Regierungschef Tsipras übersteht Vertrauensfrage

dpa Athen. Die Debatte um die Vertrauensfrage im Parlament war unwürdig, kritisieren viele Griechen. Der Schlagabtausch zwischen Regierung Opposition nahm teils hässliche Züge an. Aber zum Schluss konnte einer aufatmen.

Regierungschef Tsipras übersteht Vertrauensfrage

Bei der zum Teil stürmisch verlaufenen Debatte warb Tsipras damit, dass Griechenland unter seiner Führung aus der schwersten Finanzkrise der jüngsten Geschichte langsam herausgekommen sei. Foto: Petros Giannakouris/AP

Das griechische Parlament hat Ministerpräsident Alexis Tsipras und seiner Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Tsipras setzte sich einmal mehr denkbar knapp durch: Im 300-köpfigen Parlament stimmten 153 Abgeordnete für ihn, acht mehr, als die Regierungspartei Syriza Abgeordnete hat.

Vorangegangen war eine dreitägige, höchst aufgeladene Wahlkampf-Debatte, in der jedes noch so abwegige Thema auf den Tisch kam und an persönlichen Beleidigungen nicht gespart wurde.

Kurz vor der Abstimmung am Freitagabend ruderte Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis zurück. Die Debatte sei entgleist, das sei nicht sein Stil. „Aber es hat auch noch nie in der Geschichte des Parlaments ein Premierminister so mit anderen Mitgliedern des Hauses geredet wie Sie“, sagte er an Tsipras gewandt. Dieser hatte ihn am Mittwoch nicht nur geduzt, sondern ihm unter anderem vorgeworfen, weich gebettet in einer reinen Politikerfamilie aufgewachsen zu sein, sprich, seinen heutigen Status ohne eigenes Zutun erlangt zu haben.

Die Vorwürfe vor Tsipras kamen jedoch nicht von ungefähr: Zuvor hatte Mitsotakis sich über ein Foto ausgelassen, das den Premier im Sommer 2018 urlaubend auf einer Motorjacht zeigen - nur wenige Wochen nach einer großen Brandkatastrophe nahe Athen, bei der mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen waren. Das sei unmöglich gegenüber den Opfern und der Jacht-Urlaub außerdem entlarvend, wo Tsipras sich doch stets gegen die Eliten und den Kapitalismus wende. Darüber hinaus insinuierte Mitsotakis, ein Onkel des Premiers habe in den 70ern enge Verbindungen zur Militärdiktatur gepflegt.

Tsipras selbst schlug am Freitagabend schließlich ebenfalls ruhigere Töne an, kam aber nicht umhin, erneut den Vater von Mitsotakis ins Spiel zu bringen, einen früheren Ministerpräsidenten des Landes. Viel weniger diskutiert wurden dagegen die vom Premier Anfang der Woche verkündeten Pläne zur Steuersenkung und Rentenerhöhung, die von der Opposition als reine Wahlgeschenke abgetan wurden.

Tsipras zählte wiederholt die Verdienste seiner Regierung auf und betonte, er habe das Land aus der Krise und den Hilfsprogrammen geführt. Die Opposition konterte, die Regierung würge die Wirtschaft und vor allem die Mittelklasse mit ihrer harten Besteuerung ab und schaffe kein Wachstum, sondern treibe die Misere des Landes nur weiter voran.

Auslöser der Vertrauensfrage war eine abfällige Attacke gewesen: Ein Minister von Tsipras hatte sich per Tweet über einen behinderten Politiker der konservativen Partei Nea Dimokratia geäußert: Dieser habe seinen Posten in der Gesundheitsbehörde nur auf Grund seiner Behinderung erhalten, anstatt gleichberechtigt mit anderen den Weg der normalen Bewerbung zu gehen.

Die Opposition stellte daraufhin einen Misstrauensantrag gegen den Minister, Tsipras reagierte mit der Vertrauensfrage. Von Beginn an sprachen politische Beobachter in Athen von reinem Kalkül - in Griechenland stehen spätestens im Oktober Parlamentswahlen an, die Europawahl Ende Mai gilt als Gradmesser. Tatsächlich geriet die Debatte zum Wahlkampfauftakt zu einer Schlammschlacht. Glaubt man griechischen Medien und den Kommentaren in sozialen Netzwerken, hat das bei den Bürgern mehr Vertrauen verspielt als geschaffen. „Zwei Esel zanken um fremdes Heu!“, spottete eine Twitter-Nutzerin.