Nach dem teilweisen Erfolg im Gaza fragt Moderatorin Caren Miosga, wie wirksam „die Methode Trump“ sei. Bringt sie Frieden auch für die Ukraine? Ihre Gäste zweifeln daran.
Von links: Caren Miosga, Grünen-Politiker Omid Nouripour, Jenny Havemann, deutsch-israelische Unternehmerin und Podcasterin
Von Christoph Link
Viel umjubelt und schon wieder vorbei: Die Waffenruhe für den Gaza hat nur eine Woche gehalten. Und die von US-Präsident Donald Trump eingefädelte Befreiung von israelischen Geiseln hat zwar ein Trauma beendet, aber wie es mit der Phase zwei im Gaza – der Entwaffnung der Hamas – weiter geht, das steht in den Sternen.
„Die Hamas hat die Waffenruhe gebrochen, da sie die Leichname von 16 getöteten Geiseln nicht zurück gegeben hat“, das ist die feste Überzeugung der in Israel lebenden Autorin Jenny Havemann, die sie im ARD-Talk am Sonntag äußerte. Aber rechtfertigt das einen Luftangriff der Israelis mit 29 Toten im Gaza? Nein, das habe mit Verhältnismäßigkeit „nichts zu tun“, meinte der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour.
Politikwissenschaftler: Trumps Deal nicht nachhaltig
Einhellig in der Studiorunde war die Erkenntnis, dass es einen Webfehler in der von Trump herbeigeführten Vereinbarung gegeben hat: „Von Anfang an war klar, dass es nach der Freilassung der Geiseln ein Machtvakuum im Gaza gegeben wird – das füllt die Hamas jetzt aus“, sagte der Politikwissenschaftler Peter R. Neumann: Trumps Deal sei ein „schneller“ aber kein nachhaltiger Deal gewesen. Die Rolle der Hamas sei immer der „Knackpunkt“ in der Vereinbarung gewesen, denn sie soll entweder entwaffnet im Gaza bleiben oder die Region verlassen – also eine Selbstaufgabe für eine militärische Terrororganisation. „Das birgt unheimlich Sprengkraft“, meinte Neumann. Die USA und die arabischen Staaten müssten jetzt „dran bleiben“ am Deal.
„Das Auge weint und das Herz lacht“, so beschreibt die deutsch-israelische Unternehmerin @jjhavemann die Stimmung in Israel nach der Rückkehr der Geiseln. Für sie mischen sich Freude und Erleichterung mit tiefer Trauer um die noch nicht zurückgegebenen Geiseln. #Miosgapic.twitter.com/h4oTLx8gsE — Caren Miosga (@CarenMiosgaTalk) October 19, 2025
Er erinnerte an die Geschichte der Befriedung des Nordirland-Konfliktes: Da habe es 1994 eine Waffenruhe gegeben, 1998 ein Friedensabkommen, 2001 habe die IRA begonnen ihre Waffen abzugeben und 2005 sei das abgeschlossen gewesen. „Das hat elf Jahre gedauert, ich bin mir nicht sicher, ob Trump die Geduld dazu hat.“
Hamas kommt zurück
Omid Nouripour analysierte, dass die Hamas jetzt wieder ihre Macht im Gaza ausbauen wollten: „Die sind auch noch stolz darauf, Menschen zu exekutieren. Sie verbreiten wieder Angst und Schrecken.“ Der Gaza brauche dringend eine Atempause, die humanitären Hilfslieferungen müssten weiter gehen, sonst werde die Lage wieder dramatisch und die Leute fragten sich, was sie eigentlich vom Frieden hätten. Nur wenn die internationale Gemeinschaft stark mit Hilfe im Gaza auftrete, dann würde sich die Leute vollständig von der Hamas abwenden.
