Rechte Schmierereien in Sulzbach

Liste mit Namen und teilweise Adressen von linken Politikern und Personen in der Bahnhofsunterführung

Der Rems-Murr-Kreis belegt laut Polizeistatistik bei der politisch motivierten Kriminalität den unrühmlichen Spitzenplatz. Aktuelles Beispiel sind Schmierereien in der Sulzbacher Bahnhofsunterführung, bei denen nicht nur politische Parolen, sondern auch eine Liste mit Namen und teilweise Adressen linker Politiker und Personen, an die Wände gesprüht wurden.

Rechte Schmierereien in Sulzbach

Die Gemeinde Sulzbach hat wegen der Schmierereien in der Bahnhofsunterführung Anzeige gegen Unbekannt erstattet.Foto: A. Becher

Von Silke Latzel und Lorena Greppo

SULZBACH AN DER MURR/AALEN. „Wir sind erschüttert und wie vom Blitz getroffen“, sagt Michael Heinrich, Hauptamtsleiter der Gemeinde Sulzbach. „In dieser Form gab es so etwas noch nie bei uns und wir können uns auch nicht erklären, wieso diese Schmierereien gerade in der Bahnunterführung in Sulzbach angebracht worden sind. Wir haben den Vorfall direkt an die Polizei weitergeleitet und Anzeige gegen unbekannt erstattet.“

„Eine neue Dimension, die ganz furchtbar ist“

Politische Schmierereien sind in Backnang und Umgebung nichts Neues, sie kommen sowohl aus dem rechten als auch aus dem linken politischen Spektrum (wir berichteten mehrfach). In Sulzbach allerdings stehen neben Parolen wie „Wacht auf! NS jetzt“, „Asylanten raus“ und „Refugees not welcome here“ – auf Deutsch: „Flüchtlinge sind hier nicht willkommen“ – jetzt auch Namen und teilweise Adressen von, wie dort zu lesen ist, „Zecken“, ein Begriff, den Rechtsradikale für ihre politischen Gegner verwenden. Laut Aussage der Polizei wurden diejenigen, die dort genannt sind, teilweise in der Vergangenheit auch schon anderweitig geschädigt, ihre Wohnhäuser mit Farbe beschmiert und ähnliches. Auch Wahlplakate der SPD und der Grünen in Sulzbach seien mit Parolen verunstaltet worden. Michael Heinrich berichtet, auf dem Wahlplakat der Grünen habe er das Wort „Volksverrat“ gesehen.

Die Namen in der Sulzbacher Bahnhofsunterführung sind angeordnet wie auf einem Stimmzettel für eine Wahl, haben angekreuzte Kreise, die eine Stimmabgabe symbolisieren könnten. Einer, dessen Name dort steht, ist Reinhard Muth aus Althütte, Ansprechpartner der Partei „Die Linke“, Ortsverband Backnang und Umgebung. „Ich werde natürlich Anzeige erstatten“, sagt er unserer Zeitung. Dass die Schmierereien sich jetzt nicht mehr nur auf politische Parolen beschränken, sondern die unbekannten Täter auch vor der Auflistung von Namen nicht zurückschrecken, ist für Hauptamtsleiter Heinrich „eine neue Dimension, die wirklich ganz furchtbar ist. Wir haben keine Kenntnisse über eine Entwicklung in Richtung des rechten Milieus hier in Sulzbach. Und wir haben auch mit unseren Flüchtlingen gesprochen, die unter anderem hier am Bahnhof untergebracht sind. Dort gab es noch nie Übergriffe. Es ist für uns wirklich unerklärlich.“

Wie es in Sulzbach jetzt weitergeht, ist indes schon klar: Da die Taten politisch motiviert sind, werden die weiteren Ermittlungen vom Staatsschutz der Polizei übernommen. Und die Deutsche Bahn AG, die Eigentümerin der Unterführung ist, werde die Schmierereien so schnell wie möglich beseitigen, so Heinrich. „Aber man hat uns mitgeteilt, dass man dort derzeit total überlastet ist, da Schmierereien dieser Art derzeit landauf, landab ein Problem sind und sie gar nicht wissen, wo sie überhaupt anfangen sollen mit der Beseitigung.“

Unrühmlicher Spitzenplatz bei der politisch motivierten Kriminalität

Insgesamt gebe es bei politisch motivierter Kriminalität im vergangenen Jahr „einen erfreulichen Rückgang“, hatte Kripo-Chef Reiner Möller bei der Präsentation der Kriminalstatistik des Jahres 2018 noch gesagt. Zugleich hatte er aber auch klar gemacht: „Der Schwerpunkt liegt nach wie vor rechts.“ Von insgesamt 219 Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Aalen, die zum Phänomenbereich politisch motivierter Kriminalität zählen, entfallen 165 auf das rechte Spektrum. Mit 129 Fällen machen Propaganda und Sachbeschädigung den Hauptteil der Delikte aus. Diese weisen laut Polizei erfahrungsgemäß kaum Ansätze für Ermittlungen auf. Die Aufklärungsquote lag im PP Aalen im vergangenen Jahr daher bei lediglich 34,3 Prozent der Fälle. 2017 entfielen 197 von insgesamt 277 politisch motivierten Straftaten auf den Bereich „rechts“. Die Zahl der dem linken Spektrum zugeordneten Delikte blieb auf ähnlichem Niveau, hier kam die Polizei 2018 auf 25 Fälle (2017: 26). Die übrigen Straftaten waren entweder nicht zuzuordnen oder entfielen auf den Bereich religiöse und ausländische Ideologie.

Unter den drei zum Polizeipräsidium Aalen gehörenden Landkreisen belegt der Rems-Murr-Kreis den unrühmlichen Spitzenplatz bei der politisch motivierten Kriminalität: 139 der insgesamt 219 Delikte wurden hier begangen, für den Ostalbkreis schlagen 52 zu Buche und im Kreis Schwäbisch Hall 28. Auch im Rems-Murr-Kreis dominieren die Fälle im rechten Spektrum deutlich, auf diesen Bereich entfallen 102 Straftaten, 21 wurden dem linken Spektrum zugeordnet.