Rascher Handlungsbedarf im Biotop

Vertreter der Stadtverwaltung und des Nabu Backnang haben sich getroffen, um über das weitere Vorgehen in der Pfaffenrinne zu beraten. Das Areal verlandet zunehmend, die Population der Amphibien ist in Gefahr. Ein Gutachten ist nun in Auftrag gegeben.

Rascher Handlungsbedarf im Biotop

Anfang Juni war zumindest im vorderen Teil des Biotops noch ein Tümpel verblieben, in dem sich die Kaulquappen tummelten. Kurze Zeit später war auch dieser vertrocknet. Fotos: privat

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Eigentlich hätten vor einigen Wochen Babyfrösche und -kröten zu Tausenden, ja, Zehntausenden, vom Biotop Pfaffenrinne in Richtung Plattenwald wandern sollen. Um sie sie abzufangen, sie ein Stück weit zu tragen und ihnen den lebensgefährlichen Abschnitt über die Verbindungsstraße nach Steinbach zu ersparen, haben Ehrenamtliche und Helfer des Nabu Backnang vor Wochen einen mehrere Hundert Meter langen Zaun mit speziellen Fallen aufgebaut. Nur: Die Fallen blieben meistens leer, die Amphibien kamen nicht. „Der komplette vordere Bereich des Biotops ist trocken“, berichtete Marion Schieber-Stitz, die die Aktivitäten rund um die Amphibienwanderung koordiniert, bereits Mitte Juni mit Bedauern. Nur noch rechts des Holzstegs sei anfangs etwas Wasser verblieben, doch auch das hielt nicht lange genug. Für jene Kaulquappen, die bis dahin noch nicht zu kleinen Fröschen oder Kröten entwickelt waren, kommt das Austrocknen des Biotops einem Todesurteil gleich. Und die Amphibien hatten es sowieso schwer, denn Nachtfröste im Frühjahr hatten die Zahl der Nachkommen bereits dezimiert.

Die extreme Wettersituation offenbart ein grundsätzliches Problem des Biotops Pfaffenrinne: Die Verlandung. Die Nabu-Vorsitzende Anja McGrath erklärt es folgendermaßen: Der Zulauf sei so geregelt, dass an der nordöstlichen Seite des Gebiets, also an der Murrbrücke, Wasser aus der Murr in das Biotop strömt und auf der südwestlichen Seite wieder in den Fluss zurückfließt. Nur: In einem Seitenarm eines Fließgewässers sinkt all jenes Material ab, das sonst im Fluss verwirbelt wird. Sprich: Die Murr schwemmt Sand an, welcher wiederum den Zufluss neuen Wassers verhindert. Das vergangene Jahr war zwar insgesamt trockener als dieses, allerdings sei das Biotop in der kritischen Zeit im Frühjahr einmal überflutet worden, erzählt McGrath. Das war dieses Jahr nicht so, mit dem Ergebnis, dass die ehrenamtlichen Helfer statt Zehntausenden gerade einmal eine Handvoll Jungamphibien in den Plattenwald gebracht haben. „Es ist ein unglaublicher Unterschied“, macht die Nabu-Vorsitzende klar. Und wenn sich dieses Phänomen in zwei bis drei aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt, sei die gesamte Population der Frösche und Kröten in Gefahr. „Da muss etwas gemacht werden“, war man sich einig und so suchten McGrath und ihre Mitstreiter das Gespräch mit den Verantwortlichen der Stadt Backnang.

Auf mittlere Sicht muss für die Amphibien ein anderes Areal her.

In der Tat sei geplant gewesen, dass über das Einlaufbauwerk regelmäßig Wasser von der Murr in das Biotop kommt, räumt Baudezernent Stefan Setzer ein. „Aus heutiger Sicht mus man eingestehen, dass das Einlaufbauwerk an dieser Stelle nicht richtig gesetzt wurde.“ Die Murr bringt schlicht zu viel Sediment mit. Einfach zu lösen ist das Problem nicht, das war allen Beteiligten schnell klar. Zwar könnte man das Biotop regelmäßig ausbaggern lassen, das kostet aber jeweils einen höheren sechsstelligen Betrag, schätzt McGrath anhand ähnlicher Erfahrungen des Nabu Aspach. Schon jetzt investiert die Stadt Backnang in die Pflege des Gebiets: Die Wiesen werden seit 2019 abschnittsweise mindestens zweimal in drei Jahren gemäht. Die rasch wachsenden Weiden werden im Frühjahr auf den Stock gesetzt und knapp über dem Boden abgeschnitten. Die anderen Gehölze erhalten einen regelmäßigen Rückschnitt. Das Ausbaggern würde jedoch den Rahmen sprengen. Das sehen auch die Nabu-Verantwortlichen ein: „Es ist auch nicht nachhaltig, wenn man ständig eingreifen muss“, sagt die Vorsitzende.

