Buch von Politikerin erscheint

Ricarda Lang: Das Klima hat sie vor der Volljährigkeit kein Stück interessiert

Ricarda Lang hat mit dem Soziologen Steffen Mau ein Buch herausgebracht. Es beschäftigt sich mit großer Politik – aber offenbart auch Persönliches aus dem Leben der Politikerin.

Ricarda Lang: Das Klima hat sie vor der Volljährigkeit kein Stück interessiert

Ricarda Lang gibt in ihrem neuen Buch auch viel Persönliches Preis.

Von Sascha Maier

Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang und der Soziologe Steffen Mau haben gemeinsam ein Buch veröffentlicht. In „Der große Umbruch: Ein Gespräch über Krisen, Konflikte und Kompromisse“ beschäftigen sich die beiden vor allem mit den großen gesellschaftspolitischen Fragen. Gleichzeitig liefert Lang, aufgewachsen in Nürtingen, interessante biografische Einblicke. Bei ihrer steilen Karriere – in wenigen Jahren wurde sie von der Bundessprecherin der Grünen Jugend zur Bundesvorsitzende der Grünen – hätten viele vielleicht einen von Kindesbeinen an politisierten Menschen erwartet. Bei Ricarda Lang war das mitnichten so.

Während ihrer Jugend, sagt Lang in dem Gesprächsband, sei sie „gar nicht sonderlich politisch“ gewesen. Deshalb habe es die 31-Jährige auch immer wieder „wahnsinnig faszinierend“ gefunden, wenn sie in den vergangenen Jahren 14-Jährige getroffen habe, die sich bei Fridays for Future engagieren. „Mit 14 war ich mit allem auf der Welt beschäftigt, aber nicht mit dem Klima, und wenn, dann höchstens mit dem Klima im Freundeskreis“, räumt Lang ein.

Auch mit der Linken und SPD geliebäugelt

Dies habe sich mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres „ schlagartig verändert.“ Auslöser sei gewesen, dass ihre Mutter ihren Job in einem Frauenhaus in Sindelfingen verloren hat. „ Ihr wurde nicht gekündigt, sondern das Frauenhaus hat komplett zugemacht“, sagt Lang. Daraufhin habe sie sich dazu entschieden, politisch aktiv zu werden.

Dass sie sich gerade bei den Grünen engagieren würde, sei für sie damals noch nicht selbstverständlich gewesen. „Es wären ein paar Parteien infrage gekommen. Die Linkspartei gab es damals in Baden-Württemberg so gut wie nicht, die hat keine Rolle gespielt, und in der SPD waren sehr viele ältere Herren.“ Insofern sei es am Anfang nicht so sehr um Inhalte gegangen, sondern „ein lebensweltliches Ding“ gewesen: „Bei den Grünen waren ein paar jüngere Leute, etwas mehr Frauen, da habe ich mich wohler gefühlt.“

Die Grünen haben Lang erst zum Umweltschutz gebracht

Ökologie sei für Lang damals gar nicht das prägende Thema gewesen, das habe sich erst später durch das steigende Bewusstsein für die Freiheitsverluste durch ökologische Krisen verändert. „Der Umweltschutz hat mich also nicht zu den Grünen gebracht, sondern die Grünen haben mich zum Umweltschutz gebracht.“

Lang beschreibt ihre Jugend als typische West-Erfahrung – ihr Co-Autor Steffen Mau wuchs im Osten auf. Über ihre Biografien kommen die beiden schließlich zu Themen wie Chancengleichheit im Bildungssystem, das nicht eingehaltene Aufstiegsversprechen und die Frage, ob Aufstieg über eine Kategorie sein sollte, an der sich Politik ausrichten sollte.

Auch die Rolle sozialer Medien in der heutigen Welt wird diskutiert – und Lang, die auf X und Co. eigentlich als sehr versiert und schlagfertig gilt, räumt auch Fehler ihrer Partei in Fragen des so genannten Kulturkampfes ein. In dem Buch ist von „Hyperpolitisierung von Nebensächlichkeiten“ die Rede, auf die sich auch die Grünen aus Langs Sicht zu sehr eingelassen hätten.

Hyperpolitisierung: Kein Familienchat ohne Debatte

Daraus entstehe ein Teufelskreis. „Einerseits führt die Hyperpolitisierung von Kleinigkeiten dazu, dass viele den Eindruck haben, sie lebten in einer Zeit der Überpolitisierung.“ Nicht einmal mehr Nebensächlichkeiten seien unpolitisch, „alles ist hektisch und kontrovers, dauernd muss man sich mit politischen Dingen beschäftigen und sich positionieren. Kein Familienchat oder Weihnachtsessen mehr ohne politische Debatten.“

Auch der Bundestag bleibe nicht davon verschont. „Eigentlich sollten sich hier die Debatten um ein gerechtes Steuersystem oder um Investitionen in die Infrastruktur drehen“, sagt Lang. Stattdessen werde mit großer Leidenschaft und Aufgeregtheit über Symbolpolitik und Kulturkampf gestritten. Am Ende profitiere davon nur die AfD. „Wir haben nur noch reagiert und vor dem Kulturkampf gewarnt, ohne zu merken, dass wir selbst Teil davon waren.“

Steffen Mau drückt es so aus: „Das Thema ,Radwege in Peru’ – darüber kann sich die Bundesrepublik sechs Wochen aufregen.“ Aber die zentralen Fragen wie die der Klimatransformation oder der sozialen Gerechtigkeit würden eigentlich nicht thematisiert.

Später im Buch, viele Grundsatzüberlegungen später, kehrt Lang dann noch mal zurück zu der Frage, warum sie schließlich in der Politik geblieben ist. „Am Anfang ging es nicht darum, was ich jetzt konkret als coolen Social-Media-Post absetzen kann, und ich hatte auch noch gar nicht den direkten Fokus auf das Parlament, sondern es war dieses erstmalige Erleben von Selbstwirksamkeit“, erinnert sich das 18-jährige Ich der Politikerin.

Soziale Medien als Politikeinstieg

„Tatsächlich wären ja manche Demokratisierungsbewegungen weltweit ohne die sozialen Medien nicht denkbar gewesen“. findet Lang. Und für viele junge Menschen bildeten sie einen ersten Zugang zur Politik. Ob bei der Entwicklung die Licht- oder Schattenseiten überwiegen, beantwortet „Der große Umbruch“ nicht abschließend, wie viele andere großen Fragen auch. Allemal spannend sind die Einblicke, wie die junge, Social-Media-affine Politikergenartion tickt, dennoch.

Ricarda Lang und Steffen Mau: Der große Umbruch: Ein Gespräch über Krisen, Konflikte und Kompromisse, Ullstein Verlag, Berlin 2025, gebunden, 400 Seiten, 24,99 Euro