Prozess um Falschgeld und Betrug

27-Jähriger aus gutbürgerlichen Verhältnissen hat sich jahrelang auf Kosten anderer bereichert

Prozess um Falschgeld und Betrug

Foto: E. Wodicka/BilderBox

Von Andrea Wüstholz


WAIBLINGEN/STUTTGART. Fast zwei Stunden dauerte es, bis die Anklageschriften verlesen waren. Es geht um Falschgeld und vielfachen Betrug im Verfahren gegen einen 27-jährigen Mann aus dem Rems-Murr-Kreis, der sich seit gestern vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten muss. Über seinen Anwalt ließ er mitteilen, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien richtig „und werden vollumfänglich eingeräumt“.

Knapp vier Jahre lang hat sich der Mann demnach auf verschiedene Arten auf Kosten anderer bereichert. Der Schaden beläuft sich auf annähernd 40000 Euro; einen Teil davon hat der Mann laut seinem Anwalt mithilfe seiner Eltern bereits zurückgezahlt. Seit Mitte Juni sitzt der Vater eines Kindergartenkinds in U-Haft. Die Polizei hatte ihn bei seinem Arbeitgeber, einer Vermögensberatung, abgeholt.

Bereits gut drei Jahre liegen seine mutmaßlichen Taten in Zusammenhang mit Falschgeld zurück. Laut Anklageschrift hat der Mann im Darknet eine Vielzahl falsche 50-Euro-Scheine für zwölf Euro das Stück bei einem niederländischen Anbieter gekauft. Das Darknet ist ein Bereich im Internet, in welchem man sich anonym und meist spurenfrei bewegen kann. Menschenrechtler und Aktivisten in Ländern, die ihren Bürgern freien Zugang zum Internet verwehren, schätzen das Darknet sehr – aber eben auch Kriminelle. Die falschen 50-Euro-Noten waren offenbar gut gemacht. Jedenfalls gelang es dem Angeklagten, mit den falschen Scheinen ein Smartphone oder Computerzubehör zu bezahlen. Die Waren hatte er bei E-Bay bestellt. Es wurden Treffpunkte für die Übergabe vereinbart; der Mann zahlte bar. Erst als die Verkäufer das Geld bei ihrer Bank einzahlen wollten, flog der Schwindel auf. Nur konnten die Geschädigten mangels Klarnamen nicht nachweisen, wer sie da eigentlich übers Ohr gehauen hatte.

Angeklagter wächst in geordneten
bürgerlichen Verhältnissen auf

Fast 300 Einzeltaten sind in einer weiteren Anklageschrift aufgelistet. Über Jahre hinweg hat der 27-Jährige laut Anklage im Internet Diverses bestellt – und die Verkäufer um den Kaufpreis betrogen. Bei E-Bay täuschte er offenbar bei Anbietern Kaufinteresse vor, um an deren Bankdaten heranzukommen. Diese Daten nutzte er dann für seine Einkäufe. Die Waren ließ er sich an Packstationen liefern. Wiederum im Darknet besorgte er sich laut Anklage PostnummernAccounts oder SIM-Kartendubletten, mit deren Hilfe er die Transaktionen ausführte. Einen Teil der Einkäufe behielt er für sich, vieles verkaufte er weiter. Die Staatsanwältin bewies einen sehr langen Atem, bis sie alle Bestellungen verlesen hatte, unter anderem gehören Notebooks, Konsolen, Tablets, Computerzubehör, Computerspiele und eine Spiegelreflexkamera dazu.

Weshalb all die Betrügereien so lange nicht aufflogen, blieb am ersten Verhandlungstag noch offen. Für das Verfahren hat die 17. Große Strafkammer zwölf weitere Termine angesetzt.

„Ich bereue“, sagte der Mann, und als die Rede auf sein kleines Kind kam, flossen Tränen – auch in den Zuschauerrängen, wo die Mutter des Kinds neben den Eltern des Angeklagten saß. Eine gutbürgerliche Familie, geordnete Verhältnisse, beide Eltern in ehrbaren Berufen tätig: Meistens haben es die Richter mit Angeklagten zu tun, die aus ganz anderen Verhältnissen stammen.

Entsprechend sparten die vorsitzende Richterin und ihr Kollege nicht mit deutlichen Worten: Ob es sein könne, „dass man Sie zu sehr verwöhnt hat?“ – „Warum kriegen Sie nichts auf die Kette?“ – Ob es nicht ganz einfach darum ging, auf Kosten anderer auf großem Fuß zu leben und den „Großkotz“ zu spielen? „Mir war das Ausmaß einfach nicht bewusst“, beteuerte der Angeklagte. Er habe „alles ausgeblendet“, sei in einen „Kaufrausch“ geraten. Die U-Haft „hat alles in mir verändert“, sagte der Mann unter Tränen: „Ich würde nie mehr etwas machen. Nie mehr.“