Ran an Chiemseepumpe, Ortungsgerät und Spreizer

Ladies-Night beim Technischen Hilfswerk Backnang bietet Frauen Einblick – Sie können an Themenstationen mit Unterstützung selbst Hand anlegen

Wenn großes Gerät und Technik ins Spiel kommen, dominiert immer noch das männliche Geschlecht – auch im Bereich Rettung: Beim Technischen Hilfswerk (THW) in Deutschland engagieren sich rund 14 Prozent Frauen ehrenamtlich. Um die Mitgliederwerbung mit einer besonderen Aktion fürs weibliche Geschlecht zu kombinieren, hat das THW Backnang erstmals eine Ladies-Night ausgerichtet. Das Team hat keine Mühen gescheut, um den Teilnehmerinnen spannende Einblicke zu geben.

Ran an Chiemseepumpe, Ortungsgerät und Spreizer

Eines der Dreierteams baut gerade eine Wasserversorgungsstrecke mit einer Pumpe auf, die sie mit Hebehilfe ins Becken befördern. Foto: A. Becher

Von Christine Schick

MURRHARDT. Es ist eine Ladies-Night, die ihren Namen verdient, weil die Teilnehmerinnen auch noch nach Einbruch der Dunkelheit an den Stationen Erfahrungen sammeln und mit Neugier und Lust an die Sache herangehen. Aber auch das THW Backnang, insbesondere die Helferinnen, haben eine Menge vorbereitet.

Die neun Teilnehmerinnen werden am Bahnhof Backnang mit einem Begrüßungstrunk empfangen und dann im mächtigen Mannschaftslast- sowie Gerätekraftwagen zu einer kleinen Stadtrundfahrt mitgenommen, um schon mal das entsprechende Einsatzfeeling zu bekommen. Da sich die Frauen zum Abend angemeldet haben, wollen sie auch auf Tuchfühlung gehen. „Ich interessiere mich für die Arbeit, komm selbst beruflich aus dem technischen Bereich“, sagt die Backnangerin Inge Kroll, die lange als technische Zeichnerin im Sondermaschinenbau gearbeitet hat. Dimitra-Eleni Kalaitzi, ebenfalls aus Backnang, kennt Ioanna Michailidou, die die Ladies-Night mitorganisiert und sie „zeitnah auf den Abend hingewiesen hat“. „Ich findet es beeindruckend und spannend, was das THW leistet. Es ist eine tolle und wichtige Arbeit“, stellt sie mit einem Lächeln fest. Ob ein Engagement mit ihrem Beruf im Einzelhandel vereinbar wäre, weiß sie noch nicht.

Am Standort des THW Backnang in der Theodor-Körner-Straße angekommen, geht es zur Sache. In Dreiergruppen aufgeteilt, können die Frauen Teilaspekte der Arbeit kennenlernen. An einer Station gilt es, zwischen zwei mit Wasser gefüllten Becken eine Verbindung aufzubauen und Pumpen anzuschließen. Die größere im Bunde – eine Chiemseepumpe, die in der Regel im Hochwasserschutz eingesetzt wird – schafft 2500 Liter pro Minute, was 17 Badewannen entspricht. Die Gruppe integriert eine weitere, kleinere, die 400 Liter pro Minute packt. Ioanna Michailidou und ein Helfer lassen nebenher Infos einfließen, beispielsweise, dass die verwendete Stromart bei Wasserkontakt keine Gefahr darstellt oder es nicht „Wasser marsch“, sondern „Pumpe start“ heißt, wenn die Strecke aufgebaut und losgelegt werden kann. „Die kleine Pumpe wiegt schon so viel wie ein Kasten Bier“, schätzt Inge Kroll. Als sie am Ende eine angeschlossene Spritze testet, ist sie recht zufrieden und grinst. „Fürs Autowaschen oder zum Gartengießen wäre das super.“

Nächste Station: Ein Jenga-Spiel, das Geschicklichkeit (es werden nach und nach Holzklötzchen aus einem Turm gezogen, der nicht einstürzen darf) mit Schätzfragen rund ums THW kombiniert. Dort erfahren die Teilnehmerinnen beispielsweise, wie viel die Übungspuppe Horst-Günter wiegt, dass es neben den Fachgruppen viele weitere Aufgaben wie Unterstützung in der Verwaltung (Geräte-Wartung, Impfungscheck, Schadensmeldung) oder Jugendbetreuung gibt und dass das THW Backnang über 16 Frauen im Team (von 67 ad hoc einsatzbereiten und insgesamt 110 Kräften) verfügt.

