand verletzt wurde.

Was am Ende zum Abbruch der Tat führte - ob das Trio beispielsweise durch eine Sirene der Polizei gestört wurde oder freiwillig den Rückzug antrat - muss nach Angaben des Vorsitzenden Richters noch geklärt werden.

Prozess für Sommerpause unterbrochen

Das Gericht hat den Prozess nun für einen Monat unterbrochen. Anfang August soll das Verfahren fortgesetzt werden. Weitere Verhandlungstermine sind bis Ende des Jahres festgelegt. Beobachter gehen davon aus, dass sich das Verfahren noch deutlich länger ziehen wird.