„Qualität hat nichts mit dem Preis zu tun“

Ein Jahr im Weinberg (10): Silke Latzel und Günther Ferber lassen ihr gemeinsames Projekt Revue passieren

Die Lese ist vorbei, der Winter steht schon fast vor der Tür. Und eigentlich ist das Jahr im Weinberg für Redakteurin Silke Latzel somit vorbei. Natürlich, der Besuch in der Kellerei steht noch an, sie möchte ja wissen, was dort genau mit „ihren“ Trauben passiert. Und dann gibt es ja auch noch den Wein selbst, der im Frühjahr verkostet werden möchte... Doch bis dahin dauert es noch etwas. Zeit genug für ein Gespräch über Erfahrungen, Arbeit und natürlich Wein.

„Qualität hat nichts mit dem Preis zu tun“

Günther Ferber und Silke Latzel haben beim Gespräch über das Jahr im Weinberg genauso viel Spaß wie bei der Arbeit selbst . Foto: A. Becher

Von Silke Latzel

Günther, jetzt ist unser gemeinsames Jahr im Weinberg fast vorbei. Hat dir unser Projekt denn Spaß gemacht oder hast du manchmal gedacht: „Och nö, jetzt würde ich lieber allein arbeiten, dann bin ich schneller fertig?“

Nein, gar nicht. So was hab ich nie gedacht, von Anfang an nicht. Ich hab mich richtig gefreut, dass ich so eine nette Kollegin gekriegt hab.

Das wusstest du ja vorher nicht...

Stimmt. Ich hab dich da ja erst kennengelernt. Aber von Anfang an, wie du da eingestiegen bist, beim Biegen und Schneiden, da hab ich gleich gemerkt, dass du keine linken Hände hast. Einmal alles erklärt und dann hast du es gleich kapiert und richtig wiedergegeben. Ich hab das keinen Tag bereut. Wir haben das zeitlich ja auch immer so hingekriegt, dass es bei uns beiden passt. Und auch das, was du über unsere Arbeitseinsätze geschrieben hast, da war nichts geschönt oder verdreht.

In der Redaktion waren sie immer ganz neidisch, wenn ich gesagt hab: „Tschö, ich geh jetzt wieder in meinen Weinberg...“

Meine Kollegen haben mich immer auf den Arm genommen und gesagt: Gehst du überhaupt noch nach Hause zu deiner Frau oder bleibst du im Weinberg? War echt toll, hat mir riesigen Spaß gemacht (lacht). Und dir auch, oder? Das war zumindest mein Eindruck.

Ja, auf jeden Fall. Was ich halt total gut fand: Wir sind rausgegangen, haben gearbeitet und dann am Ende ganz konkret gesehen, was wir gemacht haben.

Genau. Wenn man im Weinberg schafft, sieht man die erbrachte Leistung, das ist bei vielen anderen Dingen nicht so.

Und was ich auch ziemlich genossen hab: Das Arbeiten draußen, egal welches Wetter es war. Wir hatten natürlich Glück und es hat nie geregnet. Nur einmal, als du nicht dabei warst, war es ein bisschen nass. Aber im Prinzip war es immer schön. Oh halt, nein, dieses eine Mal, da war es echt bitterkalt...

Beim Biegen im Februar, ja.

Da dachte ich echt, mir fallen die Finger ab, weil wir ohne Handschuhe gearbeitet haben.

Dabei hatte es gar keine Minusgrade. Es war halt nur so feuchtkalt. Ich geh sonst auch schneiden, wenn es Minusgrade hat, aber dann bewege ich mich halt viel. Was mir richtig gut gefallen hat, war, als wir zusammen Traktor gefahren sind und du Angst bekommen hast, wegen dem Buckel (lacht). Dabei waren wir noch nicht einmal in meinem steilsten Weinberg, den hast du ja im ganzen Jahr nicht ein einziges Mal gesehen.

Stimmt nicht, dein Sohn hat mich da zu Fuß hochgetrieben, als wir die Pheromonfallen aufgehängt haben.

Richtig. Da sind es 48 Prozent Steigung.

Ja, ich weiß. Aber die 35 Prozent in meinem Weinberg, das war für mich auch schon okay.

Aber selbst da wäre nicht jede auf den Traktor gesessen und einfach allein runtergefahren, da wette ich mit dir.

Ich wusste ja aber, dass du da bist. Allein deine Anwesenheit hat mir Sicherheit gegeben.

Eingreifen hätte ich aber auch nicht mehr können (lacht). Das Ganze war halt immer eine Vertrauenssache, ich lass dich da ja nicht draufsitzen und dann passiert irgendwas.

Wir haben teilweise schon ganz schön lang gearbeitet, bei der Lese zum Beispiel.

Ja, aber auch, als wir die Traubenzone entlaubt haben. Da haben wir für eine Reihe über eine Stunde gebraucht. Und da hast du mich sogar abgehängt und warst schneller.

Worüber ich auch echt froh bin, ist, dass ich mich nicht verletzt hab, außer bei diesem einen Mal beim Herbsten.

Gut, aber das war dann auch die größte Verletzung von allen. Kein anderer hat sich in diesem Jahr so verletzt. Geschnitten haben sich ein oder zwei, aber nicht wie du. Die Freundin meines Sohnes, die dich verarztet hat, sagte, das hätte man fast tackern müssen.