Mitten in die Ladies-Night platzt ein Einsatz, die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen rückt aus

Da die Helferinnen mit der Organisation des Abends gut ausgelastet waren, haben sich die Männer ans Kochen gemacht und servieren zur Halbzeit ein leckeres Büfett für alle. Dass dann plötzlich Bewegung in die Szenerie kommt, ist ungeplant, führt aber den Teilnehmerinnen auch ein Stück Alltag vor Augen: Die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen macht sich beziehungsweise die Ausrüstung, für einen Einsatz in Weinheim bereit. Es heißt, bei einem Schadensfall in einer Kläranlage zu unterstützen. Da die Anfrage am Morgen schon einmal Thema war und sehr viele Helfer vor Ort sind, gehen die Vorbereitungen zügig voran und der Einsatzwagen kann nach rund einer Stunde losfahren.

Noch zwei weitere Stationen werden erkundet. Bei der Ortung geht es darum, Geräusche in einer unbekannten, nicht sichtbaren Umgebung zu identifizieren. „Ich finde das absolut spannend, manchmal hab ich das Geräusch überhaupt nicht erkannt“, sagt eine Teilnehmerin. „Das liegt daran, dass der Schall abhängig vom Untergrund mal gedämpft oder verzerrt, wie bei Sand, mal gut weitergeleitet wird, wie bei Stahl“, erklärt Ioanna Michailidou. Zur Auswahl stehen ein Hammerklopfen, Naturgeräusche, Musik und reine Umgebungsgeräuschkulisse. Ein möglicher Einsatz ist die Bergung von Menschen. Ortung ist die Fachgruppe, bei der die meisten Frauen in Backnang engagiert sind, erzählt Ioanna Michalilidou, manche auch mit dem Vierbeiner, was sich dann biologische Ortung nennt. Seit fünf Jahren im THW hat sie ihren Platz im Ehrenamt gefunden. „Ich wollte etwas Sinnvolles tun“, sagt sie, wobei die familiäre Atmosphäre im Ortsverband den Ausschlag gegeben habe.

Die Kraft von Schere und Spreizer mit Hydraulikantrieb lässt sich an der vierten Station austesten. Mit einem der beiden Geräte, die ebenfalls in der Bergung zum Einsatz kommen, sollen drei mit Wasser gefüllte Trinkgefäße – Plastikbecher und -glas sowie Sektglas – sozusagen in die Zange genommen werden, ohne sie zu beschädigen. Das gelingt gut, wobei zur Demonstration auch mal mit Schmackes in einen Aluträger geschnitten wird.

Ein Gang durchs Gebäude und eine Bildpräsentation auf dem Computer vor dem Haus bilden den Abschluss. Fotos vom Einsatz in New Orleans (Hurrikan Katrina), dem Elbehochwasser, der Absicherung eines nicht mehr standfesten Hauses in Waldrems oder der Belüftung des Stuttgarter Max-Eyth-Sees vermitteln die unterschiedlichen Aufgabengebiete, die Ortsbeauftragter Alexander Krumbach kurz erläutert. Er selbst war Anfang Juli im Irak, wo er Bewohner in einem Flüchtlingslager geschult hat, damit sie ihren eigenen Werkzeugverleih organisieren können. Seine Frau Marei ist bei der Ladies-Night mit von der Partie, um eine konkretere Vorstellung von der Arbeit zu bekommen. „Ich fand es gut und wichtig, dass er dort war, auch wenn mir natürlich ein bisschen mulmig war, als die Spannungen sich verschärft haben“, sagt sie. Unter Umständen wäre ich auch bereit gewesen, ihn zu begleiten.

„Ich hoffe, dass es euch Spaß gemacht hat, und würde mich freuen, die eine oder andere wiederzusehen“, sagt Alexander Krumbach mit einem Lächeln. Als kleinen Anker hält er für Interessierte den Jahresdienstplan mit Aktionen und Treffen bereit. Dimitra-Eleni Kalaitzi ist ziemlich angetan und wird sich überlegen, ob sie den Schritt wagt. Aber auch die anderen Frauen lassen keinen Zweifel daran, dass ihnen die Ladies-Night gut gefallen hat. Übrigens: Um das Kennenlernangebot komplett zu machen, plant das THW Backnang im Herbst einen Männer-Abend für Interessierte.

www.thw-backnang.de.