Dass das bestehende Biotop so umgestaltet wird, dass es ohne große Eingriffe funktioniert, sei vermutlich utopisch, weiß sie. Stefan Setzer weist auch auf das große ehrenamtliche Engagement des Nabu hin: „Das ist jedes Jahr ein Riesenaufwand, bei dem man sich auch fragen muss: Geht das dauerhaft gut?“ Denn die Nähe zur Kreisstraße sei nicht nur für die Amphibien, sondern auch für die Helfer gefährlich. „Auf mittlere bis lange Sicht ist die Pfaffenrinne als Laichbiotop kritisch zu sehen“, fasst der Baudezernent zusammen. Kurzfristig werde die Stadt schauen, wie man das Einlaufbauwerk ertüchtigen kann. Um verlässliche Werte hierfür zu bekommen, wird seit einiger Zeit der Grundwasserstand ermittelt. Ergebnisse liegen voraussichtlich Ende des Jahres vor.

Eine langfristige Alternative wäre es, Ersatzgewässer für die Amphibien zu schaffen – am besten im Plattenwald beziehungsweise in Richtung Oppenweiler-Zell, sodass die Tiere die gefährliche Wanderung über die Straße nach Steinbach nicht in Kauf nehmen müssen. Das habe man auch als Quintessenz aus den Gesprächen mit dem Nabu und der unteren Naturschutzbehörde mitgenommen, so Setzer. Um diese Möglichkeiten auszuloten, hat die Stadt Backnang nun das Planungsbüro Geitz aus Stuttgart beauftragt, ein Entwicklungskonzept für die Pfaffenrinne zu erarbeiten. „Ziel ist die Entwicklung von Lösungsansätzen für den Umgang mit der komplexen Gewässer- und Auenökologie an diesem Ort“, heißt es in einer Pressemitteilung. Ergebnisse hierzu werden im Frühjahr 2021 erwartet.

Anja McGrath lobt ausdrücklich die Bereitschaft der Verwaltungsmitarbeiter, sich um das Thema zu kümmern. „Sie sind sehr darum bemüht, eine Lösung zu finden.“ Ihr, wie auch den anderen Ehrenamtlichen, gehe es darum, dass die Amphibien nicht einfach ihrem Schicksale überlassen werden. „Zu sagen ,Das ist der Lauf der Natur‘ wäre hier zu einfach“, weiß sie. Denn das Biotop Pfaffenrinne ist vor etwa zehn Jahren künstlich angelegt worden. Und der menschengemachte Klimawandel verschärft die Lage darüber hinaus.

Rascher Handlungsbedarf im Biotop

Weitere Pflegemaßnahmen für den Artenschutz in Backnang

Die Oberen Toswiesen, die zwischen der Martin-Dietrich-Allee und der Murr liegen, wurden 2018 als Mulde zur Wasserrückhaltung für den Hochwasserschutz gestaltet, teilt die Stadt Backnang mit. Gleichzeitig sollte die biologische Vielfalt der Wiese erhöht und die Ansiedelung des seltenen Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings gefördert werden. Diese geschützte Falterart benötigt für die Entwicklung den Großen Wiesenknopf, eine feuchtigkeitsliebende Blütenpflanze, die auf der Fläche eingesät wurde. Um die Artenvielfalt zu fördern und Rückzugsräume für Insekten und andere Tiere zu erhalten, wird die Wiese, in zwei Abschnitten zeitversetzt und an den Lebenszyklus des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings angepasst, etwa zweimal jährlich gemäht.

Im Sommer und Herbst werden die zwischen Backnang und Erbstetten gelegenen Auenflächen der Spitzwiesen für einige Zeit durch weidende Schafe gepflegt. Durch das selektive Fressverhalten der Schafe entsteht ein Mosaik an unterschiedlichen Strukturen für die Fauna. Zahlreiche Schmetterlingsraupen nutzen die Brennnessel als Nahrungsquelle. Teile der Brennnesselfluren bleiben stehen und nur alle zwei Jahre gemäht.