Regional, saisonal, bio und unverpackt

Im Nahturladen Burgstall kann man rund um die Uhr an allen Tagen in der Woche einkaufen, allerdings gilt das nur für Mitglieder des Vereins. Davon gibt es mittlerweile 127, und alle haben einen Chip, mit dem sie jederzeit die Ladentür öffnen können.

Regional, saisonal, bio und unverpackt

Malin Ludwig und Jasmin Schwarz (von links), beide sind Gründungsmitglieder des Vereins, freuen sich über den Erfolg „ihres“ Ladens. Foto: A. Becher

Von Renate Schweizer

BURGSTETTEN. Nein, Erdbeeren im Dezember wird man hier nicht finden. Auch keine Äpfel im Hochsommer. Bananen nie. Denn die Devise im Nahturladen Burgstall lautet: Regional, saisonal, bio und unverpackt. „Nur beim Kaffee, da haben wir uns nach langen Diskussionen entschlossen, vom Prinzip abzuweichen“, erzählt Jasmin Schwarz, Vorsitzende des Vereins Nahturladen, „Kaffee wächst nun mal nicht in Deutschland – ist aber für viele echt täglicher Bedarf.“

Bio, fair und unverpackt ist auch der Kaffee und er ist in mehreren Sorten erhältlich: für Espresso oder „normalen“ Kaffee, 100 Prozent Arabica oder Mischung, immer als ganze Bohne. Man schaufle die gewünschte Menge aus der aromadichten Edelstahlbox, schütte sie (falls man das möchte) in die Kaffeemühle, stelle den gewünschten Mahlgrad ein, halte die mitgebrachte Kaffeedose unter die Mühle, wiege das ganze ab (Tara, also das Gewicht der Dose, abziehen nicht vergessen; die Waage kann das, aber man muss es ihr sagen) und bezahle den Kauf mit EC-Karte – eine Bargeldkasse gibt es nicht im Nahturladen. Man muss schon was tun, um hier einzukaufen. Mal eben alles aufs Band legen und dann abscannen lassen, ist nicht.

„Die ätherischen Öle stammen von Pflanzen, die in Kirchberg wachsen.“

Und man muss wissen, wie’s geht. „Stimmt“, sagt Malin Ludwig, auch sie Gründungsmitglied des Vereins, „deswegen muss man bei uns Mitglied sein, um hier einzukaufen.“ Nur Mitglieder haben den Chip, mit dem man das kleine Lädchen mitten im Ort betreten kann. Die Gemeinde hat dafür das ehemalige Backhäusle zur Verfügung gestellt und die Blumenkästen in den beiden Fenstern – es sieht herzallerliebst aus, schon von außen. Von innen erst recht: Strotzend in allen Farben das frische Gemüse (nur die Kartoffeln, das lichtscheue Gesindel, sind abgedeckt), darüber frisches Brot, links Schüttgut, also beispielsweise Linsen, Sonnenblumenkerne und Kichererbsen, darunter die blitzenden Edelstahlbehältnisse mit Mehl, Nudeln, verschiedenen Getreidesorten, außerdem Schnäpse in edlen Flaschen, Wein, Saft und Most, rechts Frischmilch gekühlt in Pfandglasflaschen und, man höre und staune, bunte Seifen, Putzmittel, Kosmetika, ätherische Öle und Hydrolate.

Wie bitte? Putzmittel und ätherische Öle sollen regional sein? „Okay, die Putzmittel kommen aus Schorndorf“, räumt Ludwig ein, „aber die ätherischen Öle stammen von Pflanzen, die in Kirchberg an der Murr gewachsen sind und das ist von Burgstall aus wirklich nur ein Katzensprung.“ Reis gibt es konsequenterweise nicht, denn der wächst nicht in Deutschland, aber Hirse und Quinoa sind da, Mandeln gibt’s nicht, aber bald kommen die Wal- und Haselnüsse der aktuellen Saison. In der Ecke steht der Lieferantenordner, in dem sich die Lieferanten des Ladens mit Adresse, Bild und Unternehmensphilosophie vorstellen – bei jedem Produkt kann man nachschauen, wo, von wem und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde oder gewachsen ist. Alles funkelt und blitzt vor Sauberkeit. Wie kann das sein, in einem Laden, in dem sich jeder selbst bedient und keiner aufpasst? „Ohne die Ladendienstler wäre das gar nicht möglich“, erklärt Schwarz. „Es sind uns natürlich auch Mitglieder willkommen, die einfach nur einkaufen wollen – aber einige wollen mehr tun und so kommt jeden Tag jemand anderes zum Ladendienst, putzt, räumt auf und sorgt für volle Regale.“ Ungefähr eine Stunde dauert das und niemand fragt, ob es vormittags um 9 Uhr geschieht, nachmittags oder nachts um 22 Uhr – was zählt, ist das Ergebnis.

Während des Pressetermins kommt Kundschaft. Christine Krautter ist es mit Nathanael und Rahel – sie wollen nur eben noch ein Brot holen vor dem Mittagessen. „Es ist super und ganz unkompliziert“, strahlt die junge Mutter, „ich hab einmal sogar um Mitternacht eingekauft oder am Sonntag, als ich eben noch einen Kuchen backen wollte und merkte, dass ich nicht alle Zutaten hab.“

„Das Konzept muss stimmen: flexibel, zeitgemäß, nachhaltig.“

Gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite ist der Kindergarten. „Ich bin richtig froh, dass es das jetzt gibt bei uns in Burgstall.“ Feierlich und unverpackt trägt Nathanael das Brot aus dem Laden, ab und zu stibitzt er einen Kürbiskern von der knusprigen Kruste – kommt ganz auf die Perspektive an, ob das nun ein Vorteil oder ein Nachteil des unverpackt Einkaufens ist.

Sieben Gründungsmitglieder waren sie bei der Online-Gründungsversammlung im Coronaapril 2020. Inzwischen sind sie 127 – die Idee kommt offensichtlich an, gerade auch bei jungen Menschen, die doch angeblich mit Vereinen nichts mehr am Hut haben. Es muss nur das Konzept stimmen, flexibel, zeitgemäß und nachhaltig sein. „Wir haben aber auch viele ältere Mitglieder und Rentner“, erzählen die jungen Frauen, „die freuen sich, dass es mitten in Burgstall wieder einen Laden gibt – das ist ja auch ein Treffpunkt.“ – „Das gilt übrigens auch für uns“, setzt Schwarz hinzu. „Vor der Gründung des Nahturladens war ich nicht so in Verbindung mit dem Dorf – erst jetzt bin ich richtig hier angekommen.“ Um Nahturladen-Neulingen und interessierten Schnupperkunden auf die Sprünge zu helfen, ist immer an Dienstagvormittagen ein Vereinsmitglied im Laden präsent und ansprechbar.