Raues Raunzen, matte Melancholie

Das Freiburger Barock-Consort mit Kantaten und Concerti von Alessandro Scarlatti im Stuttgarter Mozartsaal

Von Verena Großkreutz

Weihnachten ist Muggen-Zeit, denn dank vorweihnachtlichem Stimmungszauber ist der Bedarf an Musik hoch. Das bringt Musikern und Musikerinnen einen lukrativen Jahresabschluss. Und weil besonders das Barock sich im Komponieren von Weihnachtsmusik gefiel, stehen die Alten Meister hoch im Kurs. Auch das Freiburger BarockConsort, die siebenköpfige Minivariante des Freiburger Barockorchesters (FBO), zieht derzeit mit einem Weihnachtsprogramm durch die Lande und machte jetzt auch Station im Stuttgarter Mozartsaal.

Das hippe Motto lautete: „Scarlatti Xmas“. Der Bezug auf den englischen Sprachraum würde auf Scarlatti junior, also auf Domenico, durchaus zutreffen. Immerhin wird die Musik des Tastenvirtuosen mit Migrationshintergrund gerne im Jazz fusioniert. Zur Musik seines Vaters Alessandro, die im Mozartsaal ausschließlich erklang, will das Motto aber mitnichten passen. Der einst berühmte und gefeierte Opernkomponist war Neapolitaner durch und durch, und die Weihnachtstradition Neapels mit ihrer überbordenden Krippenkunst ist geradezu Kult, so dass die Freiburger ihrem Publikum ein X für ein U vormachen, wenn sie ihr Konzert nicht „Natale napoletano“ nennen. Aber das wäre halt nicht so hipp.

Hipp ist aber auch nicht, die selten gespielte Instrumentalmusik von Scarlatti senior derart lieblos und langweilig herunterzurattern. Man spielte zwei der „12 Sinfonie di concerto grosso“ sowie das g-Moll-Flötenkonzert Nr. 24, aber vom lebendigen Zugriff aufs Barock, für den das FBO steht, war an diesem Abend kaum etwas zu hören. Barocke Concerti leben vom Kontrast zwischen tänzerischen und melancholischen Sätzen: Weltschmerz inmitten wild entfesselter Lebensfreude. Aber sie wirkten wie aus dem Stegreif gespielt und einfallslos gestaltet.

Mit engagiertem Körpereinsatz wollte die Konzertmeisterin Petra Müllejans durchaus Wildes ausdrücken, aber hörbar wurde dann doch nur ein raues Raunzen und in den Adagios matte Trägheit. Ärgerlich war vor allem das während des gesamten Konzerts unsaubere Zusammenspiel zwischen Müllejans und der Violinistin Beatrix Hülsemann. Technisch bewältigte die Flötistin Isabel Lehmann die virtuosen Ansprüche, die alle drei Stücke an sie stellten, mit links, aber ansonsten wirkte ihr Spiel eintönig und langweilig phrasiert.

Aber zum Glück gab es ja noch zwei schöne Kammer-Kantaten zu hören, welche die Geburt Jesu bejubeln. Da erwachten auch endlich wieder die malträtierten Ohren, als die Stimme von Dorothee Mields erklang: bezaubernd kräftige Farben! Die Sopranistin sang mit Hingabe und Gestaltungsfreude, mit Intensität und Wärme, geschmeidig und intonatorisch astrein. Davon ließ sich dann zumindest im finalen „O di Betlemme altera“ auch das Consort mitreißen, und die Freude der Hirten, die am Ende die „ersten Atemzüge“ ihres Messias hörbar mit Dudelsäcken feiern, übertrug sich auch aufs Publikum im Stuttgarter Mozartsaal.