Rettungsschiffe im Mittelmeer blockiert: Lage spitzt sich zu

dpa Rom. Mehrere Schiffe mit geretteten Migranten an Bord warten bisher vergebens auf dem Mittelmeer auf einen sicheren Hafen. Einige Menschen brauchen besonders schnell Hilfe. In Frankreich und in Italien stehen weitere Schiffe zum Ablegen bereit.

Rettungsschiffe im Mittelmeer blockiert: Lage spitzt sich zu

Das von der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye herausgegebene Foto vom Mittwoch zeigt Seenotretter der „Alan Kurdi“ vor einem Schlauchboot voller Flüchtlinge. Foto: Pavel D. Vitko/Sea-Eye

Zwei blockierte Rettungsschiffe mit insgesamt mehr als 160 Migranten an Bord erhöhen den Druck auf Europa, eine Lösung im Streit um die Verteilung von Geflüchteten zu finden.

Die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms war mit 124 Migranten auf dem Mittelmeer auf der Suche nach einem Hafen. Eine hochschwangere Frau habe Wehen, twitterte NGO-Chef Oscar Camps.

Die „Alan Kurdi“ der deutschen Organisation Sea-Eye nahm am Freitag mit 40 Migranten Kurs von Italien auf Malta. In Frankreich ist die „Ocean Viking“ von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen bereit zur Fahrt ins Suchgebiet vor Libyen. Auch eine italienische NGO will wieder auslaufen.

Italien zeigte sich wie immer hart und lässt kein Schiff anlegen. Die „Alan Kurdi“ hatte die Menschen Mitte der Woche gerettet. Die Einsatzleitstelle der italienischen Küstenwache habe Sea-Eye nun mitgeteilt, dass die maltesischen Behörden zuständig seien, „obwohl das Schiff genau vor Lampedusa liegt“, twitterte die Regensburger Organisation.

„Malta ist mehr als 20 Stunden entfernt. Ein unerträglicher Streit wird auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen.“ Italien habe auch abgelehnt, Minderjährige, darunter Kleinkinder, und eine Schwangere von Bord zu bringen. Ein kleiner Junge mit einer Schusswunde sollte nach Malta gebracht werden. Das Schiff steuerte auf die Mittelmeerinsel zu.

Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini hat dem Schiff die Einfahrt verboten und gedroht, es zu beschlagnahmen, sollte es in Italien anlanden. Aus Malta kamen bisher keine Signale, das Boot aufzunehmen.

Auch die spanische Hilfsorganisation Proactiva sucht nach einem sicheren Hafen. Das Schiff „Open Arms“ habe in der Nacht zum Freitag weitere 69 Migranten vor der libyschen Küste gerettet. Das Schiff habe nun 124 Menschen an Bord, nachdem am Donnerstag bereits 55 größtenteils aus Eritrea stammende Menschen von einem Leck geschlagenen Boot gerettet worden waren, teilte Camps mit. An Bord sind neben Schwangeren auch neun Monate alte Zwillinge. Die in der Nacht an Bord genommenen Migranten hätten deutliche Zeichen von in Libyen erlittener Gewalt.

Italien hatte auch diesem Schiff mitgeteilt, dass es nicht anlegen dürfe. Kapitän Marc Reig sagte dem spanischen Fernsehen, er habe sich an alle zuständigen Behörden in Libyen, Malta und Italien gewandt ohne eine Antwort zu erhalten. Das Schiff fährt unter spanischer Flagge.

Bald könnten zwei weitere Schiffe dazu kommen: Die „Ocean Viking“ will von Marseille losfahren und bräuchte dann etwa zwei Tage ins Rettungsgebiet. Das Schiff kann rund 200 Menschen aufnehmen und ist das größte der Seenotretter im Mittelmeer. Die italienische NGO Mediterranea Saving Humans vermeldete zugleich, dass die Beschlagnahmung ihres Schiffs „Mare Jonio“ aufgehoben wurde und sie zu einer neuen Mission aufbrechen wollten.

Italiens populistische Regierung weigert sich seit Amtsantritt vor mehr als einem Jahr, NGO-Schiffe anlegen zu lassen. Rom will nicht nur, dass die Migranten auf andere EU-Staaten verteilt werden. Die Regierung pocht auch darauf, dass die Schiffe nicht alle in italienischen Häfen anlegen. Die EU streitet seit langem um einen Verteilmechanismus - eine Lösung gibt es bisher nicht.

Stattdessen provozierte Salvini die Bundesregierung und warf ihr „Erpressung“ vor. Berlin habe Italien vorgeschlagen, dass Deutschland 30 Migranten von dem italienischen Küstenwachenschiff „Gregoretti“ übernehme, wenn im Gegenzug die 40 Migranten der „Alan Kurdi“ in Italien aussteigen dürften, hatte er am Donnerstag erklärt.

Nach dpa-Informationen hat die Bundesregierung aber klar gemacht, dass sie sich auch an der Aufnahme von Migranten von der „Alan Kurdi“ beteiligen will. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, Deutschland sei es ein Anliegen, Menschen vor dem Ertrinken zu retten und zu vermeiden, dass Schiffe tage- oder wochenlang vor den europäischen Häfen liegen, bevor sie anlegen dürfen“.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Brüsseler Behörde vermittle auf der Suche nach einer Lösung für die Migranten an Bord der „Alan Kurdi“ zwischen den EU-Staaten. Einige Länder hätten sich schon dazu bereit gezeigt, Migranten von dem Schiff aufzunehmen.