Für Nouripour sollte die UN-Hilfsorganisation für die Palästinenser – UNRWA – da mit ihrer Erfahrung mitwirken. Jenny Havemann widersprach dem: Die UNRWA sei eine „Kriegspartei“ auf Seiten der Hamas, „sie sollte aufgelöst werden“. Mit der Ansicht blieb Havemann allerdings alleine.
Putin bietet ein Gegengeschäft an
Die Methode Trump – schnelle Deals - hat also ihre Schwächen, und das ist auch am Beispiel der Ukraine erörtert worden. Geplant ist ein Treffen von Trump mit Putin in Budapest, da werde also das „ergebnislose Treffen“ von Alaska auf europäischem Boden wiederholt, meinte Nouripour. Anders als Außenminister Johann Wadephul CDU), der die Begegnung begrüßte, freue er sich nicht über diesen Gipfel, meinte der Grünen-Politiker. Putin werde die Aufmerksamkeit, die auf dem Gipfel liege, wieder nutzen, um die Stromversorgung der Ukraine zu bombardieren. Um es in „nette Worte“ zu kleiden, wie er Trumps Politik finde, würde er den Begriff „naiv“ verwenden, sagte Nouripour.
Ähnlich sah das Peter R. Neumann: „Putin baut für Trump eine Falle auf, in die der hineingehen soll.“ Von den weitergehenden Forderungen von Alaska ist Putin abgerückt und hat jetzt ein Gegengeschäft angeboten. Er wolle nur noch die Gebiete des Donezk verlangen und verzichte dafür auf zwei weitere teilweise von Russland gehaltene Gebiete, die Regionen Saporischja und Cherson.
„Trump ohne Sympathie für Ukraine“
Für Trump könne dies als ein guter Deal klingen – selbst wenn die Frage nach den Sicherheitsgarantien noch völlig offen ist. Im übrigen habe Trump „keine Sympathien für die Ukraine“, für ihn sei der Konflikt dort nur „lästig“ und anders als den ukrainischen Präsidenten Selenskyj betrachte er Putin als „ebenbürtig“.
Etwas optimistischer sah die „Zeit“-Journalistin Anna Sauerbrey die Lage. Es stimme schon, dass Trump sich für den großen Magier“ halte, der seinen Verhandlungspartnern nur tief in die Augen schauen müsse, um sie auf seine Seite zu ziehen. Bei Putin zieht die Nummer aber sicher nicht. Jedenfalls glaubt Sauerbrey, dass Trump in Budapest wieder realpolitische Hebel in Bewegung setzen könne. Dass er das russlandfreundliche Indien jetzt mit 50-Prozent-Strafzöllen belegte, das sei schon eine Wende zur Realpolitik ebenso wie die Tatsache, dass er nicht den unerfahrenen Sondergesandten Steve Wittkoff sondern Außenminister Marco Rubio mit der Vorbereitung des Gipfels betraut habe.
Ukraine wie eine belagerte Burg
Kurz ging die Runde noch auf Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Dass die USA derzeit keine Tomahawk-Marschflugkörper liefern werde, das ist wahrscheinlich. Aber sollte Deutschland da mit der Lieferung von Taurus-Raketen in die Bresche springen? Nouripour meinte, darüber solle man nachdenken und erinnerte daran, dass Friedrich Merz (CDU) noch als Oppositionsführer dies von Kanzler Olaf Scholz vehement verlangt hatte.
Jetzt aber ist Merz eher still in der Angelegenheit. Nouripour: „Da besteht eine Angst vor dem nuklearen Säbelrassen der Russen im Falle einer Lieferung. Diese Angst hat die jetztige Regierung von der Ampel geerbt.“ Die Verteidigungslage der Ukraine sei wie die Belagerung einer mittelalterlichen Burg, wo den Verteidigern nur erlaubt sei, bis zum Burggraben zu schießen. Der Politikwissehenschaftler Neumann meinte, naheliegender als die nukleare Drohung durch Russland sei es jetzt, dass Deutschland für eine Taurus-Lieferung mit„hybrider Kriegsführung bestraft“ werde.