Puzzelnder Dieb kommt in Betreuung

Angeklagter hat seine Auflagen nicht erfüllt und kommt mit Polizeitaxi zum Prozess in Waiblingen.

Puzzelnder Dieb kommt in Betreuung

Ein 20-jähriger Backnanger muss sich vor dem Waiblinger Jugendschöffengericht behaupten. Foto: okanakdeniz - stock.adobe.com

Von Heike Rommel

Waiblingen. Mit der Polizei musste das Waiblinger Jugendschöffengericht nun einen 20-jährigen Backnanger zu seinem Prozess holen. Der Auszubildende hatte in einem Geschäft Schulsachen gestohlen und bei seiner Auseinandersetzung mit dem Ladendetektiv eine Schere dabei. Die Anklage gegen ihn lautete auf schweren räuberischen Diebstahl.

Der zur Tatzeit am 6. November vergangenen Jahres erst 19 Jahre alte Lehrling lag noch schlafend im Bett, als die Polizei im Auftrag von Jugendrichter Martin Luippold gestern bei ihm daheim in Backnang klingelte. Fast anderthalb Stunden zu spät saß er dann endlich auf dem Anklagestuhl neben seinem Pflichtverteidiger, Sammy Urcun, der es fast „süß“ fand, dass sein Mandant im Backnanger Kaufland in der Sulzbacher Straße Schulsachen geklaut hat, weil er kein Geld hatte, um sich welche zu kaufen. Nur hatte der Angeklagte nebst der Beute inklusive Vesper im Gesamtwert von rund 60 Euro auch noch eine Schere in der Jackentasche, als es zur Konfrontation mit dem Ladendetektiv kam, was den Tatvorwurf zu einem sehr schweren machte, kam die Schere doch juristisch einer Waffe oder zumindest einem gefährlichen Gegenstand gleich. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands schwerer räuberischer Diebstahl wäre gewesen, dass der junge Backnanger gegenüber dem 50-jährigen Detektiv eine gehörige Portion Gewalt angewendet hätte, um sich im Besitz der Beute zu halten.

Eine Betreuerin hilft dem Angeklagten nun, sein Leben zu organisieren

Dafür sprach die Beweisaufnahme auch aus der Sicht der Staatsanwaltschaft allerdings nicht. Denn der Detektiv hatte lediglich „etwas an der Brust gespürt“, als ihn der heute 20-Jährige, der zunächst sogar ein paar Meter mitgekommen war, plötzlich wegschubste, um davonrennen zu können. Auch der Begleiter, den im Kaufland jeder Detektiv dabeihaben soll, damit er einen Zeugen hat, wenn ein Dieb gestellt wird, belastete den Angeklagten mit seiner Aussage vor Gericht nicht.

Richter Luippold und zwei Laienrichter befanden den Backnanger am Ende des Diebstahls mit Waffen für schuldig, sahen aber von der Verhängung einer Jugendstrafe ab. Der Auszubildende hat ihrem Eindruck nach keine schädlichen Neigungen, sondern ist einfach nur „total verpeilt“, wie Martin Luippold bei der Begründung des Urteils sagte, das den jungen Mann unter Betreuungsweisung stellt. Eine Betreuerin vom Jugendamt hilft ihm nun dabei, sein Leben zu organisieren.

Bislang zeichnete sich der junge Mann vor allem dadurch aus, dass er alles Unangenehme immer aufschob. In der Ausbildung hat er keine Probleme, aber ganz große Schwierigkeiten zum Beispiel damit, dass er auf Geheiß des Amtsgerichts Backnang ein 1500-Teile-Puzzle machen soll, weil es in Corona mit der Ableistung mit gemeinnützigen Arbeitsstunden so schwierig ist. Gekauft und zusammengesetzt hätte er das Puzzle, behauptete der Backnanger im Amtsgericht Waiblingen. Er hätte nur kein Foto dabei. Als Richter Luippold meinte, so ein Foto habe man doch normalerweise auf dem Handy und dieses immer dabei, entgegnete der Angeklagte, er habe das Bild mit dem Handy seiner Mutter gemacht. Ob das Puzzle tatsächlich fertig war oder ob der junge Mann sich nach seiner Verhandlung erst noch an den Puzzletisch setzen musste, bevor ihm die Betreuerin Beine macht, bleibt dahingestellt.