Oh krass, so hatte ich das gar nicht empfunden... Aber noch was ganz anderes: Es gibt ein paar andere Sachen, die ich nicht gemacht hab und die du allein übernommen hast. Kannst du kurz sagen, was das war?

Das war etwa der Pflanzenschutz.

Was spritzt ihr da?

Das ist vorbeugender Pflanzenschutz mit Kontaktmitteln und Schwefel. Systemische Spritzungen werden nur in Ausnahmefällen bei extremen Witterungsverhältnissen eingesetzt.

Wir reden also von Fungiziden. Oder auch von Insektiziden?

Insektizide benutzen wir keine mehr, da setzen wir seit Jahren schon auf die Verwirrmethode mit den Pheromonfallen. Nur noch Fungizide gegen Pilzkrankheiten. Und Herbizide sehr reduziert, da stellen wir gerade um. Die Unkrautbekämpfung wird vermehrt mechanisch gemacht. Nur noch in den Steillagen hat man die Herbizidbehandlung, wegen der Bodenerosion.

Was ich auch nicht gemacht hab, war etwas, das du immer „Haareschneiden“ genannt hast. Kannst du das noch mal erklären?

Ich hab das jetzt Haareschneiden genannt, der Fachausdruck ist allerdings „die Reben gipfeln“. Das wird mit einem Laubschneider gemacht. Da sind Rotoren dran, die die Reben etwas anziehen und oben abschneiden. Da darf man nicht zu lang warten, denn wenn die Ruten oben zu lang werden, brechen sie ab, hängen runter und die Maschine kommt nicht mehr ran. Das geht heutzutage einfach rein maschinell und ist allgemein keine schwere Arbeit.

Kann man beziffern, wie groß der zeitliche Unterschied ist, wenn man Weinbau vollmaschinell betreibt oder wie ihr hier in Aspach – also quasi fast komplett von Hand?

Das ist ein riesiger Unterschied. Wir sind hier sowieso überdurchschnittlich viel im Weinberg. Aber das kommt auch durch die kleinen Parzellen, die wir haben. Da arbeitet man einfach genauer. Wie daheim: Wenn ich einen kleinen Garten habe, dann kann ich mehr Zeit in die Pflege investieren als bei einem großen. Ich schätze mal, dass wir hier mindestens 700 bis 900 Arbeitsstunden für jeden Hektar im Weinberg verbringen. In den großen Betrieben, in denen fast alles maschinell gemacht wird, reichen etwa 200 Stunden. Es gibt aber auch welche, etwa in Übersee, da wird gar nichts mehr von Hand gemacht. In der Summe sind das dann zwischen 70 und 100 Arbeitsstunden für die Menschen, die die Maschinen bedienen.

Und das ist der Grund, wieso ihr eine Flasche Wein nicht für 2,50 Euro verkaufen könnt?

Ja. Unser Ziel ist es, dass jeder Winzer in der Genossenschaft mindestens einen Euro für jedes abgelieferte Kilo Trauben bekommt. Die Mühe, die man das ganze Jahr über hat, soll ja belohnt werden.

Ein guter Wein fängt also preislich wo an?

Die Qualität hat mit dem Preis nichts zu tun. Das werden jetzt manche Leute nicht gerne lesen, aber eine gute Flasche Wein, die so erzeugt wird wie bei uns, sollte zwischen 5 und 17 Euro kosten. Wenn die Flasche Wein über 20 Euro kostet, zahlt man einfach für einen bestimmten Namen oder eine besondere Lage. Wenn wir davon leben müssten, würde bei uns die Flasche Wein 12 Euro kosten. Denn wenn man die Arbeit nicht richtig bezahlt, dann will sie am Ende keiner machen.

Was ganz anderes: Du hast gesagt, wir gehen noch in die Kellerei...

Ende Januar, ja. Dann schauen wir uns die Kellerei an, die Abfüllanlage, mit allem Drum und Dran – von der Traube, die ankommt, bis zur fertigen Flasche im Karton. Dann sind die Weine so weit fertig, dass wir sie verkosten und bei manchen Sorten sagen können, welche Ausbauweise wir bevorzugen, also ob sie trocken, halbtrocken oder lieblich schmecken sollen.

Was ist denn, wenn jetzt jemand meine ganzen Berichte gelesen hat und sagt: „Mensch, auf so was hab ich auch Lust.“ Kann derjenige sich einfach mal bei euch melden?

Klar. Wir haben schon Anfragen von Leuten, die auch mal ein Jahr im Weinberg arbeiten möchten, weil sie sehen möchten, was bis zum fertigen Wein alles passiert. Auch da übernehmen wir den Pflanzenschutz und die Laubarbeiten mit der Maschine. Aber schneiden, biegen, lesen... Das alles darf man schon selbst machen.

Ich glaub – und das wird auch bei mir so sein, wenn ich meinen Wein bald in der Flasche vor mir stehen habe –, dass das eine ganz andere Art von Wertschätzung ist...

Genau, da sieht man dann nämlich, wie viel Arbeit da wirklich drinsteckt.