Räuberische Erpressung löst sich in Luft auf

Strafverfahren gegen zwei Angeklagte wird nach zwei Verhandlungstagen eingestellt. Zeugen können Vorwürfe nicht erhärten.

Räuberische Erpressung löst sich in Luft auf

Symbolfoto: okanakdeniz - stock.adobe.com

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG/WAIBLINGEN. Die Verhandlung des Jugendschöffengerichts gegen zwei junge Männer (18 beziehungsweise 20 Jahre alt) aus Backnang wegen räuberischer Erpressung (wir berichteten) ist nun fortgesetzt worden.

Abermals werden Zeugen gehört, aber der Fall bleibt undurchsichtig. Kurz flammt eine Diskussion zwischen Richter, Staatsanwalt und den beiden Verteidigern auf bezüglich der Bewertung einzelner Details des Geschehens. Dann wird das Strafverfahren gegen Auflagen eingestellt. Am frühen Abend eines Apriltages im vergangenen Jahr sind sich die Akteure im nördlichen Stadtgebiet Backnangs zufällig begegnet. Man kannte sich vom Sehen. Dabei sollen die beiden Angeklagten von ihrem 20-jährigen Gegenüber Geld verlangt haben. Eventuell unter Androhung von Gewalt? Bei der Zeugenvernehmung am ersten Verhandlungstag Ende Mai hatte der Hauptbelastungszeuge, ein 20-jähriger Auszubildender, einiges anders erzählt als er es zuvor gegenüber der Polizei angegeben hatte.

Eine 18-jährige Aushilfe wird am zweiten Verhandlungstag als Zeugin gehört. Sie war an jenem Aprilabend zusammen mit dem 20-Jährigen unterwegs. Insbesondere den Verbleib der EC-Karte will der vorsitzende Richter klären. Hat der Angeklagte die Scheckkarte an sich gerissen oder selber dem Rucksack seines Opfers entnommen? Obwohl sie nur einige Meter entfernt stand, kann die junge Frau darauf keine Antwort geben. Überhaupt ist das ihre häufigste Antwort: „Weiß ich nicht mehr.“

Ein 19-jähriger Auszubildender, der nächste Zeuge, kam an jenem Aprilabend zufällig an den Akteuren vorbei. Ob da ein Streit im Gange war, will der Richter wissen. Der Zeuge hat nichts Dementsprechendes beobachtet. Und im Übrigen ist er auf das 20-jährige Opfer schlecht zu sprechen. Dieses habe ihn selbst schon bei Gerichtsverfahren fälschlicherweise beschuldigt. Ein Kriminalkommissar, der dritte Zeuge, bestätigt den Anruf des Opfers, in dem der 20-Jährige mitteilte, dass er kein Interesse mehr an der Strafverfolgung habe. Der Angeklagte habe sich bei ihm entschuldigt.

Weil die Zeugenvernehmung schneller vonstattengeht als auf dem Zeitplan vorgesehen, will der vorsitzende Richter die dritte Unterbrechung vermeiden. Er stellt seinen Eindruck vom Stand des Verfahrens in den Raum. Durch die Zeugenaussagen sei der Sachverhalt so wie er in der Anklageschrift zu lesen war, erheblich abgemildert worden. Wenn Gewalt im Spiel gewesen sei, dann nur auf dem untersten Niveau. Irgendwelche Drohungen habe kein Zeuge bestätigt. Der Verbleib der EC-Karte ist weiter ungeklärt. Eine Tatbeteiligung des zweiten, älteren Angeklagten habe sich nicht ergeben.

Der Staatsanwalt kann dem nicht ganz folgen. „Meine Beweiswürdigung ist eine andere“, sagt er. Vorsichtig bringt der Verteidiger des Hauptangeklagten eine Einstellung ins Spiel. Der Richter fragt zurück. Gegen Arbeitsstunden? Kurz entwickelt sich eine Diskussion über die Zahl der Arbeitsstunden. Der Staatsanwalt denkt an 50 Stunden und zusätzlich an einen sozialen Trainingskurs. Das ist dem Verteidiger zu viel. Der Richter unterbindet das Feilschen um die Arbeitsstunden und will mit den Schöffen zusammen beraten. Keine Viertelstunde dauert die Unterredung des Schöffengerichts. Der Beschluss lautet: Das Strafverfahren gegen beide Angeklagten wird eingestellt. Der ältere Angeklagte hat an der Schulung „Chance nutzen“ teilzunehmen. Das ist keine Strafe, so betont der Richter. Im Gegenteil, die Beratung und Schulung kann dem 20-Jährigen bei der Suche nach einer geeigneten Anstellung helfen. Der jüngere Angeklagte muss nach Jugendstrafrecht 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Er sei gegenüber dem Geschädigten aggressiv gewesen. Das könne nicht ohne Sanktion bleiben. Die auferlegte Ableistung der Arbeitsstunden soll eine erzieherische Maßnahme sein. Das angewandte Jugendstrafrecht sei Erziehungsstrafrecht und nicht Schuldstrafrecht. Und dann wendet sich der vorsitzende Richter fast flehentlich an die beiden Angeklagten. Sie mögen doch den ihnen geltenden Auflagen unbedingt nachkommen. Würden sie das nicht tun, ginge das Gerichtsverfahren von vorne los. Und daran habe auch er, der Richter, kein Interesse.